Gruppe zunächst abgewiesen
Nachdem am Samstagabend an der steirisch-slowenischen Grenze erstmals Schutzsuchende abgewiesen worden waren und sie die Nacht im Niemandsland verbringen hatten müssen, hat sich der Grenzbalken Sonntagmittag für die Gruppe geöffnet. Die etwa 100 Flüchtlinge wurden nach Österreich gelassen.
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In der Nacht auf Sonntag hatte sich das Dilemma der europäischen Uneinigkeit auf eine besonders bezeichnende Weise dargestellt: Rund 100 Menschen, darunter Mütter mit kleinen Kindern, waren vor Spielfeld an der Einreise gehindert worden. Den Flüchtlingen war von den Beamten erklärt worden, sie würden Pässe brauchen, um einreisen zu können. Daraufhin gingen sie wieder zurück in das Gebiet zwischen den Grenzen und warteten.
„Please open the Border“
Die Nacht mussten sie im Niemandsland zwischen Slowenien und Österreich verbringen, ohne jegliche Versorgung. Die Frauen der Flüchtlingsgruppe berichteten, sie hätten ihre Kinder während der Nacht notdürftig zu wärmen versucht, während nur wenige Meter weiter die Versorgungseinrichtungen der Hilfsorganisationen leer standen - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

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Flüchtlinge in Spielfeld - stundenlang waren sie im Niemandsland gestrandet
Stundenlang warteten die Flüchtlinge geduldig, dann begannen sie zu rufen: „Please open the Border" - „Bitte öffnet die Grenze“. Gegen 11.00 Uhr konnten sie dann von den Grenzpolizisten nicht mehr zurückgehalten werden. Die Flüchtlinge gingen jubelnd und freudestrahlend zu Fuß in das Transitlager auf österreichischer Seite, wo sie registriert und versorgt werden konnten.
Dublin-Dilemma „zwingt“ zu Rechtsbruch
Die entstandene Situation war unmittelbare Folge davon, dass das Asyl- und Fremdenrecht in der EU immer mehr zum de facto rechtsfreien Raum wird. Gemäß den Dublin-Regeln der Europäischen Union ist jenes Land für Asyl zuständig, in dem die Flüchtlinge zum ersten Mal EU-Boden betreten. Im Fall syrischer Kriegsflüchtlinge ist das meist Griechenland. Das Land ist aber seit inzwischen schon Jahren mit der Vielzahl von Menschen überfordert - eine solidarische Aufteilung der Zuständigkeiten scheiterte bisher am Unwillen der EU-Mehrheit.
Die Behörden von EU-Binnenländern begehen gemäß den Dublin-Regeln Rechtsbruch, wenn sie die Flüchtenden offiziell einreisen lassen. Zugleich besteht die gesetzliche Pflicht, Menschen Schutz vor Gefahren für Leib und Leben zu bieten, die etwa durch den Versorgungsmangel in Griechenland gegeben sind. Das Dilemma zwingt Flüchtende in die Rolle der Rechtsbrecher, da es de facto kaum anders als durch illegalen Grenzübertritt gelöst werden kann.

APA/Erwin Scheriau
Die Versorgungseinrichtungen der Hilfsorganisationen in Spielfeld
In den steirischen Notquartieren herrscht unterdessen unter jenen, die die Grenze passierten, ein Kommen und Gehen. So verließen 300 Personen die Schwarzlhalle in Unterpremstätten, um Sonntagfrüh mit dem Zug nach Deutschland weiterzufahren. Derzeit sind dort 500 Schutzsuchende untergebracht, in Graz-Webling befinden sich 450, in Feldkirchen nächtigten 400. Etwa 600 von den insgesamt rund 1.400 in und um Graz Untergebrachten kamen gestern bei Bad Radkersburg und Spielfeld über die Grenze.
Zug aus Hegyeshalom mit 2.000 Personen?
In Kärnten trafen bisher laut Angaben der dortigen Polizei in den frühen Morgenstunden des Sonntags keine Flüchtlinge via Slowenien ein. Man sei aber für diesen Fall vorbereitet. Aus österreichischer Sicht bleibt der zentrale Schauplatz allerdings weiterhin die Grenze zu Ungarn. Derzeit befinden sich rund 8.500 Flüchtlinge in Nickelsdorf. Die Ostautobahn (A4) beim Grenzübergang Nickelsdorf war für mehrere Stunden gesperrt.
Doch die Zahl steigt weiter an: Um die Mittagszeit sollte erneut ein Zug nach Hegyeshalom in Ungarn mit bis zu 2.000 Personen ankommen, die wieder in Nickelsdorf erwartet wurden, hieß es vonseiten der Einsatzkräfte. Polizeisprecher Gerald Pangl sprach in der ZIB am Sonntag von einer „nicht gesicherten Information“. Gleichzeitig werden laufend Flüchtlinge weitergebracht, wohin genau, ist aber nicht immer klar.

Reuters/Leonhard Foeger
Soldaten an der Grenze in Heiligenkreuz
Am Sonntagvormittag startete ein Sonderzug mit 450 Personen in Richtung Wien. Trotz des großen Flüchtlingsandrangs war die Lage in Nickelsdorf am Vormittag ruhig. Die Wartenden wurden mit Verpflegung versorgt und stellten sich in Schlangen für die Weiterfahrt an. In der Nacht sei bereits ein Sonderzug mit 400 Personen von Nickelsdorf in Richtung Linz gefahren. „Heute um 9.00 Uhr wurden weitere 400 mit einem Sonderzug nach Salzburg gebracht“, sagte Polizeisprecher Pangl.
Warten auf Informationen über Quartiere
Wie schon am Samstag nutzen viele Flüchtlinge auch Taxis, um weiterzureisen. „Busse sind bereitgestellt, allerdings ist es sehr schwer, Quartiere zu finden“, erläuterte der Polizeisprecher. Bereits am Samstag hatte man Busse parat, hatte allerdings auf Informationen gewartet, wo die Menschen hingebracht werden können. Auch aus Heiligenkreuz berichtete die Polizei, dass trotz stetigen Kommens und Gehens weiterhin die Zahl von 250 zu Versorgenden konstant bleibe. Man rechne mit weiteren Ankünften.
Insgesamt 11.700 Menschen an einem Tag
In Summe 11.000 Flüchtlinge seien zwischen Freitag und Samstagmitternacht über die Grenzübergänge im Burgenland und der Steiermark nach Österreich gekommen, gab das Innenministerium Sonntagvormittag bekannt. Via Twitter dankte das Ministerium allen Beteiligten für die „herausragende Leistung“ bei der Versorgung dieser Menschen. Wohin man die 10.000 am Sonntag in Nickelsdorf erwarteten Menschen bringen soll, werde laut dem Ministerium in einer Lagebesprechung mit den Hilfsorganisationen erörtert.
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