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Hunderte Kämpfer als Verstärkung

Der Iran hat nach libanesischen Angaben Hunderte Kämpfer nach Syrien entsandt, um sich an einer Bodenoffensive in Rebellengebieten im Norden des Landes zu beteiligen. Die Truppen seien vor zehn Tagen mit Waffen in Syrien eingetroffen, sagten mehrere in den Vorgang eingeweihte Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag in Beirut.

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Der Iran steht auch hinter der schiitischen Hisbollah aus dem Libanon, die im benachbarten Syrien auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad gegen Aufständische kämpft. Die Hisbollah bereite sich ebenfalls darauf vor, an der Bodenoffensive mit der syrischen Armee teilzunehmen. Die russische Luftwaffe werde den Einsatz mit Luftangriffen unterstützen. Ziel sei es, von den Rebellen gehaltene Gebiete zurückzuerobern.

US-Kritik an Russland

Russland, der Iran und die Hisbollah sind die wichtigsten Verbündeten Assads, der seit mehr als vier Jahren versucht, einen Aufstand gegen seine Herrschaft niederzuschlagen. Russland hatte am Mittwoch begonnen, Bombardements in Syrien durchzuführen, offiziell gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat. Laut Kritik aus den USA und von der syrischen Opposition sollen allerdings der Ableger des Al-Kaida-Netzwerks in Syrien, die Al-Nusra-Front und andere Milizen Ziel der Angriffe gewesen sein.

„Fehlerhafte Rechtsgrundlage“

Laut der syrischen Opposition soll es Dutzende Todesopfer unter Zivilisten gegeben haben. Russland weist die Vorwürfe von sich. Präsident Wladimir Putin kritisiert die Berichte, wonach Zivilisten durch russische Luftangriffe in Syrien umgekommen sein sollen, als „Informationsangriffe“. Er betont zudem, dass Russland sein Vorgehen in Syrien mit dem Verteidigungsministerium und den Geheimdiensten der USA koordiniere. Das Ziel sei, der syrischen Armee an deren „schwächsten Stellen“ zu helfen, hieß es aus dem Kreml.

Ferner sprach der russische Außenminister Sergej Lawrow erneut davor, dass die Angriffe der US-geführten Anti-IS-Koalition auf einer „wirklich fehlerhaften“ Rechtsgrundlage basierten. Ebenso betonte Lawrow, dass Russland die oppositionelle Freie Syrische Armee nicht als „terroristische Vereinigung“ sehe - überhaupt müsse man sie in den poltischen Lösungsprozess miteinbinden, heißt es aus Moskau. Die oppositionellen Milizen haben beklagt, von der russischen Luftwaffe bombardiert worden zu sein.

Chamenei gegen „Feinde“ des Iran

Der geistliche Führer des Iran forderte das Militär des Landes auf, die Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Das sei dringend nötig, forderte Ajatollah Ali Chamenei am Donnerstag nach Agenturberichten bei einem Treffen mit Armeekommandeuren. Die „Feinde“ des Iran dürften nicht einmal wagen, über einen Angriff nachzudenken.

Chamenei spricht immer wieder über nicht näher bezeichnete Feinde, vor allem wenn es um Israel und die USA geht. Doch zuletzt hatten auch die Spannungen zwischen der Islamischen Republik und der rivalisierenden Regionalmacht Saudi-Arabien zugenommen. Der Iran ist die Schutzmacht der Schiiten, Saudi-Arabien steht hinter den Sunniten.

Moskau den Rücken gestärkt

Der Iran begrüßt und unterstützt den Einsatz russischer Kampfflugzeuge in Syrien. „Das ist ein erster praktischer Schritt im Kampf gegen den IS, um eine Lösung zu ermöglichen“, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham am Donnerstag. Der russische Einsatz sei auch im Einklang mit völkerrechtlichen Standards, weil er offiziell von der syrischen Regierung angefordert worden sei. Daher werde der Iran das russische Engagement auch unterstützen, hatte die Sprecherin nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars zuvor gesagt.

Zwei russische Luftangriffe haben nach Angaben eines Rebellenkommandeurs auch das Lager einer vom US-Geheimdienst trainierten Gruppe getroffen. Die Aufständischen dort hätten eine Ausbildung durch die CIA in Katar und Saudi-Arabien erhalten, sagte der Kommandeur Reuters.

Russland ist dem Außenministerium in Moskau zufolge auch zu Luftangriffen auf den Islamischen Staat im Irak bereit, sollte die Regierung in Bagdad darum bitten. Das meldet die Nachrichtenagentur RIA. Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi begrüßte in New York das russische Angebot. Die Luftunterstützung der US-geführten Allianz für die irakischen Streitkräfte sei enttäuschend, sagt Abadi.

