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Tausende Stellen gestrichen

Mit dem Rohölpreis geht es seit dem Sommer 2014 bergab - mittlerweile zu lange, als dass Explorations- und Förderunternehmen das Tief in der Hoffnung auf einen baldigen Umschwung noch aussitzen könnten. Sie entlassen Tausende Mitarbeiter.

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Die Krise, die sich aus Sicht der Mineralölkonzerne seit etwa dem Sommer letzten Jahres hinzieht, betrifft nun nicht mehr nur sie selbst, sondern erreicht auch ihre Zulieferer bzw. rein auf Exploration spezialisierte Unternehmen. Zwei der größten in der Nordsee aktiven prophezeiten laut einem Bericht der „Financial Times“ („FT“) vom Montag die Streichung von gut 10.000 Arbeitsplätzen.

Bereits vor einigen Monaten, beim letzten steilen Absturz des Rohölpreises, hatten Konzerne wie Royal Dutch Shell (RDS) und Chevron den Abbau von insgesamt 6.500 Jobs angekündigt. Mittlerweile hätten tatsächlich auch 5.500 Arbeiter in der Ölindustrie ihre Jobs verloren, berichtet die britische Wirtschaftszeitung unter Berufung auf Zahlen von Oil & Gas UK, dem Verband der britischen Offshore-Erdöl- und Erdgasförderer.

Preis um die Hälfte abgerutscht

Die Prognose wertet die „FT“ als weiteres Indiz dafür, dass der Rohölpreis weiterhin dort belieben wird, wo er derzeit ist - mehr als 50 Prozent unter Vorjahresniveau. Experten warnten davor, dass für die Branche „das Schlimmste erst kommt“. Er rechne damit, dass es am Ende dreimal so viele Entlassungen wie bisher - also über 16.000 - geben werde, zitiert die „FT“ den Vorstandsvorsitzenden des Explorationsunternehmens EnQuest, Amjad Bseisu.

Tony Durrant, Vorstand beim Konkurrenten Premier Oil, sieht es ähnlich. Die Kündigungen seien erst der Anfang gewesen, die Branche sei „bisher nicht sonderlich effizient gewesen“. Der Hintergrund: Der britische Teil der Nordsee ist laut „FT“ der weltweit teuerste für die Förderung vor den Küsten. Die Personalkosten seien hoch und die Reserven rückläufig - „das bedeutet, die Unternehmen müssen mehr ausgeben, um zu erwischen, was noch da ist“.

Enorme Preisrallye vor sieben Jahren

Betroffen sind nicht nur Förderer, sondern auch die Ölfeldausrüster. Der Weltmarktführer Schlumberger etwa meldete zuletzt einen Einbruch bei Gewinn und Umsatz um etwa die Hälfte. Man sei in den letzten Monaten etwas auf dem falschen Fuß erwischt worden. Die Industrie sei davon ausgegangen, dass sich der Preis ähnlich rasch würde fangen können wie nach dem Preissturz 2008/2009.

„Aber das ist nicht passiert“, so EnQuest-Chef Bseisu. Vor der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte der Ölpreis seine bisher höchsten Stände erreicht - jener für die Nordsee-Referenzsorte Brent kletterte im Sommer 2008 auf über 147 Dollar, später folgte ein Absturz auf unter 40.

„Überleben nach dem Öl“

Banken seien mit Krediten für Erdölfirmen nicht mehr so großzügig wie früher, heißt es. Offenbar gehen auch sie davon aus, dass das Rohstoffgeschäft noch länger schwierig bleibt. Laut „FT“-Bericht zieht die Krise auch erste Kreise über die Branche hinaus: In der schottischen Stadt Aberdeen, dem Zentrum der britischen Offshore-Bohrindustrie, mache sie sich bereits bemerkbar.

Die Immobilienpreise seien im Sinken, Hotels und Taxiunternehmen verdienten weniger. Die Stadt könnte praktisch sterben, zitiert die „FT“ einen namentlich nicht genannten Manager eines internationalen Erdölunternehmens. Sie habe sich „nie zum Überleben nach dem Öl aufgestellt“.

Unterschiedliche Gründe

Die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg hatte im Sommer eine Zwischenbilanz gezogen. Schon damals war die Rede von 100 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung, die sich mit dem Ölpreisrutsch in Luft aufgelöst hätten und Projekten mit dem doppelten Volumen, die auf Eis gelegt worden seien. Der Ölpreis lag am Montag für die Sorte Brent bei etwa 50 Dollar, jener für die US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) notierte bei etwa 47 Dollar. Das 52-Wochen-Tief lag im August bei etwas über 42 Dollar.

Als Gründe für den Preisrutsch gelten einerseits immer wieder eine sinkende Nachfrage, vor allem seitens des Großverbrauchers China (wegen Sorge um die Konjunktur in der Volksrepublik), andererseits aber auch ein Überangebot auf dem Markt.

Iran will höheren Preis

Zuletzt verlangte der iranische Erdölminister Bidschan Namdar Sanganeh, die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) möge mittels Förderkürzungen versuchen, den Preis zwischen 75 und 80 Dollar zu stabilisieren.

Mit dem derzeitigen Preisniveau sei „niemand zufrieden“. Der Iran will nach dem Aus für die Sanktionen nach der Einigung im Atomstreit seine Förderung wieder hochfahren. Das würde das Angebot weiter erhöhen, genau wie es in den letzten Jahren die Schieferölförderung (mittels Fracking vor allem in den USA getan hatte. Die ist derzeit in den seltensten Fällen rentabel, mehrere Förderer mussten Insolvenz anmelden.

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