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„Genau das, wovor wir Angst haben“

„Für uns sieht das nicht wie ein Versehen aus“: So beurteilte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag das Eindringen russischer Kampfflugzeuge in den türkischen Luftraum. Laut Stoltenberg gab es zwei Fälle, in denen Jets von Syrien aus in die Türkei flogen. Die Verletzung habe „lange Zeit gedauert im Vergleich mit vorangegangenen Verletzungen des Luftraums, die wir anderswo in Europa gesehen haben“.

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„Es ist eine schwerwiegende Verletzung des Luftraums“, so Stoltenberg. Solche Vorfälle könnten zu „gefährlichen Situationen“ führen. „Das ist genau das, wovor wir Angst haben“, sagte der Norweger. Der NATO-Generalsekretär wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob die russischen Jets auch ihr Waffenradar aktiviert und türkische Maschinen ins Visier genommen hätten.

Die NATO habe von Moskau bisher „keine wirklichen Erklärungen“ wegen der Vorfälle erhalten, kritisierte Stoltenberg. Er sprach sich dafür aus, auch bestehende direkte Telefonverbindungen zum russischen Militär zu nutzen, um die ernste Sorge über die Vorfälle zum Ausdruck zu bringen. Warum die russischen Flugzeuge in den türkischen Luftraum geflogen sein könnten, ließ der Generalsekretär offen. „Ich werde über Motive nicht spekulieren“, sagte er.

Russland erklärt Vorfall mit schlechtem Wetter

Am Samstag wurde nach Angaben des Außenministeriums in Ankara ein russisches Kampfflugzeug abgefangen, das in den türkischen Luftraum eingedrungen war. Am Sonntag habe eine nicht identifizierte MiG-29 zwei türkische Kampfjets „bedrängt“. Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums sagte am Dienstag, das Eindringen eines russischen Kampfjets vom Typ Su-30 am Samstag habe nur „einige Sekunden“ gedauert und sei aufgrund „schlechter Wetterverhältnisse“ erfolgt.

Am Dienstag wurde aus Ankara über einen weiteren Zwischenfall zwischen einem MiG-29-Kampfjet unbekannter Herkunft und acht türkischen F-16 an der syrischen Grenze berichtet. Was genau dabei passierte, ist vorerst unklar.

Erdogan warnt Russland

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte die Regierung in Moskau am Dienstag vor einem Bruch der Freundschaft. „Es ist bekannt, dass wir eine gute Beziehung zu Russland haben“, sagte Erdogan bei einem Staatsbesuch in Belgien. „Aber wenn Russland einen Freund wie die Türkei verliert, mit dem es bei vielen Themen zusammenarbeitet, dann ist das ein großer Verlust“, so Erdogan. Wer die Türkei angreife, greife auch die NATO an.

Stoltenberg warf Russland gleichzeitig vor, bei den Luftangriffen in Syrien nicht die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), sondern die syrische Opposition und Zivilisten ins Visier zu nehmen. „Ich fordere Russland eindringlich auf, zu kooperieren und eine konstruktive Rolle im Kampf gegen den IS zu spielen.“

Wichtiger Verbündeter Assads

Russland hatte am 30. September mit seiner Militärintervention in Syrien begonnen. Moskau will nach eigener Darstellung mit den Luftangriffen die Extremisten der IS-Miliz und der Al-Nusra-Front sowie andere „Terroristen“ bekämpfen. Der Westen wirft Russland aber vor, vor allem Staatschef Baschar al-Assad stützen zu wollen.

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