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Angespannte Lage auch in Südslowenien

Nachdem Kroatien in der Nacht auf Samstag erneut Tausende Flüchtlinge an die ungarische Grenze gebracht hatte, hat die Regierung in Budapest scharfe Maßnahmen gegen den Nachbarstaat angekündigt. Der designierte Kabinettschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Antal Rogan, erklärte, Ungarn werde den Beitritt des EU-Nachbarn Kroatien zur Schengen-Zone blockieren.

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Nach Angaben der ungarischen Polizei trafen bis Samstagfrüh 7.852 Flüchtlinge aus Kroatien in Ungarn ein. Die Flüchtlinge waren mit Bussen zu den Grenzübergängen Letenye, Beremend und Gyekenyes gebracht worden. Ein Zug transportierte fast 1.000 Flüchtlinge in den ungarischen Grenzbahnhof Magyarboly. Die Regierung in Budapest behauptet, die Aktion sei nicht abgesprochen gewesen.

Das Schengen-Abkommen

Der Schengen-Vertrag wurde 1985 erstmals unterzeichnet, heute gehören 22 der 28 EU-Mitglieder sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein zum Schengen-Raum. Nicht dabei sind Kroatien, Bulgarien, Großbritannien, Irland, Rumänien und Zypern. Bei besonderen Anlässen dürfen vorübergehend nationale Grenzkontrollen durchgeführt werden.

Für diplomatische Verstimmungen zwischen den beiden Staaten sorgte vor allem der in Magyarboly ankommende Zug. Ungarischen Behörden zufolge wurden 40 kroatische Polizisten, die den Zug begleiteten, entwaffnet und die beiden Lokführer festgenommen. Das kroatische Innenministerium reagierte noch am Freitagabend auf die Vorkommnisse: In einigen Medien sei von einer angeblichen Festnahme kroatischer Polizisten in Ungarn die Rede, hieß es in einer Erklärung: „Das kroatische Innenministerium informiert die Öffentlichkeit darüber, dass diese Information falsch ist.“ Laut der Zeitung „Jutarnji List“ konnten die Polizisten nach dem Vorfall rasch wieder nach Kroatien zurückreisen.

Kroatien hält an Transporten fest

Trotz der Spannungen mit Budapest will Kroatien auch weiterhin ankommende Flüchtlinge an die ungarische Grenze transportieren. Ein Abkommen mit Budapest in der Sache gebe es aber nach wie vor nicht, erklärte der kroatische Premier Zoran Milanovic am Samstag. „Wir haben sie mehr oder weniger gezwungen, die Flüchtlinge anzunehmen. Und wir werden das weiter tun“, fügte er hinzu.

Ungarn stellte Zaun zu Kroatien fertig

Ungarn gab unterdessen die Fertigstellung des Stacheldrahtzaunes an der Grenze zu Kroatien bekannt. Dieser riegle seit der Nacht auf Samstag die 41 Kilometer lange Landgrenze zwischen beiden Staaten ab, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die restlichen 330 Kilometer der Grenze werden von der Drau gebildet.

Am Samstag habe Ungarn zudem angefangen, einen Teil der Armeereservisten zu mobilisieren, um mit der „Masseneinwanderungskrise“ fertig zu werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur MTI berichtete. Das sei auf Wunsch des Stabschefs passiert. Die Reservisten sollen vorrangig in Kasernen als Ersatz für reguläre Soldaten eingesetzt werden, die zum Grenzeinsatz abberufen wurden.

6.700 Flüchtlinge in Österreich eingetroffen

Außerdem begann Ungarn damit, Flüchtlinge nach Österreich weiterzuschicken. Im Burgenland seien in der Nacht auf Samstag 6.700 Flüchtlinge angekommen, davon 2.500 Menschen im Bereich Nickelsdorf und 4.200 im Bereich Heiligenkreuz, wie die Polizei bekanntgab. Die Flüchtlinge seien bereits in der Nacht zum Teil weitertransportiert worden - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Slowenien will Flüchtlinge schützen

Slowenien ist indes nach den Worten seiner Botschafterin in Deutschland zur Aufnahme von bis zu 10.000 Flüchtlingen bereit. „Wenn die Flüchtlinge bei uns Asyl beantragen, nehmen wir sie auf und schützen sie“, sagte Marta Kos Marko der „Rheinischen Post“ (Samstag-Ausgabe). Slowenien habe Kapazitäten für „bis zu 10.000 Flüchtlinge“. Wenn mehr Menschen aufgenommen werden sollten, müsse Slowenien aber um europäische Hilfe bitten.