Russland verteidigt sich mit Satellitenbildern

Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte Satellitenbilder. Darauf sei zu sehen, dass in Syrien unter anderem Munitionsdepots und Treibstofflager sowie Kommandostellen des IS getroffen worden seien, hieß es. Der russischen Tageszeitung „Kommersant“ zufolge hat Moskau nahe der syrischen Stadt Latakia eine massive Militärpräsenz aufgebaut. Unter anderem seien dort Suchoi-Kampfjets sowie Mehrzweckhubschrauber und Bomber stationiert. Das Blatt hatte zuletzt berichtet, dass sich im russischen Marinestützpunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus etwa 1.700 russische Soldaten befinden sollen. Moskau bestätigt das nicht.

Saudi-Arabien kritisiert Russland

Saudi-Arabien forderte Russland auf, seine Luftangriffe in Syrien sofort zu stoppen. Die Regierung in Riad sei sehr besorgt über die jüngsten Militäreinsätze rund um die Städte Homs und Hama, sagte der saudi-arabische Botschafter Abdullah al-Muallimi am Mittwoch vor den Vereinten Nationen in New York. Die Angriffe hätten Regionen getroffen, in denen der IS gar nicht präsent sei. Der Diplomat sagte dem saudischen Fernsehen zufolge weiter, bei den Einsätzen seien zahlreiche unschuldige Menschen ums Leben gekommen. „Wir fordern, dass sie eingestellt und nicht wieder aufgenommen werden.“

China, das sich im UNO-Sicherheitsrat bisher meist der Position Russlands angeschlossen hat, forderte am Donnerstag eine politische Lösung der Syrien-Krise. Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht tatenlos zusehen, sagte Außenminister Wang Yi am Donnerstag seinem Ressort zufolge bei einem Treffen des UNO-Sicherheitsrats. Sie „sollte sich aber auch nicht willkürlich einmischen“. Seinem syrischen Kollegen Walid al-Muallim sagte Wang amtlichen Angaben zufolge zudem, die Weltgemeinschaft müsse die Souveränität Syriens respektieren.

Kurdenkommandant: Weitere zehn Jahre Krieg

Der Kommandant der kurdischen YPG-Miliz in Syrien, Sipan Hemo, hält angesichts der Beteiligung ausländischer Mächte eine Fortdauer des Bürgerkrieges für weitere zehn Jahre für möglich. „Die Lösung ist nun nicht mehr in den Händen der Syrer“, sagte Hemo nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte im englischen Coventry vom Donnerstag.

Die YPG-Milizen vertrieben heuer die IS aus großen Teilen Nordostsyriens. Ihr Kommandant sprach den Angaben zufolge am Dienstag, einen Tag vor Beginn des russischen Bombardements in Syrien, mit der Beobachtungsstelle. „Was nun passiert, kann als Kampf der Titanen auf syrischem Gebiet bezeichnet werden (...), ein Krieg, in dem Karten umgeschrieben werden“, sagte Hemo. „Es sieht aus wie ein Krieg der Dritten Welt, wo die großen Mächte darum kämpfen, Einflusssphären zu erringen.“ Im syrischen Bürgerkrieg wurden seit seinem Beginn 2011 nach Schätzungen rund 250.000 Menschen getötet und elf Millionen Menschen vertrieben.

Irak offen für mögliche russische Luftangriffe

Unterdessen zeigte sich der Irak offen für mögliche russische Luftangriffe im Land. Solche Angriffe im Kampf gegen den IS seien „eine Möglichkeit“, sagte der irakische Regierungschef Haider al-Abadi dem französischen Sender France 24 in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview. „Wenn wir das Angebot bekommen, werden wir darüber nachdenken.“ Es liege aber noch kein solcher Vorschlag aus Moskau vor.

Ein Vertreter des russischen Außenministeriums sagte laut der russischen Staatsagentur, Moskau sei nach Beginn der Luftangriffe in Syrien unter Umständen auch zu einem militärischen Eingreifen gegen den IS im benachbarten Irak bereit. Voraussetzung dafür sei aber eine Bitte der Regierung in Bagdad oder ein UNO-Mandat. Lawrow sagte in New York, sein Land plane derzeit keine Luftangriffe im Irak. „Wir wurden nicht eingeladen, wir wurden nicht gefragt, und wir sind höfliche Menschen, wie Sie wissen - wir kommen nicht ohne Einladung.“

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