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USA gar nicht erfreut

Russland hat erstmals den Einsatz eigener Soldaten in Syrien bestätigt. Die Experten leisteten für Waffenlieferungen Hilfe, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Mittwoch in Moskau. Die Lieferungen seien für den Kampf gegen den Terrorismus bestimmt.

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Spekulationen und Berichte über eine verstärkte russische Präsenz in dem Bürgerkriegsland gab es seit Wochen. Die USA hatten Russland zuletzt vor einer militärischen Intervention in Syrien gewarnt. Russland ist ein enger Verbündeter des Regimes von Staatschef Baschar al-Assad, der im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und andere Rebellen zunehmend in die Defensive gerät.

USA: Russland plant Flugeinsatzzentrale

Die verstärkten Aktivitäten Russlands in Syrien stoßen in den USA indes seit geraumer Zeit auf große Skepsis. Doch der Konflikt des Weißen Hauses mit dem Kreml verstärkt sich. Die USA hatten erst am Dienstag nach eigenen Angaben weitere Hinweise auf ein direktes militärisches Eingreifen Russlands in den syrischen Bürgerkrieg bekanntgegeben. In den vergangenen Tagen seien mindestens drei russische Militärflugzeuge in Syrien gelandet, sagten mehrere US-Regierungsvertreter, die nicht namentlich genannt werden wollten, der Nachrichtenagentur AFP.

Zwei Maschinen vom Typ Antonow-124 Condor sowie eine Passagiermaschine seien auf einem Flughafen in der Region Latakia an der syrischen Mittelmeer-Küste gelandet, führte einer der Regierungsvertreter aus. Die Russen errichteten auf dem Flughafen im Nordwesten des Landes Fertigbauunterkünfte, die „Hunderten“ Menschen Platz böten. Außerdem hätten sie tragbare Ausrüstung für die Luftraumkontrolle mitgebracht.

Kerry warnt Russland

„All das legt nahe, dass Russland plant, von diesem Flugfeld aus eine Art Flugeinsatzzentrale zu betreiben“, sagte der Regierungsvertreter gegenüber der AFP. Die Angaben bestätigten einen Bericht der „New York Times“ von vergangener Woche. Moskau dementierte indes.

US-Außenminister John Kerry drückte nach Angaben seines Ministeriums am Mittwoch gegenüber seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow Besorgnis über die Berichte über militärische Aktivitäten Russlands in Syrien aus. Sollten die Berichte stimmen, wäre das nicht sehr hilfreich und würde zu noch mehr Gewalt in der Region beitragen, so Kerry. Auch das Weiße Haus zeigte sich „tief besorgt“ über die neue Entwicklung. Man begrüße das Engagement gegen den IS, so Sprecher von US-Präsident Barack Obama. Allerdings wäre es skrupellos, das Assad-Regime zu unterstützen.

Bulgarien verbot auf US-Bitte Überflüge

Die USA bombardieren gemeinsam mit anderen Staaten IS-Ziele in dem Land, verzichten dabei nach eigenen Angaben aber auf eine Zusammenarbeit mit der Regierung in Damaskus. In dieser Woche hatte die US-Regierung die NATO-Länder Griechenland und Bulgarien gebeten, russischen Maschinen mit dem Ziel Syrien Überflugsrechte zu verweigern, und damit für diplomatische Querelen mit Moskau gesorgt. Sofia hatte Flüge mit dem Hinweis untersagt, es zweifle an dem von Moskau angegebenen humanitären Zweck der Mission.

Russland verlangte eine Erklärung von dem EU-Land. Wenn Russlands Partner irgendwelche Zweifel hätten, sollten sie diese offen ansprechen, sagte Vizeaußenminister Michail Bogdanow nach Angaben der Agentur Interfax. Der Außenpolitiker Leonid Kalaschnikow drohte Bulgarien mit Gegenmaßnahmen.

Moskau spricht von „Hysterie“

Nach der Sperrung des bulgarischen Luftraums will nun Moskau Maschinen über den Iran nach Syrien schicken. Die Führung in Teheran habe zugesagt, Transporte nicht zu behindern, sagte der Diplomat Maxim Suslow von der russischen Botschaft in Teheran am Mittwoch gegenüber Interfax. Auch aus Griechenland liege eine Erlaubnis vor, hieß es in Moskau.

