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„Spinnst? Ich sag C“

Seit 1998 ist das Format der „Millionenshow“ international eine nicht enden wollende Erfolgsgeschichte. Seit 15 Jahren wird im ORF die „Millionenshow“ ausgestrahlt, seit mehr als 13 Jahren mit Armin Assinger als Moderator. Professoren scheitern an einfachen Fragen, ein Staplerfahrer holt sich 75.000 Euro.

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Alles scheint möglich. Und nicht nur die Teilnehmer bei Assinger raten mit: Vor dem Fernsehschirm sitzen Hunderttausende „Kandidaten“. Assinger erklärt im Interview mit ORF.at die Erfolgsfaktoren der „Millionenshow“. Warum sie, wie er es formuliert, ein Dampfer ist, „den du fast nicht versenken kannst“. Erstens: die Einfachheit des Konzepts - mit nur vier Antwortmöglichkeiten. Und „wennst ganz vif bist, gewinnst eine Million innerhalb einer halben Stunde und veränderst dein Leben dadurch vollkommen“. Vom Niemand zum Millionär in 30 Minuten, oder vom Niemand zum völlig blamierten Loser: Dabei zuzusehen, so ähnlich muss der Thrill für Römer auf den Rängen der Arena gewesen sein.

Armin Assinger in der "Millionenshow"

ORF/Milenko Badzic

Assinger macht es immer spannend

So viel zum Voyeurismus. Mindestens genauso wichtig: „Es ist eine klasse Show zum Mitspielen.“ Assinger spielt im Interview eine Familiensituation vor dem Fernseher durch, in der es um die Frage geht: Wer ist jetzt der Gescheitere von uns? „Was sagst du?“ „Ich sag A.“ „Spinnst? Ich sag C.“ „Opa, was sagst denn du?“ „Ihr habt alle keine Ahnung, es ist nämlich B.“ Am Ende kann nur einer recht haben: „Ich sag’s euch ja: Der Opa ist am gscheitesten.“ Schriftlich lässt sich das nicht widergeben. Man muss sich den Assinger-Style dazu vorstellen: Kärntner Dialekt und ein lauter Schmäh, der immer am schmalen Grat zwischen verschmitzt und forsch entlangwandelt.

Keiner wollte das Format

Dass jemand im Assinger-Style die „Millionenshow“ moderiert, ist ungewöhnlich. Aber es liegt im Wesen der „Millionenshow“, dass sich jemand gegen alle Widerstände durchsetzt. Und schon die Geschichte des Formats hat so begonnen. Drei Entwickler tüftelten bei der Produktionsfirma Caledor an der Show. Mehrere TV-Sender lehnten den Entwurf ab, auch ITV. Als dort der Verantwortliche den Job wechselte, probierte es Caledor-Chef Paul Smith einfach bei dessen Nachfolger noch einmal - und war erfolgreich.

TV-Hinweis

Die „Jubiläums-Millionenshow“ am Samstag um 20.15 Uhr in ORF2 bringt viele Überraschungen - aber auch alte Bekannte - mehr dazu in tv.ORF.at.

Überzeugt hatte Smith den ITV-Mann, indem er Kuverts mit aufsteigenden Summen an Geld auf dessen Schreibtisch legte und auf ein Flipchart Fragen mit vier Antwortmöglichkeiten aufschrieb: die analoge Minimalform von „Who wants to be a millionaire?“ Schon nach dem zweiten Kuvert war dem Mann der Nervenkitzel zu groß. Aber die Show kaufte er. Der Rest ist Fernsehgeschichte - auch in Österreich, wo zunächst Rainhard Fendrich ab 2000 „Alles ist möglich - Die 10-Millionen-Show“ moderierte. Zehn Millionen Schilling.

Assinger und die Gecko-Frage

Noch im selben Jahr übernahm Barbara Stöckl. Einer ihrer Gäste in der „Promi-Millionenshow“ war Assinger. Er scheiterte an der Frage, womit Geckos die Wände hochklettern (Auflösung siehe Assinger-Interview). Ein paar Monate später zog er das große Los - und wurde Stöckls Nachfolger. Noch heute wundert er sich, dass er - als ehemaliger Skifahrer, als Skirennkommentator und Ex-Moderator der zwei kleinen TV-Shows „Glück gehabt“ und „Extrem“ überhaupt zum Casting eingeladen wurde, wo er gegen die großen Kapazunder der heimischen Unterhaltungsbranche antrat.

Fendrich - Stöckl - Assinger

Alles begann im Jahr 2000 mit Rainhard Fendrich. Damals hieß die Show „Alles ist möglich - Die 10-Millionen-Show“. Noch im selben Jahr folgte Barbara Stöckl. Sie wurde 2002 von Armin Assinger abgelöst.

