Slowenien will Schengen-Grenze schützen
Nach der Schließung der ungarisch-serbischen Grenze wächst die Zahl der Flüchtlinge in Kroatien. Tausende Menschen hätten am Donnerstag versucht, in der kroatischen Grenzstadt Tovarnik Züge in Richtung der Hauptstadt Zagreb zu besteigen, teilte das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) mit. Österreich, Slowenien und Kroatien vereinbarten indes eine stärkere Zusammenarbeit zur Bewältigung der Situation.
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Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein kroatischer Amtskollege Zoran Milanovic vereinbarten in Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik bei einem Treffen Donnerstagfrüh in Zagreb eine „enge Zusammenarbeit der beiden Länder in der aktuellen Herausforderung“. Das Gespräch zwischen Faymann und Milanovic habe über eine Stunde gedauert und sei „sehr konstruktiv“ gewesen, sagte eine Sprecherin Faymanns.

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Faymann bei seinem kroatischen Amtskollegen Milanovic
Beide Regierungschefs betonten, dass die Gesetze und Regeln laut Dublin-Verordnung eingehalten werden müssten. Die Flüchtlingsfrage sei eine gesamteuropäische Herausforderung, die nicht nur einzelne Länder etwas angehe. Keine klare Aussage gab es in Bezug auf mögliche Korridore, auf denen Flüchtlinge sicher nach Norden reisen könnten. Diese Idee war am Mittwoch von den Innenministern Kroatiens und Sloweniens, Ranko Ostojic und Vesna Györkös Znidar, ins Spiel gebracht worden. Znidar hatte ein solches Vorhaben allerdings noch am Abend dementiert.
Slowenischer Premier für europäische Lösung
Nach seinem Besuch in Zagreb reiste Faymann zu einem Treffen mit Sloweniens Regierungschef Miro Cerar nach Ljubljana weiter. Die beiden Regierungschefs plädierten für verstärkte Kooperation und Solidarität unter den EU-Staaten, hieß es nach der Zusammenkunft in einem Statement vor Journalisten. „Wir müssen in der EU manche wachrütteln“, sagte Faymann. Nicht nur jene Länder, die sich auf der Flüchtlingsroute befinden, sondern alle EU-Länder seien gefordert, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, betonte der Bundeskanzler.
„Wir können keine humanitären Lösungen mehr zustande bringen, wenn wir nicht an der Wurzel, am Beginn, auch am Beginn unserer Außengrenze radikale und sofortige Maßnahmen setzen“, sagte Faymann. Ihm zufolge bedarf es der Schaffung einer gemeinsamen EU-Außenpolitik, um die Flüchtlingslager in Jordanien, im Libanon und in der Türkei zu finanzieren. Dort müssten materielle Voraussetzungen und menschenwürdige Bedingungen geschaffen werden, damit die Menschen dort auch bleiben könnten.
Faymann: EU-Regeln sind einzuhalten
Die EU müsse es zudem schaffen, gemeinsam die Außengrenze in Griechenland zu schützen und gleichzeitig das Asylrecht zu respektieren. Das heißt laut Faymann, „Hotspots“ einzurichten. Die Aktivitäten müssten unmittelbar beginnen, forderte der Bundeskanzler und setzte sich wieder für einen EU-Sondergipfel in der kommenden Woche zur Flüchtlingskrise ein.
Die EU-Regeln (Schengen-, Dublin-Verordnung) seien einzuhalten, mahnte der Bundeskanzler. „Wir können kein Regelwerk über Bord werfen, bevor wir ein neues haben, müssen uns aber ehrlich eingestehen, dass wir ein neues brauchen.“ Von seinem slowenischen Amtskollegen bekam Faymann die Zusicherung, dass Slowenien, das sich auf einen möglichen Anstieg an Einreisen von Flüchtlingen vorbereitet, die Regeln einhalten werde. „Slowenien ist verpflichtet, die Schengen-Außengrenze zu schützen“, sagte Cerar. Die slowenisch-kroatische Grenze ist Schengen-Grenze.