Das Außenministerium in Moskau betonte erneut, Russland habe seine Militärhilfe für die syrische Führung nie verheimlicht. „Wir liefern seit langem Technik, und das auf Grundlage bilateraler Verträge und des Völkerrechts. Es gibt in Syrien auch russische Militärexperten, die den Syrern helfen, mit der Technik umzugehen“, sagte Sprecherin Maria Sacharowa. Die „Hysterie“ über die Anwesenheit russischer Soldaten in dem Bürgerkriegsland sei ihr unverständlich.

„Rüpelhaftes Verhalten“

Der Vizevorsitzende des Verteidigungsausschusses im russischen Föderationsrat, Nikolai Fedorjak, nannte Berichte über russische Soldaten in Syrien eine „Fiktion der Massenmedien“. Für einen solchen Kampfeinsatz sei die Zustimmung des Parlaments nötig - und diese sei von Präsident Wladimir Putin nicht beantragt worden, sagte er.

Russland hatte die USA zuvor wegen ihrer Intervention bei den Überflugsrechten in Bulgarien und Griechenland scharf kritisiert. Die US-Regierung habe ein „rüpelhaftes Verhalten“ an den Tag gelegt, so das russische Außenministerium. Die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland sind bereits seit den Kämpfen in der Ukraine gespannt. Russland gilt neben dem Iran als letzter Verbündeter von Assad. Für Russland ist Syrien auch der einzige Einflussbereich im Mittelmeer-Raum.

Extremisten spielt Sandsturm in die Hände

Assad braucht die Unterstützung offenbar immer notwendiger, denn die Armee gerät gegen den IS und andere extremistische Milizen zusehends in die Defensive. So nutzten dschihadistische Milizen im Norden Syriens einen heftigen Sandsturm aus und eroberten einen Militärflughafen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in England erklärte am Mittwoch, zu dem Rebellenbündnis gehöre auch die Al-Nusra-Front, der syrische Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.

Bei dem Militärflughafen Abu al-Dhuhur habe es sich um die letzte Basis der Armee in der Provinz Idlib gehandelt. Sie sei nach rund zweijähriger Belagerung jedoch außer Betrieb und nicht mehr für Angriffe der Luftwaffe genutzt worden. Auch Syriens Staatsfernsehen meldete, die Verteidiger des Flughafens hätten ihre Positionen aufgegeben.

Der Sandsturm war in den vergangenen Tagen über große Teile Syriens gefegt und hatte die Sicht stark verschlechtert. Das Rebellenbündnis hatte die Provinz Idlib bereits im Mai größtenteils eingenommen. Von hier aus versuchen die Aufständischen, in die Küstenregion um die Stadt Latakia vorzudringen, eine Hochburg des Regimes.

Zahl der Flüchtlinge könnte drastisch steigen

In den über vier Jahren Bürgerkrieg wurden bisher schätzungsweise 250.000 Menschen getötet, elf Millionen befinden sich auf der Flucht. Die Zahl der aus Syrien fliehenden Menschen könnte nach Einschätzung des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura noch einmal drastisch zunehmen. Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet des bisher weitgehend vom Konflikt verschont gebliebenen Latakia ausweiten, sei mit bis zu einer Million zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen, sagte der Diplomat am Montagabend vor Journalisten in Brüssel.

Die meisten von ihnen würden nach seiner Einschätzung wohl versuchen, mit Booten über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Zudem könne auch ein weiterer Vormarsch des IS die Fluchtbewegungen verstärken. „Die Tendenz ist besorgniserregend“, warnte De Mistura.

Auch Saudi-Arabien und der Iran spielen mit

Ob Bemühungen um ein Ende des Bürgerkrieges irgendwann Erfolg haben können, hängt laut De Mistura entscheidend von den beiden regionalen Großmächten Iran und Saudi-Arabien ab. Sie heizten den Konflikt noch immer an, indem sie das Regime Assads beziehungsweise die Opposition unterstützten. Auch Russland, das wie der Iran die Führung in Damaskus unterstützt, spiele eine wichtige Rolle, so der UNO-Diplomat.

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