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Auch Slowenien kontrolliert

Auf der Suche nach Schutz in Europa geraten Flüchtlinge zunehmend im Streit der EU-Länder über eine gerechte Lastenverteilung zwischen die Fronten. Kroatien schloss in der Nacht auf Freitag sieben seiner acht Grenzübergänge zu Serbien, nachdem dort Ungarns vollständige Abschottung zu einem Massenandrang von Flüchtlingen geführt hatte.

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Regierungschef Zoran Milanovic hatte zuvor gesagt, Kroatien wolle die Flüchtlinge nicht aufhalten, die Aufnahmekapazitäten seien aber „begrenzt“. Die Grenzschließung gelte bis auf Weiteres, teilte das Innenministerium in Zagreb in der Nacht auf Freitag mit.

Grenzübergänge zwischen Kroatien und Serbien

Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at

Damit wurde auch der Verkehr am Grenzübergang in Tovarnik gestoppt, an dem die meisten Flüchtlinge in den vergangenen Tagen ins Land gekommen waren. Geschlossen sind des Weiteren die Übergänge Ilok, Ilok 2, Principovac, Principovac 2, Batina und Erdut. Wie Augenzeugen berichten, kann die Maßnahme die Flüchtlinge allerdings nicht aufhalten. Sie bahnten sich laut den Aussagen einen Weg über Felder bei Sid über die Grenze von Serbien nach Kroatien.

11.000 Flüchtlinge kamen seit Mittwoch

Seit Ungarn am Dienstag seine Grenze zu Serbien für Flüchtlinge praktisch geschlossen hatte, wählten viele der aus Syrien und anderen Krisenländern stammenden Menschen die Route über Kroatien, um vorwiegend nach Österreich und Deutschland zu gelangen. Insgesamt seien seit Mittwochfrüh 11.000 Flüchtlinge nach Kroatien gekommen, teilte die Polizei mit. Die Behörden betonten, die Kapazitäten für die Unterbringung der Flüchtlinge seien ausgelastet.

Zuvor hatte Innenminister Ranko Ostojic gedroht, die Grenze zu Serbien zu schließen, sollten noch einmal binnen eines Tages 8.000 Flüchtlinge kommen. „Wir können keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen", so Ostojic. Allen Schutzsuchenden werde von der Grenze zu Serbien die Weiterfahrt zu Registrierungszentren rund um die Hauptstadt Zagreb ermöglicht. Jene Ausländer, die kein Asyl beantragen wollten, würden aber als illegal eingereiste Immigranten angesehen.

Kroatische Polizisten neben Flüchtlingen

APA/EPA

Die meisten Flüchtlinge versuchen über Tovarnik nach Kroatien zu gelangen

Das Schengen-Abkommen

Der Schengen-Vertrag wurde 1985 erstmals unterzeichnet, heute gehören 22 der 28 EU-Mitglieder sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein zum Schengen-Raum. Nicht dabei sind Kroatien, Bulgarien, Großbritannien, Irland, Rumänien und Zypern. Bei besonderen Anlässen dürfen vorübergehend nationale Grenzkontrollen durchgeführt werden.

„Keine unkontrollierte Weiterleitung“

Auf der neuen Route liegt auch das Schengen-Land Slowenien, das nun ebenfalls restriktiver vorgeht. Slowenien stoppte am Donnerstagabend an der Grenze zu Kroatien zunächst einen Zug mit Flüchtlingen und stellte dann den gesamten Bahnverkehr zwischen den beiden Ländern vorübergehend ein. Rund 150 der insgesamt etwa 300 Passagiere des Zuges hätten nicht die notwendigen Papiere für eine Einreise gehabt, sagte ein Sprecher der Grenzpolizei. Laut Medienberichten zeigten sie nur eine Bestätigung der kroatischen Polizei, die ihnen auferlegte, das Land innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Daher sei der Zug am Bahnhof von Dobova gestoppt worden. Sie wurden noch in der Nacht mit einem Sonderzug ins westslowenische Aufnahmelager Postojna gebracht.

