Tausend wurden zurückgedrängt
Zum zweiten Mal ist es am Mittwochnachmittag Flüchtlingen am serbischen Grenzübergang Horgos 2 in der Nähe von Röszke gelungen, nach Ungarn vorzudringen. Wie die Presseagentur Tanjug meldete, hätten sich ungarische Polizisten etwa 50 Meter von der Grenzlinie zurückgezogen, woraufhin Flüchtlinge die Grenze überquerten. Laut ungarischer Nachrichtenagentur MTI wurden etwa tausend Flüchtlinge nach Serbien zurückgedrängt.
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Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen die Flüchtlinge ein. Diese hatten die Polizisten mit Steinen und Holzstücken beworfen. Während des Rückzugs der Polizei wurden mehrere Flüchtlinge und Polizisten verletzt. Laut Angaben der Agentur Reuters fuhren ungarische Militärjeeps an der Grenze vor. Auf ihnen sind Reuters-Augenzeugen zufolge Waffen installiert. Hubschrauber kreisten den Angabe zufolge über der Grenze. Die Migranten fordern seit Dienstag, Ungarn solle die Grenze wieder öffnen.

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Die ungarische Polizei setzte Wasserwerfer über die Grenze zu Serbien hinweg ein
Serbien sieht Grenzverletzung durch Ungarn
Serbiens Arbeitsminister Aleksandar Vulin hatte am Nachmittag die Vorgangsweise der ungarischen Polizei gegen Flüchtlinge am Grenzübergang Horgos 2 heftig kritisiert. Wasserkanonen und Tränengas seien gegen Flüchtlinge auf dem Gebiet Serbiens über die Grenzlinie hinaus eingesetzt worden. Kein Staat habe das Recht darauf, meinte Vulin.

Reuters/Stoyan Nenov
Auch Tränengas kam zum Einsatz
Serbien habe schon zuvor gewarnt, dass solche Situationen angesichts der großen Flüchtlingszahlen im engen Raum möglich seien. „Die Situation, in welcher Flüchtlinge nicht einmal in der Lage sind, um Asyl zu ersuchen, wird nur Probleme schaffen“, so Vulin. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich schockiert über die Entwicklungen an der ungarisch-serbischen Grenze. Es sei nicht hinnehmbar, wie die Flüchtlinge behandelt würden, sagte er.
Serbisches TV-Team verprügelt
Belgrader Medienberichten zufolge wurde am Nachmittag auch ein Team des serbischen staatlichen TV-Senders RTS von ungarischen Polizisten verprügelt. Dabei hätten drei Mitglieder des Teams die ungarischen Polizisten wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass sie Mitarbeiter des serbischen TV-Senders wären.

