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In Zusammenhang mit der Abgasaffäre ermittelt die Staatsanwaltschaft im deutschen Braunschweig gegen den zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt auf dem Vorwurf des Betrugs durch den Verkauf von Kraftfahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten, teilte die Behörde am Montag mit. Hintergrund seien eingegangene Strafanzeigen.

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Zielrichtung der Ermittlungen sei insbesondere die Klärung der Verantwortlichkeiten, so die in Braunschweig im Bundesland Niedersachsen ansässige Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen. Eine entsprechende Strafanzeige der Volkswagen AG sei ohne Benennung eines Beschuldigten eingegangen.

Bisher zehn Anzeigen eingegangen

Es werde nun geprüft, ob gegen Winterkorn ein Anfangsverdacht bestehe, sagte eine Sprecherin. Derzeit werde Winterkorn noch nicht als Beschuldigter in dem Verfahren geführt, allerdings sei sein Name der einzige eines VW-Managers, der in den Anzeigen auftauche. Vor allem wollen die Ermittler klären, wer für die Manipulationen die Verantwortung trägt und welches Ziel sie hatten. Bisher seien rund zehn Anzeigen eingegangen, mit weiteren werde gerechnet.

Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates hatte nach einer Krisensitzung am Mittwoch eine Strafanzeige angekündigt und erklärt: „Es steht nach Ansicht des Präsidiums fest, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auch strafrechtlich relevant sein können.“ Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden vom Konzern in aller Form unterstützt.

Pischetsrieder und Bernhard: Keine Kenntnis

Der frühere VW-Konzernchef Bernd Pischetsrieder und der frühere VW-Markenchef Wolfgang Bernhard hatten nach eigenen Angaben keinerlei Kenntnis vom Einbau der Manipulationssoftware bei Abgastests. Beide hätten auch keine Entscheidungen zur Entwicklung oder zum Einsatz der Software getroffen, teilten die Manager am Dienstagabend über die Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann mit. Sie könnten das eidesstattlich versichern. Entsprechenden Berichten, die diesen Eindruck vermitteln könnten, würden Pischetsrieder und Bernhard „aufs Schärfste“ widersprechen - sie drohen mit rechtlichen Schritten.

Am Montag hatte die dpa unter Berufung auf Konzernkreise berichtet, bei einer Sitzung des VW-Aufsichtsratspräsidiums solle am Mittwoch ein erster Zwischenbericht interner Ermittlungen vorgelegt werden. Demnach sei die Entscheidung zum Einbau der Manipulationssoftware in Dieselfahrzeugen bereits in den Jahren 2005 und 2006 gefallen, und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale in Wolfsburg. Mit Hilfe der Software hatte VW Abgaswerte in US-Dieselfahrzeugen manipuliert. In diesen Jahren war Pischetsrieder Konzernchef und Bernhard VW-Markenchef. Sie widersprachen nun aber aufs Schärfste, von der Software Kenntnis gehabt zu haben.

Warnung missachtet?

Die Beteuerungen Winterkorns, nichts von den manipulierten Abgaswerten bei Millionen von Fahrzeugen gewusst zu haben, kamen am Wochenende ins Wanken. Ein Techniker von VW hatte laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ bereits 2011 vor den Praktiken gewarnt. Das gehe aus einem Prüfbericht der internen Revision von VW hervor, schrieb das Blatt unter Berufung auf Aufsichtsratskreise. Das Kontrollgremium sei darüber bei seiner Sitzung am Freitag informiert worden. Es sei aber nicht geklärt worden, warum die Warnung damals ohne Folgen geblieben sei.

Sollten die externen Ermittler Belege für ein Fehlverhalten aktueller oder ehemaliger Vorstände finden, drohten den Managern Schadenersatzforderungen des Konzerns. Der Zulieferer Bosch soll sogar schon 2007 vor der gesetzeswidrigen Verwendung der Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt haben. Die von Bosch gelieferte Software sei nur für Testzwecke vorgesehen gewesen, nicht für den normalen Fahrbetrieb, schrieb „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf ein VW-internes Dokument, auf das die interne Revision gestoßen sei. In einem Brief habe Bosch dem Konzern mitgeteilt, dass der geplante Einsatz illegal sei.

Drei weitere Vorstände beurlaubt

Zuvor wurde bekannt, dass im Skandal um manipulierte Abgaswerte offenbar drei weitere VW-Vorstände beurlaubt wurden. Die Entwicklungschefs der Marken Audi, VW Pkw und Porsche, Ulrich Hackenberg, Heinz-Jakob Neußer und Wolfgang Hatz, seien ihrer Aufgaben entbunden worden, sagten mehrere mit dem Unternehmen vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.

Winterkorn war am Mittwoch als Vorstandschef zurückgetreten. Unklar ist, welche Auswirkungen die Ermittlungen auf mögliche Abfindungsansprüche Winterkorns haben. Der Manager verdiente im vergangenen Jahr 15,9 Millionen Euro und war damit Spitzenreiter unter den Chefs der 30 DAX-Unternehmen. Sein Vertrag sollte noch bis Ende 2016 laufen.

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