Länge rund 300 Meter
Angesichts der jüngsten Gewaltwelle hat die israelische Polizei am Sonntag mit dem Bau einer weiteren Mauer in Ostjerusalem begonnen. Die neue Sperranlage zwischen dem palästinensischen Viertel Dschabal Mukaber und dem jüdischen Viertel Armon Hanaziv könnte nach Angaben der Kommunalverwaltung bis zu 300 Meter lang werden.
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Zunächst wurden sechs Mauerteile von je 2,50 Meter Höhe und zwei Meter Breite aufgestellt. Eine Aufschrift am Sockel der Mauerteile lautete „vorübergehende mobile Polizeiabsperrung“. Aus dem palästinensischen Viertel heraus waren zuletzt mehrfach Brandsätze und Steine auf jüdische Nachbarviertel geworfen worden. Auch das arabische Viertel Issawija solle eingezäunt und damit de facto zu einer Enklave in Jerusalem werden, berichtete der israelische Rundfunk am Montag. Teil des Plans sei eine 1,5 Kilometer lange und neun Meter hohe Mauer, deren Baukosten auf umgerechnet 4,6 Millionen Euro geschätzt werden.

AP/Mahmoud Illean
Jugendliche beobachten den Bau der Mauer
Ein anderer Teil des Viertels mit rund 20.000 Einwohnern solle mit Betonblöcken abgesperrt werden. Die Mauer solle verhindern, dass Palästinenser aus Issawija Steine und Brandflaschen auf Autos werfen, die auf einer nahe gelegenen Straße zwischen Jerusalem und der Siedlerstadt Maale Adumim unterwegs sind. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums betonte, es handle sich um reine Sicherheitsmaßnahmen und nicht um einen politischen Schritt.
Dutzende Anschläge
Drei Bewohner von Dschabal Mukaber hatten bei zwei verschiedenen Attacken in Jerusalem am Dienstag drei Israelis getötet, bevor sie von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurden. Am Samstag wurde ein 16-jähriger Palästinenser an einem Kontrollposten bei Dschabal Mukaber nach einer Messerattacke auf israelische Grenzschützer erschossen.
Die Spannungen zwischen Palästinensern und Israelis hatten zuletzt wieder deutlich zugenommen, insbesondere im von Israel besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem. Bei rund 30 Anschlägen von Palästinensern mit Messern oder Schusswaffen starben seit Monatsbeginn acht Israelis. Auf palästinensischer Seite gab es mehr als 40 Tote, fast die Hälfte waren erwiesene oder mutmaßliche Angreifer.
Mann unabsichtlich erschossen
Doch auch außerhalb Jerusalems kommt es zu Attentaten von Palästinensern. Bei einem Angriff in einem Busbahnhof der südisraelischen Stadt Berscheba wurden drei Menschen getötet. Bei den Opfern handelte es sich um den Attentäter, einen Soldaten und einen unbeteiligten Mann, der irrtümlich für einen weiteren Angreifer gehalten und ebenfalls erschossen wurde. Elf weitere Menschen - vier Soldaten und sieben Zivilisten - seien am Sonntagabend verletzt worden, teilte die Armee mit. Zuvor waren am Wochenende bei Messerattacken auf Israelis fünf Angreifer getötet worden, darunter eine Frau.
Laut Polizeiangaben verschaffte sich der bewaffnete Attentäter in Berscheba trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen Zugang zu dem Busbahnhof. Dort habe er sich zusätzlich das Gewehr eines Soldaten genommen. Nach einem Feuergefecht mit Sicherheitskräften sei er erschossen worden, als er flüchten wollte. Auch ein Soldat kam laut Armeeangaben ums Leben. Ein zunächst als zweiter Attentäter verdächtiger Mann aus Eritrea sei von einem Wachmann angeschossen worden, teilte die israelische Polizei am Abend weiter mit. Der Zeitung „Haaretz“ zufolge starb er an seinen Verletzungen.
