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Andrang kaum abzuschätzen

Der Andrang der Flüchtlinge an der österreichischen Grenze wird immer größer. In Heiligenkreuz im Südburgenland droht die Lage an der ungarischen Grenze laut Angaben der österreichischen Polizei inzwischen zu eskalieren. „Wir rechnen heute mit fünf- bis zehntausend Leuten“, so Polizeisprecher Gerald Koller Montagfrüh zur APA.

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In Heiligenkreuz habe die Polizei mittlerweile Tretgitter aufgestellt, „es gibt momentan kein Weiter für die Leute, weil wir einfach keine Ressourcen haben“, schilderte Koller. Deshalb könne man die Menschen vorerst nicht mehr hereinlassen.

ORF-Reporter Renner zur Lage in Nickelsdorf

ORF-Korrespondent Renner berichtet aus Nickelsdorf von der Lage.

Doch die Flüchtlinge ließen sich nicht aufhalten: „Die gehen teilweise links und rechts vorbei. Die Situation eskaliert schon teilweise.“ Mittlerweile seien 120 Polizisten an Ort und Stelle, darunter Beamte aus Tirol und der Steiermark. Der Montag werde für die Exekutive und die Hilfskräfte ein sehr herausfordernder Tag, sagte der stellvertretenden Landespolizeidirektor Christian Stella. „Wir rechnen heute für das gesamte Burgenland mit etwa 20.000 Flüchtlingen.“

Ungarische Grenzpolitik als Auslöser

Am Sonntag kamen bis zum Abend 15.000 Menschen nach Nickelsdorf, Montagfrüh kamen 4.500 an - mehr dazu burgenland.ORF.at. Nicht bestätigten Informationen zufolge wurde das ungarische Lager Röszke geräumt, bis zu 60.000 Menschen seien auf dem Weg nach Nickelsdorf beziehungsweise Heiligenkreuz. Ab Mitternacht wird Ungarn seine Grenzen zu Serbien dicht machen. Die Zahl der nach Ungarn kommenden Flüchtlinge hat einen neuen Höchstwert erreicht. Am Sonntag seien 5.809 Menschen und damit so viele wie noch nie an einem Tag ins Land gekommen, teilte die ungarische Polizei am Montag mit. Die vorherige Höchstzahl war erst am Samstag mit 4.330 Neuankömmlingen erreicht worden.

In Salzburg erkundigten sich Flüchtlinge, wann sie weiterreisen können. Viele haben die Nacht in einem Notquartier in der Bahnhoftiefgarage verbracht - mehr dazu in salzburg.ORF.at. Rund 5.500 Flüchtlinge übernachteten in Notquartieren in Wien, 800 davon schliefen auf dem West- und auf dem Hauptbahnhof - wien.ORF.at.

Zugsverbindung nach Deutschland wieder offen

Nach der Unterbrechung des Zugsverkehrs zwischen Deutschland und Österreich ist der Betrieb Montagfrüh wieder aufgenommen worden. Die Züge seien ab 7.00 Uhr wieder gefahren, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn (DB) der Nachrichtenagentur AFP.Auf Weisung der Bundesbehörden sei der Zugsverkehr zwischen 19.00 Uhr am Sonntagabend und 7.00 Uhr Montagfrüh unterbrochen gewesen, sagte der Sprecher weiter.

Der Güterverkehr sei von 18.00 bis etwa 22.30 Uhr am Sonntag ausgesetzt gewesen. Mit Verzögerungen im Zugsverkehr war dem Sprecher zufolge zunächst nicht zu rechnen. Es sei davon auszugehen, dass der Verkehr planmäßig laufe, hieß es.

Eindrücke aus Nickelsdorf

APA/Herbert P. Oczeret

In Nickelsdorf kamen allein am Sonntag rund 15.000 Flüchtlinge über die Grenze

Vorübergehend wieder Grenzkontrollen

In den vergangenen Tagen waren Tausende Flüchtlinge mit Zügen von Österreich nach Deutschland gelangt und hatten vor allem München an den Rand der Aufnahmekapazitäten gebracht. Auch am Wochenende kamen wieder Tausende Flüchtlinge mit Zügen aus Österreich in München an. Wegen des großen Andrangs von Flüchtlingen am Sonntag vollzog die deutsche Regierung am Sonntag einen drastischen Kurswechsel und setzte das Schengen-Abkommen vorübergehend außer Kraft. Laut EU-Kommission ist die Vorgehensweisen regelkonform - offen ist derzeit noch, wie lange es an der deutsch-österreichischen Grenze nun wieder Kontrollen gibt, und offen sind damit auch die Auswirkungen für Österreich.

