Probleme auf allen Ebenen
Die tiefe wirtschaftliche Krise und hohe Inflation lassen den brasilianischen Real zusehends abstürzen. Die brasilianische Notenbank kündigte an, „mit allen Mitteln“ die Währung zu verteidigen. Unternehmen wie der Ölkonzern Petrobras fahren auch wegen des Verfalls der Landeswährung ihr Investitionsprogramm drastisch nach unten.
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Durch eine Inflation von rund zehn Prozent wird das Leben für die Menschen in Brasilien immer teurer. Gleiches gilt durch den schwachen Real für Importe von Waren. Der Konsum ist auf breiter Front eingebrochen, ebenso die Industrieproduktion, es drohen Massenentlassungen.
Das Land ist sehr stark abhängig vom Rohstoffexport, die fallenden Preise von Öl, aber auch Eisenerz, Mangan, Nickel und Bauxit sowie Industriemineralien haben verheerende Folgen. Vor zwei Wochen stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) die Kreditwürdigkeit des Landes in den sogenannten „Ramsch“-Bereich herab.
Blühende Wirtschaft noch 2010
Dabei hatte es vor fünf Jahren noch blendend ausgesehen: Während die westliche Welt unter der Finanz- und Wirtschaftskrise litt, steigerte Brasilien sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,6 Prozent. Und der Ausblick auf die Sportgroßereignisse Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und Olympische Sommerspiele 2016 beflügelten die Hoffnungen, dass der Aufstieg weitergeht.
Wie andere Schwellenländer hatte es Brasilien auch leicht, zur Finanzierung ihres Wachstums an ausländisches Kapital zu kommen. Da Staatsanleihen der Industrienationen wegen der ultraniedrigen Zinsen nichts abwarfen, pumpten Investoren ihr Geld in Papiere aus Brasilien, der Türkei und Russland.
Gegenlenken mit Hochzinspolitik
Vor einer Überhitzung wurde gewarnt, mit Zinserhöhungen versuchte die Zentralbank das rasante Wirtschaftswachstum zu bremsen, das gleichzeitig die Inflation in die Höhe treibt. Denn diese galt schon damals als Zeitbombe für die gesamte Volkswirtschaft. Mit der Hochzinspolitik stiegen die für europäische Dimensionen ohnehin schon exorbitanten Zinsen für Verbraucherkredite weiter. Der durchschnittliche Zinssatz für Privatkredite lag bei 46 Prozent. Bei Kreditkarten und Kontoüberziehungszinsen ist er noch viel höher.
Auch heute versucht die Zentralbank mit derselben Taktik die Inflation zu bremsen: Im Juli erhöhte sie ihren Leitzins auf 14,25 von 13,75 Prozent. Das ist das höchste Zinsniveau der zehn größten Volkswirtschaften der Welt. Das macht erneut Kredite teurer, was wiederum Investitionen hemmt.
Nicht vorgesorgt
Der Abstieg begann auch damit, dass man nicht vorgesorgt hatte: Mit der wirtschaftlichen Erholung in den USA und Europa zogen Anleger ihr Geld wieder ab, auf die Zeit nach der Geldschwemme war man nicht vorbereitet. Zudem wurde zu wenig in Infrastruktur, Energieversorgung und Modernisierung der Industrie investiert.
Diese Woche musste die Regierung angesichts der schweren Rezession ihre Konjunkturprognose deutlich nach unten korrigieren. Es wird nun ein Rückgang des BIP von 2,44 Prozent im laufenden Jahr erwartet. Bisher war die Regierung von lediglich minus 1,49 Prozent ausgegangen.
Sparpaket und Steuererhöhungen
Vor einigen Tagen wurde ein Paket mit Einsparungen und Steuererhöhungen in einem Volumen von umgerechnet 15 Milliarden Euro bekanntgegeben. Planungsminister Nelson Barbosa kündigte an, dass zehn von 39 Ministerien aufgelöst werden sollen, was eine Streichung von 1.000 Stellen bedeute.
Zudem sollen im öffentlichen Dienst Löhne eingefroren werden und es soll einen Einstellungsstopp geben. Auch soziale Ausgaben etwa im Wohnungs- und Gesundheitsbereich sollen gekürzt werden. Finanzminister Joaquim Levy sprach von „wichtigen Korrekturen“. Subventionen für die Landwirtschaft und Investitionen in die Infrastruktur werden ebenfalls zurückgefahren. Zudem soll die Steuer auf Finanztransaktionen wieder eingeführt werden. Einige der angekündigten Maßnahmen bedürfen noch der Zustimmung durch das Parlament.
Protestwelle gegen Korruption
Die nun verkündeten Einschnitte schürten den Unmut in der Bevölkerung weiter. Seit dem Sommer gehen immer wieder Tausende Menschen auf die Straße. Ende September besetzten Demonstranten ein Gebäude des Finanzministeriums. Vor allem die Sozialprogramme sind bisher das Aushängeschild der seit zwölf Jahren regierenden Arbeiterpartei. Schon seit Wochen rollt eine Protestwelle durch das Land.
Die Demonstrationen richteten sich zunächst neben den gestiegenen Lebenshaltungskosten vor allem gegen den Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobas, in dessen Mittelpunkt Dutzende Politiker der regierenden Arbeiterpartei stehen. Präsidentin Dilma Rousseff, die in den Jahren 2003 bis 2010 dem Petrobras-Aufsichtsrat vorstand, geriet ebenfalls unter Druck.
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