Andrang bei Anträgen auf Waffenschein
Angesichts der Serie palästinensischer Messerattacken wollen sich Tausende Israelis bewaffnen. Der israelische Armeesender berichtete am Montag von einem deutlichen Anstieg der Anträge auf einen Waffenschein. Polizeiminister Gilad Erdan hatte wegen der vielen Anschläge angekündigt, er wolle den Prozess zum Erwerb eines Waffenscheins erleichtern und beschleunigen. Das zuständige Ministerium für innere Sicherheit sei allerdings nicht in der Lage, den vielen Anträgen nachzukommen, berichtete der Sender. Das Telefonzentrum der Behörde sei zusammengebrochen, daher könnten derzeit auch keine neuen Waffenscheine ausgestellt werden.
Restriktive Auflagen für Reinigungspersonal
In vielen israelischen Städten dürfen Handwerker und Reinigungspersonal nicht mehr in Schulen arbeiten, solange dort Schüler anwesend sind. Eine Sprecherin der Stadt nannte die „sensible Lage“ als Grund für diesen Schritt. Weil vor allem arabische Beschäftigte betroffen sind, löst das den Vorwurf der Diskriminierung aus.
So war am Montag auf der Facebook-Seite des arabischen Parlamentsabgeordneten Issawi Frej zu lesen: „In Zeiten von Aufwiegelung und Hasstiraden müsste das Bildungssystem an der Spitze des Kampfes gegen Rassismus stehen und sich für das partnerschaftliche Zusammenleben einsetzen ... Stattdessen werden die Schulen so zu einer Quelle der Diskriminierung“, monierte das Mitglied der linken Merez-Fraktion.
In mehreren Städten
Eine Pressesprecherin der Großstadt Tel Aviv bestätigte, dass „wegen der sensiblen Lage“ Bau-, Reparatur- und Reinigungsarbeiten nicht mehr erledigt werden dürfen, solange sich Schüler in den Bildungsstätten aufhalten. Das gelte aber „für jüdische und arabische Beschäftigte gleichermaßen“, betonte sie. Im Rundfunk hieß es dazu, in der Praxis seien aber in der großen Mehrheit arabische Israelis betroffen.
Demnach gibt es ähnliche Maßnahmen in mindestens einem halben Dutzend weiterer israelischer Städte. Die Maßnahmen wurden wegen der Messerattentatsserie zum Teil auf Verlangen der Elternvertretungen ergriffen. Arabische Israelis stellen mit rund 1,4 Millionen Menschen 17,5 Prozent der israelischen Staatsbürger.
Netanjahu gegen Aufsicht für Tempelberg
Ungeachtet der andauernden Spannungen um den Tempelberg in Jerusalem lehnt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine internationale Aufsicht des Plateaus in Jerusalem ab. Der Streit über die für Juden wie Muslime heilige Stätte gilt als ein Auslöser der jüngsten Serie der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern. Der Tempelberg liegt in Jerusalems Altstadt, die Israel 1967 erobert und später annektiert hatte. Die Verwaltung der Stätte untersteht Jordanien und der islamischen Wakf-Stiftung.
Grundsätzlich dürfen nur Muslime auf dem Tempelberg beten, der aber auch Juden heilig ist. Die Palästinenser befürchten, dass Israel immer mehr Juden eine Sondergenehmigung für Besuche auf dem Areal erteilt und damit die Kontrolle der Muslime über die drittheiligste Stätte im Islam aushebelt. Israel bestreitet das.
Israel „nicht das Problem“
Ein Entwurf Frankreichs für eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats sieht laut Medienberichten vor, internationale Beobachter auf den Tempelberg zu entsenden. Diese sollten nach möglichen Verstößen gegen den Status quo Ausschau halten. Netanjahu lehnt den Plan kategorisch ab. Israel sei auf dem Tempelberg „nicht das Problem, sondern die Lösung“, sagte er. US-Außenminister John Kerry will mit Netanjahu voraussichtlich bei einem Treffen in Berlin nach einem Weg aus dem Konflikt suchen. US-Präsident Barack Obama zeigte sich äußerst besorgt über die jüngste Gewalt in der Region.
Zuletzt hatte es erhebliche Spannungen zwischen Washington und Jerusalem über das Vorgehen der Israelis gegen Palästinenser gegeben. Das US-Außenministerium sprach von „exzessiver Gewaltanwendung“ und warf beiden Seiten Terrorakte vor. Das Verhältnis von Obama und Netanjahu gilt seit langer Zeit als belastet.
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