Drastische Worte
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat am Donnerstag bei einem Besuch in Spielfeld in der Steiermark die bessere Absicherung der EU-Außengrenzen gefordert. „Wir müssen an einer Festung Europa bauen“, griff die Ministerin beim Lokalaugenschein mit Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) zu ungewohnt drastischen Worten.
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Ohne besseren Schutz der EU-Außengrenzen sei die Situation mittelfristig nicht in den Griff zu bekommen, so die Ministerin. Dazu brauche es „Hotspots“ zur Registrierung an den Außengrenzen und Verteilung der Flüchtlinge. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte sich am Donnerstag erneut dafür ausgesprochen, die Außengrenzen der EU besser zu schützen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir einen europäischen Grenzschutz aufbauen“, so Merkel.
Ursprung im Zweiten Weltkrieg
Der Begriff „Festung Europa“ stammt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und bezeichnete Gebiete, die von Nazi-Deutschland besetzt waren. Zuletzt wurde der Begriff allerdings verwendet, um die Abschottungsstrategien der EU gegenüber Drittstaaten zu kritisieren. „Festung Europa“ als Ziel zu definieren und damit positiv zu besetzen war bisher kaum gebräuchlich.
Klug kritisiert Mikl-Leitners Wortwahl
Verteidigungsminister Klug übte unterdessen Kritik an der Wortwahl Mikl-Leitners. Vor dem Hintergrund der Krisenherde auf der ganzen Welt halte er die „Titulierung ‚Festung Europa‘“ für eine „politische Fehleinschätzung“, sagte Klug am Freitag - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Die Regierung habe von Anfang an deutlich signalisiert, „dass wir für eine Grenzzaunpolitik nicht zur Verfügung stehen“, meinte Klug auf die Frage nach einem Bau von Zäunen an den österreichischen Grenzen. Man brauche für die Bewältigung der Herausforderung aber mehr Solidarität innerhalb Europas, andererseits müsse man an Ort und Stelle dafür sorgen, dass die Menschen nicht flüchten müssen.
Kurz: „Zäune funktionieren“
Im Vorfeld der Syrien-Konferenz in Wien forderte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) einen wirksamen Grenzschutz an den EU-Außengrenzen. Zäune können funktionieren, sagte er am Freitag im Ö1-Morgenjournal unter Verweis auf die bulgarisch-türkische und die spanische Grenze - mehr dazu in oe1.ORF.at. In der Bewältigung der Flüchtlingskrise solle sich Europa nicht von der Türkei abhängig machen.
Die Aussage, dass Zäune nicht funktionieren, sei „schlicht und ergreifend falsch“, sagte Kurz unter Verweis auf die Grenze zwischen der Türkei und Bulgarien. Auch in Spanien hätten die Flüchtlingsströme nach der Errichtung eines Zaunes nachgelassen. „Die Frage ist. Will man es tun oder nicht?“
Kritik an Abhängigikeit von Türkei
Kurz bekräftigte seine Kritik an der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei. „Es ist scheinheilig, wenn man als Europa alles tut, um sich möglichst offen zu zeigen, wenn man alles tut, um den Flüchtlingen das Gefühl zu vermitteln, dass sie sich auf den Weg nach Europa machen sollen, und gleichzeitig bezahlt man die Türkei dafür, dass sie die Flüchtlinge aufhält.“
Es sei sinnvoll, mit der Türkei zu kooperieren, und es sei „notwendig, die Flüchtlingsströme einzudämmen. Denn der Ansturm nach Europa ist viel zu stark.“ Europa sollte sich aber „niemals in eine Abhängigkeit anderer“ begeben. „Europa muss eigenständig die EU-Außengrenzen schützen.“
Pilz: Lange nichts Dümmeres gehört
Scharfe Kritik an Mikl-Leitners Plänen kam am Freitag vom grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz. „Etwas Dümmeres als die Aussage von Mikl-Leitner über die ‚Festung Europa‘ habe ich schon lange nicht mehr gehört. Nur weil es eine Festung St. Pölten gibt, heißt das nicht, dass das auf ganz Europa umgelegt werden kann“, meinte Pilz am Rande einer Pressekonferenz.
„Die ‚Festung Europa‘ wird schiefgehen. Ein Festungsbau ohne Alternativen heißt nicht, dass die Menschen nicht mehr nach Europa kommen, sondern es heißt nur, dass die Situation für die Flüchtlinge noch lebensgefährlicher wird und mehr Menschen illegal einwandern werden“, so Pilz. Selten habe er „so viel Ignoranz erlebt wie aktuell im Innenministerium“. Seiner Meinung nach habe aber sowohl „Innenministerium als auch Außenministerium in der aktuellen Flüchtlingsfrage komplett versagt“.
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