Slowenische Grenzpolizisten neben einem Zug mit Flüchtlingen in Dobova

AP/Christian Bruna

In der Nacht wurden die Flüchtlinge in ein Aufnahmelager gebracht

Sloweniens Innenministerin Vesna Gjerkes Znidar hatte zuvor hervorgehoben, dass eine unkontrollierte Weiterleitung von Flüchtlingen gegen EU-Recht verstoße. Die Polizei kündigte zudem die verstärkte Überwachung durch Hubschrauber und Patrouillen an. Derzeit reagieren viele EU-Länder auf die Flüchtlingskrise mit verschärfter Grenzkontrolle. Auch Österreich, Deutschland und die Slowakei hatten kürzlich wieder Grenzkontrollen eingeführt. Polen und die Niederlande erwägen diesen Schritt.

Das Dublin-Abkommen

Das Dublin-Abkommen regelt, welches europäische Land einen Antrag auf Asyl zu prüfen hat und damit auch für die Unterbringung des Asylwerbers sorgen muss. Meist ist der Staat zuständig, in dem der Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt. Es kann aber auch das Land sein, in dem bereits Familienangehörige leben oder für das der Schutzsuchende ein Visum besitzt.

Ungarn verhängt Krisenzustand

Ungarn verhängte inzwischen auch über Regionen an der Grenze zu Kroatien den Krisenzustand. Das ermächtigt die Behörden zu einem besonderen Vorgehen gegen Migranten. Ähnlich war Ungarn auch im Südosten des Landes vorgegangen. Statt sich um die Flüchtlinge zu kümmern und sie zu registrieren, schicke Kroatien die Menschen in Richtung Ungarn und Slowenien, begründete Außenminister Peter Szijjarto die Maßnahme. Die Polizei erklärte, sie habe etwa 200 Flüchtlinge festgenommen, die von Kroatien nach Ungarn gekommen seien.

Orban lässt weiteren Zaun errichten

Nach den Grenzen zu Serbien und Rumänien hat Ungarn zur Abwehr von Flüchtlingen nun auch an seiner Grenze zu Kroatien mit der Errichtung eines Stacheldrahtzauns begonnen. 500 Soldaten hätten in der Nacht mit dem Bau der Absperrung begonnen, so Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag. Er beklagte mangelnde Unterstützung durch die anderen EU-Staaten in der Flüchtlingskrise. „Es scheint, dass wir uns auf niemanden verlassen können“, sagte der rechtsnationalistische Politiker, der in Europa eine besonders unnachgiebige Haltung gegenüber den Flüchtlingen einnimmt.

Faymann zu Besuch in Kroatien und Slowenien

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) besuchte am Donnerstag Kroatien und Slowenien. Gemeinsam mit seinem kroatischen Amtskollegen betonte er, dass die Gesetze und Regeln laut Dublin-Verordnung eingehalten werden müssten. Mit Sloweniens Regierungschef Miro Cerar sprach Faymann über verstärkte Kooperation und Solidarität unter den EU-Staaten.

Faymann besucht Nachbarländer

Die meisten Menschen an der serbisch-kroatischen Grenze wollen nach Deutschland und Österreich. Deshalb war Bundeskanzler Faymann (SPÖ) nach Kroatien und Slowenien gereist.

„Wir können keine humanitären Lösungen mehr zustande bringen, wenn wir nicht an der Wurzel, am Beginn, auch am Beginn unserer Außengrenze, radikale und sofortige Maßnahmen setzen“, so Faymann am Donnerstag. Ihm zufolge bedarf es der Schaffung einer gemeinsamen EU-Außenpolitik, um die Flüchtlingslager in Jordanien, im Libanon und in der Türkei zu finanzieren. Dort müssten materielle Voraussetzungen und menschenwürdige Bedingungen geschaffen werden, damit die Menschen dort auch bleiben könnten.

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