Er sei von den Medien als absoluter Außenseiter gehandelt worden, erzählt Assinger, der ungewöhnlich ruhig und nachdenklich wird, wenn er sich an die Reaktionen erinnert, als bekanntwurde, dass er von Stöckl übernimmt: „Mein Gott. Ich werde nie diesen Eintrag auf meiner Homepage vergessen: ‚Du dumme Bauernsau, bleib zu Hause bei Deinen Kühen.‘ Viele haben sich gedacht: ‚Der war durchschnittlich erfolgreicher Skifahrer, dann tut er ein bissl kommentieren und jetzt soll er da in Mundart eine Primetime-Sendung moderieren? Das geht ja nicht! Aus Kärnten auch noch, das ist sowieso suspekt.‘ Das war so komisch. Sie haben mir die Intellektualität abgesprochen.“

Der Staplerfahrer

Assinger liebt Geschichten vom „Es-trotzdem-Schaffen“. Etwa als ein Staplerfahrer es zu ihm in die Mitte schaffte. Vor Nervosität schwitzend saß der da. Niemand, auch nicht Assinger, traute ihm etwas zu. Aber der übergewichtige Mann hantelte sich weiter, von Frage zu Frage. Als alleinlebender Schichtarbeiter hatte er immer viel Zeit zum Zeitunglesen gehabt. 75.000 Euro holte sich der. Auf der anderen Seite fällt so mancher Akademiker schon bei den ersten drei Fragen durch. Assinger kann sich an einen Gymnasialprofessor erinnern, der eine Frage aus seinem eigenen Fachgebiet nicht beantworten konnte.

Durch die „Millionenshow“ kann man lernen, dass der formale Bildungsgrad viel weniger über das Wissen eines Menschen aussagt, als man meinen sollte. Assinger sagt, er hat durch seinen Job sämtliche Vorurteile ad acta gelegt. Aber natürlich kommt es nicht nur auf das Wissen an, sondern auch darauf, wie nervös ein Kandidat ist.

Die Kandidaten hinter den Kulissen

Stefan Zechner, Chefredakteur der „Millionenshow“, erzählt von einem typischen Tag am Set. Die Kandidaten sind aufgeregt und fangen schon in der Maske an, einander abzutasten: Weiß der mehr als ich? Bin ich gescheiter als die? Je nachdem sind sie danach entweder ruhiger - oder noch nervöser. Bis zum Eintreten in die Arena nimmt dann aber wieder ein Gemeinschaftsgefühl überhand. Dann geht es um Schnelligkeit. Wer es nicht in die Mitte schafft, hat fürs Leben gelernt - aber nicht für die Show.

Die Freude der Sieger

Der Glücksfall für die Show sind extrovertierte Kandidaten - die den Zuschauer an ihrem Nachdenkprozess teilhaben lassen und sich unbändig freuen, wenn sie gewinnen.

Und die in der Mitte, mit denen darf man nicht zu hart ins Gericht gehen, wenn sie scheitern. Schließlich, so Zechner, sitzen die nicht gemütlich auf dem Sofa und können sich vielleicht noch mit Familienmitgliedern austauschen. Dort draußen ist man auf sich allein gestellt, vor einem großen Publikum und vor einem Promimoderator. Dabei versucht Assinger zu beruhigen, wo immer es geht - mit Hilfe der Moderationskarten. Wenn einer zum Beispiel gerne gartelt - dann redet Assinger ihn aufs Garteln an. Das hilft fast immer.

Das Tüfteln an den Fragen

Nervosität, Schnelligkeit, Wissen und Glück sind das eine. Die Fragen sind das andere. Entwickelt werden sie von einem Team an Redakteuren in Barbara Stöckls Firma Kiwi-TV. Jemand überlegt sich Fragen, die werden dann gecheckt und in der großen Runde besprochen, und schließlich entsteht die Auswahl für eine Sendung. Auch über den Schwierigkeitsgrad wird ständig diskutiert - der muss natürlich passen, damit sich niemand ungerecht behandelt fühlt.

Genauso unterschiedlich wie die Fragen sind auch die Kandidaten. Manche muss man animieren, andere bremsen, sagt Assinger. Der Glücksfall, fügt Chefredakteur Zechner hinzu, sind extrovertierte Kandidaten, die immer sagen, was sie denken. Wenn zum Beispiel vier Städte als Antwort zur Auswahl stehen: „Da war ich schon einmal auf Urlaub ...“ So kann der Zuschauer nachvollziehen, was im Kopf des Spielers vor sich geht und wie er zu seiner Antwort kommt.

Der Sprung auf den Sessel

Sieben Gewinner haben bisher in der Geschichte der österreichischen „Millionenshow“ die letzte Frage richtig beantwortet. Einer der schönsten Momente für Assinger war es, als der letzte Sieger, ein junger Bursch, sich so sehr freute, dass er auf den Sessel sprang. Da hatte es wieder einer durch akribische Vorbereitung mit dem Brockhaus geschafft. Einer, dem man es eigentlich nicht zugetraut hätte, so jung wie der war. Assinger wirkt zufrieden mit seinem Job.

Simon Hadler, ORF.at

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