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Bis zuletzt hochaktiv

Trauer um Hellmuth Karasek: Der im gesamten deutschen Sprachraum bekannte Literaturkritiker und Schriftsteller ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 81 Jahren, wie seine Familie in Hamburg bestätigte. Trotz seines Alters kam die Todesnachricht überraschend: Bis zuletzt war Karasek hochaktiv und wie eh und je in den Medien präsent.

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Zwölf Jahre lang hatte Karasek neben Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) die ZDF-Sendung „Das Literarische Quartett“ geprägt und war so einer breiten Öffentlichkeit bekanntgeworden. Nach dem Tod Reich-Ranickis war er zweifellos der bekannteste Literaturkritiker im deutschen Sprachraum. Über zwei Jahrzehnte hatte er beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" Einfluss auf das Bild von der Literatur sowie vom Theater und von der Filmkunst in Deutschland genommen.

Erstes eigenes Buch über Zwist mit "Spiegel“

Karasek begann seine Karriere 1960 bei der „Stuttgarter Zeitung“ als Redakteur und avancierte dort schon wenig später zum Feuilleton-Chef. Nach einigen Unterbrechungen wechselte er 1968 als Theaterkritiker und Feuilleton-Redakteur zur Wochenzeitung „Die Zeit“, wo es ihn bis 1974 hielt. Danach begann seine „Spiegel“-Zeit: Von 1974 bis 1991 leitete er das Kulturressort, 1996 kam es aber zum damals medial bitter ausgefochtenen Bruch mit dem Magazin.

Hellmuth Karasek, Gastautorin Elke Heidenreich, Marcel Reich-Ranicki und Iris Radisch

AP/Kerstin Joensson

Hellmuth Karasek, Gastautorin Elke Heidenreich, Marcel Reich-Ranicki und Iris Radisch, Literaturkritikerin der „Zeit“, bei einer Aufzeichnung des „Literarischen Quartetts“ in Salzburg im Jahr 2000

Der Zwist mit dem „Spiegel“ war zugleich der Startschuss für Karaseks eigene literarische Versuche: Sein Romandebüt gab er 1998 mit „Das Magazin“ - über das intrigante Innenleben eines Hamburger Nachrichtenmagazins, was ihm viele übelnahmen. Erst nach vier Jahren hatten sich die Wogen so weit geglättet, dass Karasek wieder für den „Spiegel“ schrieb, konkret im Jahr 2000 eine Titelgeschichte über Filmdiva Marlene Dietrich.

Genießer des Rampenlichts

Bis 2004 war er Mitherausgeber des Berliner „Tagesspiegels“. Neben zahlreichen Büchern („Süßer Vogel Jugend“, „Soll das ein Witz sein?“) schrieb Karasek für Zeitungen wie „Die Welt“ und das „Hamburger Abendblatt“ - wo auch regelmäßig seine Glossen erschienen. Daneben arbeitete er als Dramaturg, Moderator, Biograf etwa des Filmemachers Billy Wilder und unter dem Pseudonym Daniel Doppler als satirischer Theaterautor („Die Wachtel“). Von 1987 bis 1991 war er zudem einer der Juroren beim Kärntner Bachmannpreis.

Zeitlebens machte Karasek nie ein Hehl daraus, dass er das Rampenlicht genoss. In Fachkreisen schlug ihm oft auch Ablehnung entgegen: Eitel und geschmäcklerisch wurde er genannt, wegen nur auf den Effekt gerichteter überzogener Aussagen kritisiert, als Adabei der Literatur dargestellt. Dass sich Karasek für alles Mögliche, von Game-Show-Teilnahmen bis zuletzt einer Video-„Rezension“ des Katalogs eines Möbelherstellers, hergab, war vielen ein Dorn im Auge, wenn die Kritik daran vielleicht auch von Neid motiviert war.

„Fernsehen hat mein Leben am meisten verändert“

Auch seine Kritiker mussten Karasek allerdings ein unbestreitbar großes Fachwissen bescheinigen und dass er breitenwirksam Lust aufs Lesen machte. Im Alter wurden Literaturkritik und Journalismus jedoch zusehends zum Nebenerwerb und zur Liebhaberei. Karasek selbst ging bis ins hohe Alter auf Lesereise und schrieb weiter. Seit dem Jahr 2000 veröffentlichte er im Durchschnitt pro Jahr ein Buch. Das letzte Werk des passionierten Witzesammlers trug den Titel „Das find ich aber gar nicht komisch“.

„Das Fernsehen hat mein Leben am meisten verändert“, räumte Karasek aber in Hinblick auf seine Zeit beim „Literarischen Quartett“ einmal ein. Seitdem kannten die Menschen sein Gesicht, auch wenn sie ihn manchmal mit Literaturnobelpreisträger Günter Grass verwechselt hätten, wie er berichtete. Just an diesem Freitag will das öffentlich-rechtliche Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) eine Neuauflage der Sendung starten.

Würdigungen der Politik

Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck kondolierte Karaseks Witwe in einem Brief, in dem er schrieb, Karasek habe „bei vielen Menschen die Kenntnis und die Liebe zur Literatur, zum Theater und zum Film entscheidend erweitert und vertieft“. „Ohne ihn wäre das literarische Leben in unserem Land sehr viel ärmer - und auch erheblich langweiliger“, so Gauck. Damit habe er Deutschland und seine „Kultur nachhaltig bereichert“.

Deutschlands Bildungsministerin Johanna Wanka sagte am Mittwoch in Berlin, mit Karasek verliere Deutschland einen seiner engagiertesten Literaturkritiker. Karasek habe „als glühender Verfechter der Lesekultur den Menschen das Buch nahegebracht“, erklärte sie. Kulturministerin Monika Grütters sprach von Karasek als „echter Institution“: „Er liebte und litt an und mit der Literatur und war dabei immer ihr souveräner Vermittler und ein brillanter Unterhalter.“

„Großartiger Kollege“

SPD-Chef Sigmar Gabriel würdigte den verstorbenen Literaturkritiker als prägende Figur des Geisteslebens. Deutschland verliere eine seiner brillantesten Stimmen. „Er baute wichtige Brücken zwischen dem intellektuellen Diskurs, der Welt des Literarischen und der Politik und Gesellschaft bis hin zu einem breiten Fernsehpublikum“, teilte Gabriel am Mittwoch in Berlin mit. Karasek habe sein Publikum immer bestens unterhalten, „vor allem durch seinen besonderen Blick für das Kuriose und Absurde“. Seine Stimme werde fehlen, betonte der deutsche Vizekanzler.

Der Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“, Lars Haider, schrieb auf der Homepage der Zeitung, die Redaktion sei fassungslos und tief traurig. „Wir verlieren unseren beliebtesten Kolumnisten, vor allem aber einen großartigen Kollegen. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, die ja auch beim Hamburger Abendblatt arbeitet, und bei seiner Familie.“ Karasek war in zweiter Ehe mit der Journalistin Armgard Seegers verheiratet, er hinterlässt zudem vier Kinder.

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