APA/AP/Darko Vojinovic
Tausende wollen über die ungarische Grenze: Sie skandierten „öffnen, öffnen“
Etwa 20 serbische Polizisten wurden gegen 17.30 Uhr am Grenzübergang Horgos 2 eingesetzt. Zuvor hatten mehrere hundert Flüchtlinge zweimal den Grenzzaun durchbrochen und sind in ungarisches Gebiet vorgedrungen. Von ungarischer Polizei wurden wiederholt Tränengas und Wasserkanonen eingesetzt.
Beifall für serbischen Minister
Die Ankunft von serbischen Polizisten sei von Flüchtlingen mit Beifall begrüßt worden, berichtete ein Reporter der Tanjug am Grenzübergang. Arbeitsminister Vulin war am späten Nachmittag bemüht, weitere Auseinandersetzungen von Flüchtlingen mit der ungarischen Polizei zu verhindern, berichtete die Presseagentur. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto hatte in einem Telefonat mit dem serbischen Amtskollegen Ivica Dacic am Nachmittag ein Eingreifen der serbischen Polizei am Grenzübergang verlangt.
Lage beruhigte sich am Abend
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet in Serbien am Grenzübergang Horgos, warum viele Menschen über diesen Grenzübergang wollen. Die Lage hat sich unterdessen beruhigt.
Am Abend beruhigte sich offenbar die Lage, wie ORF-Korrespondent Christian Wehrschutz in der ZIB sagte. Die Flüchtlinge stiegen in Busse, die sie vorerst in serbische Auffanglager bringen sollten. Ihre Hoffnung, in den Westen zu gelangen, ist jetzt die Überquerung der Grenze zu Kroatien.
Grenzübergang soll 30 Tage geschlossen bleiben
Der ungarische Innenminister Sandor Pinter verfügte die Schließung der beiden Grenzübergänge bei Röszke für 30 Tage. Die Ausschreitungen ereigneten sich beim Grenzübergang an der alten Landstraße, die von Serbien nach Ungarn führt. Von der Schließung betroffen ist aber auch der nahe Grenzübergang an der Autobahn, die Belgrad und Budapest miteinander verbindet.
Die serbischen Behörden wurden darüber am Mittwochnachmittag durch eine diplomatische Note Ungarns informiert, teilte das Belgrader Außenministerium mit. Die Entscheidung der ungarischen Behörden stützt sich demnach auf ein bilaterales Abkommen über den Straßen-, Eisenbahn- und Flussverkehr. Die Entscheidung sei mit der Entgegennahme der diplomatischen Note in Kraft getreten, hieß es ferner.
Kroatien gibt sich offen
Die EU-Länder Kroatien und Slowenien stellen sich indes auf die Durchreise Tausender Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens ein. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic kündigte am Mittwoch in Zagreb an, dass aus Serbien einreisende Migranten sein Land passieren dürften. Sollte es notwendig werden, werde in Absprache mit Slowenien ein Korridor in Richtung Österreich eingerichtet, erklärte der kroatische Innenminister Ranko Ostojic.
Milanovic erklärte im Parlament, die Menschen, die sein Land erreichten, könnten durchreisen. „Diese Leute sind da, es sind Frauen, Kinder und Männer, die leben und etwas erreichen wollen.“ Es seien jedoch Menschen, die nicht in Kroatien leben wollten. Schon am Mittwochvormittag griff die kroatische Polizei Hunderte Migranten auf.
Slowenien: Kein Korridor
Slowenien plant doch keine Flüchtlingskorridore nach Westen. Innenministerin Vesna Györkös Znidar hat am Mittwochabend ein solches Vorhaben dementiert. „Das würde gegen EU-Recht verstoßen“, sagte sie bei einer Pressekonferenz. Hingegen macht Ljubljana die Grenzen noch dichter, ab Mitternacht werden an der Grenze zu Ungarn vorläufig Grenzkontrollen eingeführt.
Die Idee von Korridoren, die zuvor ihr kroatischer Amtskollege in Aussicht stellte, ist laut der Ministerin „absolut inakzeptabel“. „Auch Kroatien ist EU-Mitglied. Slowenien wird seine Verpflichtungen aus dem EU-Recht einhalten. Wir erwarten das Gleiche von Kroatien“, betonte Györkös Znidar. Sie bezog sich damit an die Ankündigungen Zagrebs, einem Teil der Flüchtlinge den gewünschten Weg nach Westen zu ermöglichen.
Bis zu fünf Jahre Gefängnis
Ungarische Behörden hatten in der Nacht auf Dienstag die Grenze zu Serbien gesperrt. Das Überqueren oder Beschädigen des 175 Kilometer langen Grenzzauns zu Serbien ist in Ungarn seit Dienstag eine Straftat. Wer es versucht, kann zu drei bis fünf Jahren Gefängnis verurteilt oder des Landes verwiesen werden. Haftstrafen sind aber in keinem Fall im Land zu verbüßen, der Verurteilte wird in diesem Fall umgehend aus Ungarn abgeschoben.

APA/AP/Darko Vojinovic
Die Polizei setzt Tränengas ein
In der südungarischen Grenzstadt Szeged wurden deshalb 35 Strafverfahren eingeleitet. Im ersten Fall dieser Art wurde am Mittwoch das Urteil gefällt. Ein Iraker wurde nach 80-minütiger Verhandlung für ein Jahr des Landes verwiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, weil der Mann auf Berufung verzichtete.
Neuer Zaun zu Kroatien und Rumänien
Ungarn kündigte unterdessen einen Zaun auch an bestimmten Stellen der Grenze zu Kroatien an. Das sagte Ministerpräsident Viktor Orban in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“. Nur zwei Tage nach der Fertigstellung des Grenzzauns zu Serbien begann Ungarn mit dem Bau eines Zauns an der Grenze zu Rumänien.
Am Mittwoch wurde bereits mit Vorbereitungsarbeiten an der Grenze im Dreiländereck Ungarn - Serbien - Rumänien bei Kübekhaza begonnen, berichtet die ungarische Nachrichtenagentur MTI. Dazu wird die Trasse des geplanten Zauns mit Holzpflöcken markiert. Der Bereich, wo die Arbeiten durchgeführt wurden, wurde von Polizei und Soldaten beaufsichtigt.
Der Zaun zu Rumänien soll eine Fortsetzung des 175 Kilometer langen Eisenzauns an der ungarisch-serbischen Grenze werden. Rumänien hat die Pläne zum Bau eines Grenzzauns bereits im Vorfeld kritisiert. Nachdem Ungarn die Grenze zu Serbien Anfang der Woche de facto abgeriegelt hat, befürchtet Budapest, die Flüchtlinge könnten ihre Route auf die rumänische Grenze verlagern.
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