Immer mehr Ankünfte in Kroatien
In Tovarnik zehn Kilometer von der serbischen Grenze entfernt kommen unterdessen weitere Flüchtlinge an. „Hier sind zwischen 4.000 und 5.000 Menschen“, sagte UNHCR-Sprecher Jan Kapic auf dem Bahnhof von Tovarnik. Die Menschen versuchten, mit der Bahn Richtung Zagreb zu gelangen. Zwar kämen Züge an, doch könnten diese nicht alle Flüchtlinge mitnehmen. In der Früh war ein Sonderzug mit 800 Flüchtlingen aus Tovarnik in Dugo Selo bei Zagreb eingetroffen, wo die Menschen in ein Aufnahmezentrum gebracht wurden.

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Dugo Selo bei Zagreb: Nach der Ankunft mit dem Zug wurden die Flüchtlinge mit Bussen in ein Aufnahmezentrum gebracht
Insgesamt seien bis Donnerstagvormittag 6.200 Menschen in Kroatien eingetroffen, erklärte das Innenministerium auf seiner Homepage. Gesundheitsministerin Sinisa Varga sagte, laut inoffiziellen Schätzungen könnten in den kommenden Tagen bis zu 20.000 weitere Personen in Kroatien eintreffen.
„Weiß nicht, ob wir alle registrieren können“
In der kroatischen Regierung mehren sich die Stimmen, die eine Zuspitzung der Lage befürchten, sollte die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen. Noch seien die für die Flüchtlingsbetreuung vorgesehenen Vorratslager gut bestückt, bestätigte Wirtschaftsminister Ivan Vrdoljak. Seitens der Regierung wurde allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch Container als provisorische Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden könnten, die bereits im Vorjahr bei der Hochwasserkatastrophe in Kroatien zum Einsatz gekommen waren.
Die kroatische Außenministerin Vesna Pusic hatte bereits Mittwochabend dem Fernsehsender HRT gesagt, ihr Land sei auf die Ankunft von Flüchtlingen vorbereitet, könne aber nicht garantieren, dass es einer sich stark erhöhenden Zahl von Ankömmlingen gewachsen sei.
„Ich weiß nicht, ob wir alle Menschen werden registrieren können“, sagte auch Premier Milanovic nach seinem Treffen mit Faymann. Die ankommenden Menschen würden aber ohnehin nicht in Kroatien bleiben wollen. „Wir sind ein Transitland für sie, werden sie aber sicher besser behandeln als andere Länder“, sagte der Sozialdemokrat nach Angaben der kroatischen Agentur HINA. Dass die Kapazitäten „begrenzt“ seien, gelte auch für Österreich, unterstrich Milanovic, „das aber größer und sehr reich ist“.
Grünes Licht für Grenzkontrollen in Slowenien
Unterdessen gab die EU-Kommission grünes Licht für die von Slowenien eingeführten Grenzkontrollen zu Ungarn. Slowenien habe solche Kontrollen offiziell für zehn Tage beantragt, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Slowenien ist nach Deutschland und Österreich das dritte EU-Land, das wegen der Flüchtlingskrise temporäre Grenzkontrollen nach dem Schengen-Kodex eingeführt hat.
Zugsverbindung zu Ungarn wiederaufgenommen
In Ungarn beruhigte sich die Lage weiter. An der Grenze zwischen der serbischen Stadt Horgos und der ungarischen Stadt Röszke, wo es am Mittwoch zu schweren Ausschreitungen zwischen der Polizei und Flüchtlingen gekommen war, warteten Donnerstagvormittag noch etwa 400 Migranten.
Aufgrund der Verbesserung der Situation werden die ÖBB schon am Donnerstag wieder den Bahnverkehr Richtung Ungarn aufnehmen. Die Verbindung nach Ungarn war aufgrund der großen Überlastung genau vor einer Woche eingestellt worden. Ab Donnerstagnachmittag fahren die railjets auf der Strecke Wien - Budapest, Eurocity-Züge und Nachtzüge sowie grenzüberschreitende Regionalzüge wieder planmäßig. Eingestellt bleibt weiterhin der Nahverkehr. Die Verbindung zwischen den Bahnhöfen Wien und Bruck an der Leitha - Nickelsdorf - Hegyeshalom wird es ab Freitag um 5.00 Uhr wieder geben.
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