Lager in Röszke „so gut wie leer“
Nach Deutschland reagiert nun auch Österreich auf die laufende Flüchtlingskrise mit der Wiedereinführung von „temporären Grenzkontrollen“. In den vergangenen Tagen kamen an den österreichisch-ungarischen Grenzorten immer neue Höchstzahlen an Flüchtlingen an. Allein am Montag werden erneut Tausende offenbar von Ungarn mit Sonderzügen direkt zur Grenze gebrachte Flüchtlinge erwartet.
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Nach Angaben des UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) habe Ungarn ganz offensichtlich damit begonnen, die von Serbien kommenden Flüchtlinge nicht mehr zu registrieren, sondern direkt in Zügen zur österreichischen Grenze zu bringen. „Nach unseren Informationen bringen Spezialzüge die Flüchtlinge vom Grenzort Röszke direkt und ohne Halt zur österreichischen Grenze“, sagte Erno Simon, der Repräsentant des UNHCR für Zentraleuropa, am Montag laut AFP.

Reuters/Dado Ruvic
Flüchtlinge werden per Bus von Röszke abtransportiert
Bereits am Sonntag hätten UNHCR-Mitarbeiter drei dieser Züge mit mindestens 2.000 Passagieren beobachtet. Ungarische Polizisten hätten den Angaben zufolge Flüchtlinge in der Nacht aufgeweckt, um sie auf die Reise Richtung Österreich zu schicken. AFP- und Reuters-Reporter beobachteten, dass im Erstaufnahmelager Röszke, in dem sich in den vergangenen Tagen und Wochen Tausende Flüchtlinge versammelt hatten, am späten Vormittag kaum noch Menschen zu sehen waren. Auch ORF-Korrespondent Jürgen Pettinger bestätigte gegenüber der ZIB die Angaben. Einem ungarischen Regierungssprecher zufolge sollen die Flüchtlinge allerdings doch im Land registriert werden. Das solle nun aber an anderen Orten geschehen, um die Behörden im Süden zu entlasten.
Schaltung zu Jürgen Pettinger in Röszke
Jürgen Pettinger berichtet für den ORF aus Röszke. Er beobachtet, ob und wie viele Flüchtlinge versuchen, noch irgendwie den Zaun zu überqueren.
Dutzende Busse in Szentgotthard
Laut dem ungarischen Nachrichtenportal 444.hu sind in der Nacht zum Montag allein im ungarischen Grenzort Szentgotthard 35 Busse mit Flüchtlingen in Polizeibegleitung direkt von der serbischen Grenze eingetroffen. Von dort seien alle Flüchtlinge schließlich ungehindert zu Fuß nach Heiligenkreuz gegangen. Ein neues Flüchtlingszeltlager in Szentgotthard mit 600 Plätzen sei den Angaben zufolge ungenutzt geblieben.
Aktivistin: Tausende nach Hegyeshalom gebracht
Aktuell sei das Sammellager direkt hinter den Bahngleisen zwischen Serbien und Ungarn, „so gut wie leer“, sagte unterdessen Zsuzsanna Zsohar von der Hilfsorganisation Migration Aid. Ihren Angaben zufolge haben ungarische Behörden bisher rund 8.000 Flüchtlinge direkt von der Südgrenze nach Hegyeshalom nahe der österreichischen Grenze gebracht. „Die Polizei hat alle drei Lager in Röszke geräumt und die Menschen mit Bussen und Sonderzügen an die österreichische Grenze transportiert“, sagte Zsohar am Montag laut APA.
Schaltung zu Christian Wehrschütz
Gespräch mit Christian Wehrschütz, der sich auf der serbischen Seite des Zauns, in Horgosch, befindet.
Letzte Lücke geschlossen
Die ungarische Polizei schloss an der Grenze zu Serbien unterdessen den bisherigen Hauptübergang für Flüchtlinge. Wie AFP-Reporter beobachteten, schlossen Beamte eine Lücke in dem zuvor errichteten Grenzzaun. Weitere Polizisten bewachten demnach die angrenzenden Gleise, über die in den vergangenen Tagen zahlreiche Flüchtlinge die Grenze übertreten hatten.

APA/EPA/Zoltan Gergely Kelemen
Flüchtlinge beim Besteigen eines Sonderzuges
Laut ungarischen Medienberichten plant die Regierung nun offenbar doch nicht, die Lücke mit einem großen Metalltor zu verschließen. Stattdessen solle ein großer, mit NATO-Draht verstärkter Güterwagen auf die Gleise geschoben werden, berichtet das Onlineportal Index.hu. In ungarischen Medien verbreitete sich unterdessen das Gerücht, die Züge könnten die Flüchtlinge einmal mehr nicht an die österreichische Grenze, sondern in das Lager Vamosszabadi bei Györ bringen. Bereits vor rund zwei Wochen waren Flüchtlinge auf dem Budapester Ostbahnhof in Züge gestiegen, von denen sie glaubten, sie würden sie nach Deutschland bringen. Tatsächlich wurden die Garnituren bald gestoppt und die Menschen in Lager gebracht.

Reuters/Laszlo Balogh
Per Güterwaggon soll offenbar eine noch offene Lücke am ungarischen Grenzzaun verschlossen werden
Luftraum gesperrt
Am Montag wurde von Ungarn indes der Luftraum entlang der serbischen Grenze in einem 20 Kilometer breiten Korridor bis zu einer Höhe von 1.350 Metern gesperrt. Der internationale Flugreiseverkehr sei nicht betroffen, teilte die Nationale Verkehrsbehörde mit. Die Maßnahme solle es Polizei, Militär und Sanitätern ermöglichen, den Luftraum zu nutzen, um ihren Aufgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise nachzukommen.
Verschärfte Gesetze seit Dienstag in Kraft
Die EU-Außengrenze zwischen Serbien und Ungarn ist einer der Brennpunkte der laufenden Flüchtlingskrise. Mehr als 180.000 Flüchtlinge kamen in diesem Jahr über Griechenland und die westlichen Balkan-Staaten nach Ungarn, um von dort vielfach nach Deutschland weiterzureisen. Kurz vor der Verschärfung der Regelungen hat sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge stark erhöht, ging am Montag aber vorübergehend zurück, wie Aktivisten berichteten. Am Sonntag registrierten die ungarischen Behörden die Höchstzahl von 5.809 Ankömmlingen.
Am Dienstag ist in Ungarn eine verschärfte Gesetzgebung in Kraft getreten, die das illegale Überschreiten der Grenze mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Ungarn errichtete zudem in den vergangenen Wochen einen Stacheldrahtzaun an seiner Grenze zu Serbien, um die Flüchtlinge abzuhalten. Bereits am Montag kündigte die ungarische Polizei verschärfte Kontrollen im gesamten Land an - offiziell „um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Kriminalität zu bekämpfen“.
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