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Opposition: Angriffe auch auf IS-Gegner

Die russische Luftwaffe hat in Syrien nach eigenen Angaben erneut Dutzende Angriffe geflogen. Binnen 24 Stunden seien bei 64 Einsätzen 55 Ziele getroffen worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Samstag in Moskau. Wie bisher rechnete er alle beschossenen Kommandostellen, Munitions- und Feldlager der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu.

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Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete hingegen auch Luftangriffe auf Gebiete, die nicht unter der Kontrolle des IS stehen. Es seien Ziele in den Provinzen Hama, Idlib und Latakia angegriffen worden. Angaben über Opfer lagen zunächst nicht vor. Der Westen und gemäßigte syrische Rebellen werfen der Regierung in Moskau vor, hauptsächlich gegen Aufständische ohne Verbindungen zum IS vorzugehen.

Kämpfe in Provinz Aleppo

Nördlich von Hama nahmen die syrische Armee und ihre Verbündeten den strategisch wichtigen Ort Atschan ein. Zudem gebe es schwere Gefechte in dem Gebiet um den von den Regierungstruppen kontrollierten und von Dschihadisten belagerten Militärflughafen Kwejris bei Aleppo. Nach Angaben der Beobachtungsstelle griffen Soldaten und regierungstreue Milizen die IS-Miliz in mehreren Dörfern rund um den Stützpunkt an, um die Belagerung zu durchbrechen.

Karte zu kontrollierten Gebieten in Syrien

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ISW

Der Vormarsch ist der erste Erfolg einer Bodenoffensive, die das Regime in dieser Woche gegen ein Rebellenbündnis begonnen hatte. Unterstützt wird die Armee dabei von russischen Luftangriffen. Die USA und andere Staaten kritisieren, dass Moskaus Luftwaffe weniger den IS als vielmehr andere Regimegegner angreift, um den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad an der Macht zu halten.

Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums nannte besonders die Zerstörung einer Befestigungsanlage in der nordsyrischen Provinz Aleppo. Ein Jagdbomber Su-24M habe sie mit einer bunkerbrechenden Bombe getroffen. Aktivisten meldeten von dort eine schwere Detonation in der vom IS beherrschten Stadt al-Bab. Ein Waffen- und Munitionslager sei explodiert, hieß es.

Iran: USA wollen Russland schwächen

Der Iran warf den USA vor, über ihre Medien den Kampf Russlands gegen den IS schwächen zu wollen. Als Beispiel nannte der Vizekommandeur der iranischen Streitkräfte fabrizierte Berichte über russische Marschflugkörper, die statt in Syrien im Iran eingeschlagen seien. „Das dementieren wir kategorisch“, sagte General Massud Dschasajeri laut Medienangaben am Samstag. Tatsache sei, dass die russischen Operationen gegen die Terroristen effektiv seien.

Teheran unterstützt den syrischen Präsidenten Baschar al Assad und die russischen Luftangriffe auf den IS in Syrien. Die vergangenen vier Jahre hätten gezeigt, dass alle Bemühungen des Westens, Assad zu schwächen, nur den IS gestärkt haben. Laut dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani gibt es keine seriöse Alternative zu Assad. Der Iran fordere daher interne Verhandlungen zwischen allen Streitparteien in Syrien und freie Wahlen.

Allianz mit Russland für Assad entscheidend

Für Assad selbst ist die Koalition mit Russland entscheidend für eine Lösung des blutigen Konflikts. „Diese Allianz sollte erfolgreich sein, ansonsten wird Zerstörung das Schicksal der gesamten Region sein, nicht nur das von ein oder zwei Ländern“, hatte Assad unlängst nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur SANA gegenüber dem iranischen Sender Chbar TV gesagt. Assad zeigte sich sicher, dass die Allianz Erfolg haben werde.

Die westlichen Regierungschefs lebten in einem Zustand, in dem es ihnen an einem ungetrübten Blick mangle, sagte Assad und kritisierte jegliche Einmischung in syrische Regierungsangelegenheiten. Neben Russland fliegen auch die US-Luftwaffe und Verbündete seit mehr als einem Jahr Angriffe auf den IS in Syrien und rüsten gemäßigte Rebellen aus.

UNO-Chef Ban kritisiert Luftschläge

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte unterdessen die Luftschläge. Die Angriffe der internationalen Koalition hätten keinen großen Fortschritt gebracht, und die russischen Luftschläge hätten „noch einmal viele weitere ernsthafte Probleme verursacht“. Ban forderte einen neuen Anlauf für einen umfassenden politischen Dialog.

Dadurch solle unter anderem auch der Druck auf Jordanien und den Libanon durch immer mehr in diese Länder flüchtende Menschen gemindert werden. „Die Zahl der Flüchtlinge ist auf über vier Millionen Menschen gestiegen“, sagte Ban. Zehn Millionen Menschen benötigten dringend humanitäre Hilfe in Syrien und den angrenzenden Staaten: „Das ist eine schreckliche Situation.“

Weltbank plant Sonderanleihe

Weltbank-Präsident Jim Yong Kim sagte am Rande der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in der peruanischen Hauptstadt Lima: „Nur in Syrien werden die Kosten durch die Zerstörungen des Krieges auf 170 Milliarden Dollar geschätzt“. Über 15 Millionen Menschen in der Region hätten ihre Häuser verlassen. „Es ist die größte Vertriebenenkrise seit dem Zweiten Weltkrieg.“ Die internationale Gemeinschaft sei gefordert, eine dauerhafte Destabilisierung zu vermeiden.

„Weiter so wie bisher ist keine Option mehr“, so Kim. Die Weltbank plant angesichts der Flüchtlinge ein Milliardenprogramm zur Unterstützung der Staaten in der Krisenregion. Zusammen mit der Islamischen Entwicklungsbank sollen Sonderanleihen aufgelegt werden, sagte Kim. Das Geld soll für Flüchtlingshilfen und Wiederaufbau verwendet werden. Auch die EU-Staaten planen zusätzliche Finanzhilfen, um rund um Syrien - etwa in den Flüchtlingslagern in Jordanien, Libanon und der Türkei - die Lage zu verbessern und den Flüchtlingsstrom nach Europa einzudämmen.

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