Keine schöne Welt
Der Drogenschmuggel von Mexiko in die USA beschäftigt Filmemacher seit Langem - man denke an Steven Soderberghs „Traffic“ und „Irgendwann in Mexico“ mit Antonio Banderas und Johnny Depp. Nun legt der Kanadier Denis Villeneuve ein starbesetztes Werk über den Kampf gegen Drogenkartelle in Mexiko vor - nach einem bemerkenswerten Drehbuch.
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„Sicario“ ist ein düsterer Thriller, der von der Arbeit der CIA erzählt. Im Mittelpunkt steht Emily Blunt. Sie spielt die junge FBI-Agentin Kate Macer, die sich leidenschaftlich gegen den Drogenschmuggel einsetzt und dabei bereits erste große Erfolge feiern konnte. Das CIA wird auf die ehrgeizige Frau aufmerksam und engagiert sie für noch brisantere Ermittlungen - in Mexiko will der Geheimdienst ein berüchtigtes Kartell zerschlagen.

Constantin Film
Emily Blunt, Josh Brolin und Benicio Del Toro im Drogenkrieg
Regisseur Villeneuve, der zuvor den Mystery-Thriller „Enemy“ mit Jake Gyllenhaal drehte, zeigt einen Kampf, der im Grunde ausweglos ist. Kleine und mittelgroße Zwischenhändler gehen den Fahndern zwar immer wieder ins Netz. An die ganz Großen aber kommen sie nicht heran. Gewalt wird mit Gewalt beantwortet. Mit klassischen Ermittlungen hat das nichts mehr zu tun. Agentin Kate bemerkt bald, dass einige ihrer Kollegen (darunter Benicio Del Toro und Josh Brolin) ein undurchsichtiges Spiel spielen. Genau um diese allgegenwärtige Undurchsichtigkeit geht es Drehbuchautor Taylor Sheridan.
Das Ende der Grenzkultur
Das Branchenmagazin „Variety“ bezeichnete Sheridan unlängst als einen der zehn vielversprechendsten Drehbuchautoren der jüngeren Generation. Dabei hatte sich Sheridan eigentlich einen Namen als Schauspieler gemacht. Serienliebhaber kennen ihn vor allem als Cop in der Motorrad-Gang-Saga „Sons of Anarchy“. Aber irgendwann, sagt Sheridan, habe er sich lieber selbst um die Inhalte kümmern wollen.
Sheridan war selbst in den 80er Jahren in Texas aufgewachsen, ganz in der Nähe der mexikanischen Grenze. Er spricht in einem vom Filmverleih zur Verfügung gestellten Interview von einer eigenen Grenzkultur, in der sich die mexikanische und die amerikanische Kultur stets gegenseitig beeinflusst und befruchtet hätten. Das Hin-und-her-Fahren über die Grenze gehörte auch für ihn und seine Familie zum ganz normalen Alltag. Er liebte es. Doch heute ist das vorbei. Die Gegend seiner Jugend darf er zum Teil nicht einmal mehr betreten. Sie gilt - inoffiziell, aber kategorisch - als Kriegsgebiet.
Ein Krieg ohne Regeln
Warum das so ist und was sich dort wirklich tut, darüber hat Sheridan penibel recherchiert und es sich dabei nicht leicht gemacht. Jahrelang fuhr er immer wieder in die Region und sprach mit allen, die mit ihm reden wollten. Offizielle Informationen erhielt er keine. Sein Film speist sich aus dem, was er - und einige Journalisten - dort herausgefunden haben. Und das war vor allem: Ein Krieg, den nie jemand offiziell erklärt hat, ist ein Krieg ohne Regeln - auf beiden Seiten.
Die Situation ist diffus. Drogenbanden killen jedes Jahr Tausende von Menschen und mauern sie ein. Das können Mitglieder anderer Gangs sein, aber auch Verräter oder sogar deren Angehörige. Das können Polizisten sein und immer wieder auch investigative Journalisten. Auf der anderen Seite scheinen auch die US-Cops freie Hand zu haben in diesem Kampf, bei dem kein Ende absehbar ist. Und diesen Freiraum nutzen sie - mit aller Brutalität, ohne Rücksicht auf Verluste.
Packend, lehrreich, desillusionierend
Einen einfachen Actionfilm in typischer Hollywood-Schwarz-Weiß-Manier zu drehen war für Sheridan nicht möglich. Das ist irritierend, weil es den Action-Kino-Liebhaber anders fordert, als er es gewohnt ist, und Sheridan dazu zwingt, sich einer recht konventionellen Dramaturgie zu bedienen, um in der Story trotzdem weiterzukommen. Gleichzeitig macht aber genau diese Unentschiedenheit die Qualität des Films aus.
Wer hier gut und wer hier böse ist, das verschwimmt, wechselt und ist am Ende auch gar nicht mehr wichtig. In diese Situation wirft Sheridan seine FBI-Agentin Macer hinein. Sie hat die Aufgabe, diese fremde und gewalttätige Welt mit den Augen des Kinobesuchers zu sehen. Es ist nicht schön, was man hier sieht, aber packend, lehrreich, und - was die conditio humana betrifft - desillusionierend.
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