„Information“ als einzige Gemeinsamkeit
Ein Gespräch zwischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ ) und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag in Wien hat keine Entspannung bei den Differenzen in der Flüchtlingspolitik gebracht. Während Orban indirekt Österreich die Schuld an der Asylkrise gab, wollte Faymann ein „Spannungsverhältnis“ nicht dementieren. In der Sache sahen beide das Recht auf ihrer Seite.
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Einen gemeinsamen Auftritt Orbans gab es weder nach dem eineinviertel Stunden langen Vieraugengespräch mit Faymann noch mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), den der ungarische Ministerpräsident separat traf. Begleitet wird Orban von seinem Außenminister Peter Szijjarto und seinem Kanzleiminister Janos Lazar. Orban trat nach den Gesprächen allein in der ungarischen Botschaft vor die Presse.
Österreich soll Zaun „hinnehmen“
Orban pochte bei seinem Pressetermin darauf, dass er die Schengen- und Dublin-Regeln zu exekutieren habe. Diese besagen in etwa, dass das erste EU-Land, das ein Flüchtling betritt, auch für dessen Asylverfahren zuständig ist. Die rund um Ungarn hochgezogenen Grenzzäune sieht Orban als notwendig an. Schließlich sei es Faymann selbst gewesen, der den Vorschlag für einen Flüchtlingskorridor von Serbien durch Ungarn und Österreich in andere EU-Länder abgelehnt habe.
Orban auf Besuch in Wien
Der Besuch des ungarischen Premiers Viktor Orban in Wien verlief eher unterkühlt, da es Spannungen zwischen Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Orban wegen dessen harter Flüchtlingspolitik gibt.
Dass Ungarn nun auch die Grenze zum EU-Nachbarland Kroatien schließen wolle, sei ebenso eine Notwendigkeit, so Orban. Man werde das zwar nicht ohne vorherige Konsultation Österreichs tun, gehe aber davon aus, dass das „hingenommen“ werde. An der kroatisch-ungarischen Grenze werde sich die gesamte Krise „in den nächsten Tagen entscheiden“. An einen Zaun zwischen Ungarn und Slowenien denkt Orban zum gegenwärtigen Zeitpunkt laut eigener Aussage nicht.
„Friendly Fire“ aus Österreich?
Orban betonte, dass Ungarn die traditionell guten Beziehungen zu Österreich aufrechterhalten wolle. Zugleich beschwerte er sich einmal mehr über die Kritik aus Wien an der ungarischen Vorgangsweise in der Flüchtlingskrise. Während Ungarn versucht habe, die geltenden Regeln einzuhalten, sei es von hinten in einem „Friendly Fire“ beschossen worden, so Orban. Er erwartet sich vielmehr „eindeutige Unterstützung beim Grenzschutz“.
Trotzdem sei Ungarn „bereit zu vergessen, dass es Nazi-Vorwürfe gegeben“ habe, was vonseiten eines österreichischen Politikers schlicht absurd sei. Ungarn sei auch bereit zu vergessen, dass ungarischen Behörden vorgeworfen wurde, die Menschenrechte zu verletzen, was eine Lüge sei. Bei den Gesprächen habe eine „Atmosphäre des guten Willens“ geherrscht. Daher sei „die Beziehung jetzt besser als noch heute Früh um 8.00 Uhr“.
Faymann sieht Gesprächsbedarf
Faymann sprach von einer Aussprache, „die zeigt, dass wir miteinander reden müssen“. Er bezeichnete die Sicherung der EU-Außengrenzen als „rechtmäßig“. Das Asylrecht sei jedoch ein „Menschenrecht“ und „gleichrangig“. Es gehe nicht an, dass man Flüchtlinge gemäß den europäischen Dublin-Regeln nicht in andere Länder zurückschicken könne, weil dort die Standards nicht erfüllt sind, sagte Faymann mit Blick auf Ungarn und auch Griechenland.

APA/BKA/Andy Wenzel
Nur für ein Foto nahmen Orban und Faymann kommentarlos nebeneinander Aufstellung
Was eine bessere Information der österreichischen Behörden und Helfer in Sachen Flüchtlingsbewegungen durch Ungarn betrifft, sagte Faymann, diese „würde ich mir sehr wünschen“. Es gebe in dieser Frage aber keine Einmischung. Die Beziehungen zu Ungarn bezeichnete Faymann als „korrekt“. Zugleich sprach er von einem „Spannungsverhältnis“. Mehrmals betonte er: „Man muss eine Basis haben, um zusammenzuarbeiten.“
Schlagabtausch in Brüssel
Beim EU-Sondergipfel am Mittwochabend war es zwischen Orban und Faymann zu einem verbalen Schlagabtausch gekommen. Orban hatte unter Berufung auf Faymann angekündigt, er könne seine Bemühungen zum Bremsen des Flüchtlingsstroms auch beenden und sämtliche Flüchtlinge durchreisen lassen. Faymann forderte indes Orban auf, die Gesetze einzuhalten. Das gelte „sowohl für die Schengen- und Dublin-Regelung als auch für Menschenrechte und das Recht auf Asyl“.
Mitterlehner sieht „gutes und sachliches Gespräch“
Mitterlehner sprach in einer Aussendung von einem „guten und sachlichen“ Gespräch. „Gute nachbarschaftliche Beziehungen“ seien „zur Lösung der Flüchtlingsthematik wichtig, denn das wird uns noch Jahre beschäftigen“. Mitterlehner nannte als gemeinsame Position, dass die EU die Vorschläge zum Schutz der Außengrenzen und Errichtung von „Hotspots“ rasch konkretisieren und umsetzen müsse. Das sei vor allem in Bezug auf die türkisch-griechische Landgrenze vor dem Winter wichtig.

APA/Georg Hochmuth
Orban bei Gesprächen mit Vizekanzler Mitterlehner
Der „Schutz“ von Ungarns Schengen-Außengrenze durch den Zaun zu Serbien sei „zu respektieren“, so Mitterlehner. Den Zaun zum EU-Nachbarn Kroatien bezeichnete der Vizekanzler als „bilaterale Angelegenheit Ungarns mit Kroatien“. Die Dublin- und Schengen-Regeln müssten „umgesetzt werden, solange es kein besseres System gibt“. Auch Mitterlehner forderte eine bessere Information durch die ungarischen Behörden über auf dem Weg befindliche Flüchtlinge, was Orban zugesichert haben soll.
Lugar fordert Entschuldigung Faymanns
Weiterhin Verwirrung herrschte zunächst um ein mögliches Treffen Orbans mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. FPÖ-Sprecher Karl Heinz Grünsteidl bestätigte am Freitag der APA, dass es eine Anfrage aus Budapest für ein Treffen gegeben habe. Dann habe man aus Ungarn aber gehört, dass der Termin nicht zustande komme. Am Donnerstagabend hatte die ungarische Botschaft öffentlich dementiert, dass es ein Treffen mit Strache geben werde.
Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar erklärte in einer Aussendung, Faymann hätte sich bei dem Treffen bei Orban „für seine Entgleisungen entschuldigen können und sollen“. Faymann hatte zu Ungarns Umgang mit Flüchtlingen in Zügen mit für die Menschen unbekanntem Ziel gemeint, das erinnere ihn an die dunkelste Zeit von Europas Geschichte. Lugar meinte wiederum, es sei „gerade in der momentan schwierigen Situation (...) unerlässlich, dass Österreich zu allen Nachbarländern gute und freundschaftliche Kontakte hat - auch zu Ungarn!“
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