Klasse statt Masse
Netflix will künftig stärker in die Produktion von Kinofilmen investieren. Im Gegenzug hat der Streamingdienst einen Vertrag über Filmrechte mit dem TV-Studio Epix auslaufen lassen. In den USA müssen Netflix-Kunden ab September auf 76 Filme und Serien verzichten. Mit der riskanten Repositionierung versucht Netflix, sein Profil zu schärfen und sich vor dem bevorstehenden Markteintritt Apples zu wappnen.
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Netflix kündigte Ende August an, die Abmachung mit Epix nicht mehr erneuern zu wollen. Seit September werden deshalb Blockbuster wie „Die Tribute von Panem - Catching Fire“, „World War Z“, „Transformers: Ära des Untergangs“ und „The Expendables 3“ in den USA aus dem Programm genommen. Neben den Filmen verschwinden auch ganze Serienstaffeln aus dem Sortiment. Der Kabel- und Satelliten-TV-Sender Epix wird künftig mit dem Netflix-Konkurrenten Hulu kooperieren. Eine diesbezügliche Vereinbarung wurde ebenfalls Ende August publik.
Kalkuliertes Risiko
Der Schritt von Netflix ist Teil einer Neupositionierung des Konzerns auf dem hartumkämpften Streamingmarkt. Netflix gehe damit ein kalkuliertes Risiko ein, sagte der Marktanalyst Jim Nail der BBC. Bevor die Entscheidung getroffen wurde, hätten sich die Verantwortlichen sehr genau angesehen, wie oft welcher Film gestreamt werde.
Ähnlich argumentierte Ted Sarandos, Programmverantwortlicher bei Netflix: Natürlich seien Filme wie jene aus der „Tribute von Panem“-Reihe populär. Gleichzeitig aber seien diese Titel nicht nur auf Netflix, sondern auch auf anderen Video-on-Demand-Plattformen verfügbar, schrieb der Manager in einem Blogeintrag.
Vorrangig exklusive Contents
Sarandos bat die Netflix-Abonnenten um Geduld. Man arbeite an der Entwicklung eigener Filme. Dafür habe man sich die Mithilfe prominenter Schauspieler, Autoren und Regisseure wie Brad Pitt, Ricky Gervais, Judd Apatow, Angelina Jolie, Sofia Coppola, Bill Murray und Adam Sandler gesichert. Netflix wolle sich als Luxusanbieter mit hochwertigen Inhalten in Stellung bringen, so Analyst Nails: „Anstatt jeden zufriedenstellen zu wollen, bieten sie ausgewählten Kunden Premium-Content.“
Zudem versucht Netflix, sein Angebot für jüngere Zielgruppen attraktiv zu machen. Dazu setzt der Konzern auf die Hilfe von YouTube-Stars. Die Macher des Comedy-Kanals Smosh (21 Mio. Abonnenten) sowie die Komikerinnen Jenn McAllister und Lauren Elizabeth Luthringshausen (die gemeinsam mehr als drei Mio. Abonnenten haben) seien mit der Produktion zweier Filme beauftragt worden, berichtete die „New York Times“ („NYT“).
Unberührt bleibt die Produktion eigener Serien. Zu den bekanntesten Netflix-Produktionen zählen die Gefängnissaga „Orange Is the New Black“, das „Breaking Bad“-Spin-off „Better Call Saul“ sowie das Politdrama „House of Cards“. Seit 28. August ist die Serie „Narcos“ zu sehen, die den Aufstieg des kolumbianischen Mafia-Bosses Pablo Escobar zu Macht und Reichtum sowie seine brutale Kontrolle über den weltweiten Drogenhandel beleuchtet.
Bisher erfolgreiches Jahr für Netflix
2015 verlief für Netflix bisher erfolgreich. Die Anzahl der Nutzer stieg weltweit auf insgesamt 65,5 Mio, 3,3 Mio. davon kamen allein im zweiten Quartal dazu. Vor allem international expandiert die Firma aus dem kalifornischen Los Gatos, die bis Ende 2016 in 200 Ländern verfügbar sein will, in rasantem Tempo. 2,4 Millionen Mitglieder kamen zuletzt im Ausland dazu.
Der Quartalsumsatz kletterte schließlich im Jahresvergleich um 23 Prozent auf 1,64 Mrd. Dollar (1,5 Mrd. Euro). Die hohen Kosten für Inhalte, die internationale Expansion und auch der derzeit schwache Dollar drücken auf den Gewinn: Unterm Strich blieben 26 Mio. Dollar (23 Mio. Euro) übrig, das waren 63 Prozent weniger als im Vorjahresquartal.
Harter Konkurrenzkampf
Nicht nur der schwache Dollar, sondern auch die starke Konkurrenz bringt Netflix unter Druck. Wer seinen Dienst ähnlich wie eine virtuelle Videothek nutzen und pro Film bezahlen wolle, für den gebe es Apples iTunes, Amazons Instant Video, Google Play, Microsoft und Vudu, resümierte die „Washington Post“.
Zudem ist Netflix nicht der einzige Anbieter, der sich einen Platz im Premium-Segment erkämpfen will. Apple ist laut Medienberichten schon seit Jahren in zähen Verhandlungen über Rechte für TV-Programme in den USA. Der neue Onlinefernsehdienst soll nächstes Jahr starten. Apple halte bereits Ausschau nach Mitarbeitern. Daneben produziere das Unternehmen bereits selbst Werbe- und Musikvideos.
Laut Medienberichten plant der iPhone-Hersteller ebenfalls die Produktion eigener Inhalte. In den vergangenen Wochen habe Apple sondierende Gespräche in Hollywood geführt, schrieb das Branchenblatt „Variety“ am Dienstag. Ob es dabei um die Produktion von TV-Serien, Filmen oder beidem geht, wurde nicht bekannt. Mit fast 200 Milliarden Dollar auf der hohen Kante hätte Apple jedenfalls mehr als genug Geld, um die Branche aufzumischen.
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