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Wahl von Pötsch umstritten

Der Österreicher Hans Dieter Pötsch soll Europas größten Autobauer Volkswagen aus der schwersten Krise der Unternehmensgeschichte führen. Der Aufsichtsrat wählte den bisherigen Finanzvorstand des Konzerns am Mittwoch bei einer erneuten Sitzung zum Abgasskandal wie erwartet zu seinem neuen Vorsitzenden. Die Wahl von Pötsch zum Aufsichtsratschef war nicht unumstritten - bis zuletzt wurde Kritik laut.

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Pötsch löst den seit Ende April übergangsweise amtierenden Berthold Huber ab. Der frühere IG-Metall-Chef hatte den Posten im Frühjahr von Ferdinand Piech übernommen. Der langjährige VW-Patriarch war nach dem verlorenen Machtpoker mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn zurückgetreten.

Aufklärung versprochen

Pötschs bisherigen Posten als VW-Finanzchef übernimmt - ebenfalls wie erwartet - ab sofort der bisherige Vorstandsvorsitzende der VW-Finanztochter, Frank Witter. Der Aufsichtsrat folgte auch bei dieser Personalie den Empfehlungen seines Präsidiums.

„Es ist mir ein persönliches Anliegen, alles zu tun, damit die Vorgänge restlos ausgeklärt werden“, sagte Pötsch nach der Sitzung in Wolfsburg. Er sei sich der besonderen Verantwortung dabei bewusst. Wie zuvor der neue VW-Vorstandschef Matthias Müller bat auch Pötsch bei der Aufklärung der Abgasaffäre um Geduld: „Mit Mutmaßungen oder vagen vorläufigen Sachständen ist aber niemandem gedient. Deshalb wird es noch einige Zeit dauern, bis gesicherte und belastbare Ergebnisse vorliegen und wir Sie umfassend informieren können.“

Rolle in Skandal unklar

Pötsch ist bei Investoren jedoch nicht unumstritten. Einige Fondsgesellschaften und Analysten bemängeln, dass Volkswagen, insbesondere der Finanzvorstand, die Finanzmärkte erst spät über die Abgasmanipulationen informierte. Infolge des Skandals verlor die VW-Aktie zeitweise fast die Hälfte ihres Werts.

Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen hatte auch seine nach wie vor ungeklärte Rolle im Abgasskandal auch im Aufsichtsrat für großen Gesprächsbedarf gesorgt. Auch Pötschs direkter Wechsel vom Konzernvorstand in das Kontrollgremium ohne „Abkühlungsphase“ hatte für Kritik gesorgt. Am Ende setzte sich aber die Familie Porsche/Piech mit ihrer Forderung zugunsten Pötschs durch.

Deutscher Ministerpräsident verteidigt Wahl

Niedersachsens Ministerpräsident und Volkswagen-Aufsichtsrat Stephan verteidigte die Wahl Pötschs: „Wir sind überzeugt davon, dass Herr Pötsch aufgrund seiner großen Erfahrung und seines strategischen Weitblicks an dieser Stelle der richtige Aufsichtsratsvorsitzende ist“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in Wolfsburg.

Die zuvor gegenüber Pötsch geäußerte Kritik habe natürlich auch in der Diskussion des Aufsichtsrates „eine Rolle gespielt“, betonte Weil. „Durch die Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig ist aber an dieser Stelle unseres Erachtens nach sehr klar, dass die rechtlichen Bedenken nicht greifen.“ Entscheidend sei zudem, dass „die Handlungsfähigkeit von Volkswagen“ in der Krise gestärkt werde.

Lobende Worte von Porsche

„Wir danken Herrn Pötsch sehr, dass er sich in schwierigen Zeiten bereiterklärt hat, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen“, sagte Koaufsichtsrat und Großaktionär Wolfgang Porsche. Pötsch zeichne sich durch „strategische Weitsicht, tiefe Kenntnisse der Automobilindustrie und große Expertise an den Finanzmärkten“ aus.

Darüber hinaus bringe Pötsch „auch persönlich alles mit, um seine neuen Aufgaben mit großem Erfolg zu bewältigen“, betonte Porsche. „Wir wissen, dass noch eine lange Wegstrecke vor uns liegt. Wir werden diesen Weg gemeinsam gehen.“

Gerichtlicher Vorentscheid nötig

Der Wahl von Pötsch war ein Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vorausgegangen. In der Früh hatte das Gericht einem entsprechenden Antrag des VW-Präsidiums entsprochen und Pötsch per Beschluss - befristet bis zur nächsten, noch nicht terminierten Hauptversammlung - zum Mitglied des Kontrollgremiums ernannt. Dort soll dann, wie bereits von Aktionärsvertretern verlangt, die offizielle Wahl Pötschs durch die stimmberechtigten Anteilseigner nachgeholt werden.

Für Pötsch muss auf der Kapitalseite des Aufsichtsrats Julia Kuhn-Piech ihren Platz räumen. Die Nichte von Ferdinand Piech war im Mai nach dessen Rücktritt übergangsweise in das Gremium aufgerückt.

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