Kontrollen am Grenzübergang von Salzburg nach Freilassing

APA/Franz Neumayr

Grenzkontrollen in der Nacht auf Montag bei Freilassing

Die deutsche Polizei hat sich nach eigenen Angaben bereits auf einen längeren Einsatz eingestellt. Für die Aufgabe würden nun mehrere hundert Beamte abgestellt, sagte ein Sprecher am Sonntagabend. „Wir haben uns darauf eingestellt, diese Maßnahme nach einer Phase des Aufwachsens über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten“, hieß es in einer Erklärung des deutschen Bundespolizeipräsidiums weiter.

„Es kann nicht mehr jeder kommen“

Laut ORF-Reporter Andreas Jölli will die Regierung in Berlin mit den nun getroffenen Maßnahmen auch sagen: „Es kann nicht mehr jeder nach Deutschland kommen.“

Über 19.000 kamen nach München

Über das gesamte Wochenende kamen rund 19.100 Flüchtlinge in München an. Am Sonntag hätten 7.100 Flüchtlinge die bayrische Landeshauptstadt erreicht, teilte eine Sprecherin der Regierung von Oberbayern Montagfrüh mit. Wie sich die am Sonntag wiedereingeführten Grenzkontrollen auf die Zahlen auswirken werden, sei noch unklar. Behörden und Helfer seien nach wie vor vorbereitet.

Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte am Sonntag angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen über Österreich die vorübergehende Einführung der Grenzkontrollen offiziell angekündigt und damit entsprechende Medienberichte bestätigt.

Eindrücke vom Salzburger Bahnhof

APA/Barbara Gindl

Am Sonntag wurde auch der Zugsverkehr nach Deutschland eingestellt

Die Grenzkontrollen sollen auch nach Worten von de Maiziere „eine Weile“ dauern. Einen genauen Zeitrahmen blieb der deutsche Innenminister schuldig: „Das wäre nicht gut, wenn wir vorher sagen würden, wie lange das geht“, sagte De Maiziere gegenüber der ARD.

„Grenzen der Belastbarkeit erreicht“

Die Einführung der Grenzkontrollen werde aber nicht alle Probleme lösen, so De Maziere weiter, der gleichzeitig auf die Einhaltung des zuletzt umstrittenen Dublin-Asylsystems pochte. Die Dublin-Regeln „gelten unverändert fort“, so De Maiziere. „Nach geltendem Recht ist Deutschland für den größten Teil der Schutzsuchenden nicht zuständig.“ Das gelte auch nach Einführung eines EU-weiten „Verteilsystems“ für Flüchtlinge.

Die Hilfsbereitschaft dürfe nicht überstrapaziert und die Lasten müssten solidarisch verteilt werden. Hintergrund der nun gesetzten Maßnahmen ist die zuletzt stark gestiegene Zahl der via Österreich in München neu angekommenen Flüchtlinge. Die wieder eingeführten Grenzkontrollen in Bayern werden nach Einschätzung des bayrischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) geraume Zeit anhalten. „Wochen mindestens“, sagte Herrmann am Montag im Bayerischen Rundfunk.

Ausweichroute über Kroatien und Slowenien

Laut Hans Peter Doskozil, Landespolizeidirektor Burgenland, könnte eine neue Route künftig über Kroatien und Slowenien bzw. Bulgarien und die Slowakei nach Österreich führen.

Neue Routen erwartet

Wenn Österreich an seiner Grenze zu Ungarn ad hoc restriktive Kontrollen einführte, würden aus seiner Sicht Tausende Flüchtlinge „flächig über die grüne Grenze“ in die Ortschaften des Bezirks Neusiedl/See kommen und müssten dort versorgt werden, und das sei „eine Situation, die wir uns nicht wünschen“, wie Hans Peter Doskozil, Landespolizeidirektor Burgenland gegenüber der Sonntagabend-ZIB sagte.

Infolge der geplanten Sperre der ungarisch-serbischen Grenze durch Ungarn werde die Strecke über Budapest und Györ nach Österreich laut Doskozil zudem wohl nicht in der bisherigen Intensität genutzt werden. Dann sei davon auszugehen, dass die Flüchtlinge auf die Route via Kroatien und Slowenien sowie die Route über Bulgarien und die Slowakei ausweichen, um schließlich über Österreich nach Deutschland zu gelangen.

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