Die slowenische Botschafterin versicherte im Gespräch mit der „Rheinischen Post“, ihr Land werde „nach den Regeln der Abkommen von Schengen und Dublin handeln“. Auch Slowenien habe zu Kriegszeiten „Solidarität erfahren“. Im Jahr 1991 seien Österreich und Italien zur sofortigen Hilfe bereit gewesen. Daher habe ihr Land eine „moralische Pflicht“, nun ebenfalls zu helfen, sagte die slowenische Diplomatin.

Unklarheit über Flüchtlingszahl in Slowenien

Bis Freitagnacht waren in Slowenien laut offiziellen Angaben insgesamt 1.100 Flüchtlinge von der Polizei aufgegriffen worden. Nach ihrer Registrierung seien sie in Aufnahmezentren im ganzen Land verteilt worden, hieß es aus der Polizeibehörde Novo mesto Samstagfrüh.

Wie sich bei einem APA-Lokalaugenschein zeigte, verbrachten in Obrezje bis zu 1.000 Flüchtlinge die Nacht unter freiem Himmel auf einem Lkw-Terminal, wo die Polizei den Eingang in das Land mit Zaun und Bereitschaftspolizei versperrte. Zuvor hatte die Polizeisprecherin Alenka Drenik am Abend die Zahl der Wartenden mit 600 bis 700 Menschen beziffert.

Übergang kurzfristig geschlossen

Der Übergang in Obrezje, der am Freitagabend geschlossen worden war, weil die Flüchtlinge entlang der Autobahn marschierten waren, ist wieder für den Verkehr geöffnet worden. Die Sperre für die Züge aus Kroatien bleibt aber weiterhin aufrecht. Auch am kleinem Grenzübergang Rigonce mussten bis zu 300 Menschen im Freien übernachten, nachdem der aufgestellte Polizeikordon dicht blieb. Laut Augenzeugenberichten protestierten dort Samstagfrüh rund 70 Flüchtlinge dafür, ins Land eingelassen zu werden.

In Rigonce war es Freitagabend zur Eskalation gekommen, als die Polizei Tränengas gegen die demonstrierenden Flüchtlinge und Aktivisten aus Slowenien und Kroatien eingesetzt hatte. Die Polizei erklärte im Nachhinein, dass das Tränengas nicht gegen die Flüchtlinge eingesetzt wurde, sondern gegen gewalttätige Aktivisten, die versucht hätten, die aufgestellten Bereitschaftspolizisten zurückzudrängen. Die Aktivisten hätten die Polizeibeamten mit Stöcken und Plastikflaschen beworfen, hieß es.

EU-Kommission will Kroatien helfen

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bot Kroatien unterdessen Hilfe an zur Bewältigung der Flüchtlingssituation. In einem Telefonat habe Juncker Ministerpräsident Milanovic technische und logistische Unterstützung zugesichert, wie die Brüsseler Behörde am Freitagabend mitteilte. Beide Politiker hätten in dem Gespräch zudem die Notwendigkeit betont, die EU-Außengrenzen besser zu schützen, die Lasten unter den Mitgliedsstaaten gerechter zu verteilen und die EU-Hilfe in den angrenzenden Ländern zu verstärken.

Mazedonien verlängert Ausnahmezustand

Unterdessen verlängerte Mazedoniens Parlament den Ausnahmezustand an der südlichen und der nördlichen Landesgrenze bis Mitte Juni 2016. Innenminister Mitko Cavkov begründete den Regierungsvorschlag mit den Prognosen, dass der Zuzug neuer Flüchtlinge an die mazedonischen Grenzen weiter anhalten dürfte.

Nach Angaben des Innenministeriums passierten allein in den vergangenen drei Monaten rund 83.000 Flüchtlinge den Balkan-Staat, seit Jahresbeginn ganze 300.000. „Wir setzen uns mit einem sehr komplizierten Problem auseinander. Es stellte sich heraus, dass kein einziger Staat die Fähigkeiten hat, es selbst zu meistern,“ meinte Innenminister Cavkov, der Medienberichten zufolge zu einer weltweiten Krisenlösung aufforderte.

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