Kampfjet sorgt für Unmut
Die Türkei wirft Russland vor, den Luftraum des Landes verletzt zu haben. Am Samstag sei ein russischer Kampfjet an der Grenze zu Syrien über türkisches Gebiet geflogen, teilte das Außenministerium am Montag mit. Zwei Maschinen der türkischen Armee hätten das Flugzeug abgefangen.
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In der Mitteilung hieß es weiter, der türkische Außenminister Feridun Sinirlioglu habe seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow kontaktiert und das Thema zur Sprache gebracht. Man stehe zudem in Verbindung mit dem US-Außenministerium und europäischen Verbündeten. Die Türkei ist Mitglied des westlichen Militärbündnisses NATO.
Russland gesteht „Fehler“ ein
Der russische Botschafter in Ankara sei ins Außenministerium einbestellt worden, um ihm den „scharfen Protest“ der Regierung zu übermitteln. Russland wurde vor einer Wiederholung des Vorfalls gewarnt, andernfalls müsse es selbst die Verantwortung für „nicht gewollte Ereignisse“ tragen. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow sagte in Moskau, dem russischen Botschafter sei vom türkischen Außenministerium eine Protestnote übergeben worden. Russland wolle die Vorwürfe prüfen.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte im türkischen Fernsehen, dass Russland die Verletzung des Luftraums als „Fehler“ bezeichnet habe, der nicht mehr vorkommen werde. Russland werde die Grenzen der Türkei respektieren. Die NATO protestierte gegen die „Verletzungen des souveränen türkischen Luftraums“ und damit des NATO-Luftraums. Sie forderte ein sofortiges Ende der Angriffe auf die syrische Opposition und auf Zivilisten.
Unterschiedliche Interessen
Innerhalb von 24 Stunden flog Russland 25 neue Angriffe in Syrien, wie das Verteidigungsministerium in Moskau am Montag unterdessen mitteilte. Auf die Frage, ob sich die Attacken auch gegen Oppositionskämpfer richten, sagte Peskow Interfax zufolge: „Das Ziel des Einsatzes (...) ist die Unterstützung der Offensive der syrischen Streitkräfte im Kampf gegen terroristische und radikale Organisationen und gegen Kräfte, die sich auf dem syrischen Territorium befinden.“
Während die Türkei die syrischen Rebellen unterstützen dürfte, ist Russland ein enger Verbündeter von Machthaber Baschar al-Assad. Russland fliegt seit Mittwoch zur Unterstützung Assads Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der ebenfalls dschihadistischen Al-Nusra-Front sowie andere islamistische Rebellen. Auch eine westlich-arabische Militärallianz unter Führung der USA fliegt seit einem Jahr Angriffe auf die Extremisten. Es wird befürchtet, dass es ohne eine genaue Koordination der Einsätze zu Konflikten mit den russischen Kampfflugzeugen kommt.
Attacken auch am Sonntag
Russlands Präsident Wladimir Putin beharrt darauf, die umstrittenen Luftschläge in Syrien ungeachtet westlicher Kritik fortzusetzen. Der Aussage aus Moskau, strategisch wichtige Ziele von Terrorgruppen künftig „noch intensiver“ bombardieren zu wollen, folgten am Sonntag neue Angriffe russischer Militärmaschinen. Nach Angaben von Aktivisten starben bei Angriffen - unter anderem auf von gemäßigten Rebellen kontrollierte Gebiete nördlich von Homs - mindestens fünf Zivilisten. Vom Beginn der Angriffe am Mittwoch bis zum Samstag waren Menschenrechtlern zufolge bereits 39 Zivilisten getötet worden.
Moskau teilte der Agentur TASS zufolge am Sonntagnachmittag mit, binnen 24 Stunden zehn Stellungen des IS angegriffen zu haben. Als Ziel wurde unter anderem ein Trainingscamp der Extremisten in der Provinz Idlib genannt. Die Region wird weitgehend von einem islamistischen Rebellenbündnis unter Führung der Al-Nusra-Front kontrolliert und war bisher nicht für die Anwesenheit des IS bekannt.
Geharnischte Worte von Obama
Westlichen Informationen zufolge sollen bei den Angriffen der vergangenen Tage auch gemäßigte Rebellen getroffen worden sein. US-Präsident Barack Obama warf Russland am Samstag vor, den IS damit indirekt zu stärken. „Die russische Politik treibt (die Rebellen) in den Untergrund oder erzeugt eine Situation, in der sie geschwächt werden, und es stärkt den IS nur. Und das ist für niemanden gut.“
Der russisch-iranische Ansatz zur Lösung des Konflikts sei zum Scheitern verurteilt, so Obama weiter. „Aus ihrer Perspektive sind (die Rebellen und die Kämpfer der IS-Terrormiliz) alle Terroristen, und das ist ein Rezept für eine Katastrophe“, sagte er. Die USA seien dennoch bereit, Moskau und Teheran an einer politischen Lösung für die Zukunft des Landes zu beteiligen.
Rebellen verurteilen Luftangriffe
Syrische Rebellengruppen verurteilten die russischen Luftangriffe ebenfalls und riefen zu einem Kampfbündnis gegen Syriens Regierung sowie den Iran und Russland auf. In einer am Montag im Internet veröffentlichten Erklärung heißt es, Russlands „brutale Besatzung“ verhindere „jegliche politische Lösung“. Einige der unterzeichnenden Gruppen waren von den russischen Angriffen betroffen, darunter die vor allem im Nordwesten Syriens aktive salafistische Ahrar al-Scham sowie Dschaisch al-Islam. Die Erklärung beschuldigt Moskau, bei den Luftangriffen in der Provinz Homs 50 Zivilisten getötet und damit sein „erstes Kriegsverbrechen in Syrien“ begangen zu haben.
Cameron will US-Drohnen kaufen
Auch der britische Premierminister David Cameron kritisierte das Vorgehen Moskaus. „Es ist völlig klar, dass Russland nicht zwischen dem Islamischen Staat und rechtmäßigen syrischen Oppositionsgruppen unterscheidet. Damit unterstützen sie den Schlächter Assad, helfen ihm und machen die Sache nur noch schlimmer“, sagte Cameron. Der britische Premier kündige am Sonntag an, im Kampf gegen den IS 20 moderne Kampfdrohnen aus den USA anschaffen zu wollen.
„Russland begeht gerade einen ernsthaften Fehler“, sagte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag. Das Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg könne zu Moskaus Isolation führen. Die Türkei sei betrübt und beunruhigt.
Westen sieht russische Hilfe für Assad
Das militärische Eingreifen Russlands in den langjährigen Konflikt wird im Westen weniger als Versuch gesehen, den IS zu bekämpfen, als vielmehr dem verbündeten syrischen Machthaber Assad und seiner nach jahrelangen Kämpfen ausgelaugten Armee den Rücken zu stärken. Die Allianz mit Assad bietet für Russland die Möglichkeit der Einflussnahme im Nahen Osten.
Putin hatte Kritik am russischen Vorgehen schon zuvor zurückgewiesen. Die Attacken seines Landes würden den Terrororganisationen IS und Al-Nusra-Front gelten, ließ er seinen Sprecher am Freitag mitteilen. Regierungschef Dimitri Medwedew betonte am Samstag, Moskau wolle mit den Angriffen auch Islamisten von seinem eigenen Staatsgebiet fernhalten.
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