Durchhaltevermögen nötig
Die tägliche Dusche, regelmäßiges Haarewaschen und die Verwendung von Deodorants und anderen Hygieneprodukten gehört zum Hygieneprogramm des durchschnittlichen Europäers. Ein Wissenschaftler in den USA behaupten nun, eine gesündere Alternative gefunden zu haben, und will diese an den Mann bringen: lebende Bakterien zum Aufsprühen.
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Dave Whitlock, ein am renommierten Massachusetts Instiute of Technology (MIT) ausgebildeter Chemietechniker, behauptet, seit zwölf Jahren nicht mehr geduscht zu haben. Eine Geruchsbelästigung für seine Umwelt will er dennoch nicht sein. Den ärgsten Dreck wische er mit Wasser und einem Schwamm ab, ansonsten benutze er nur Bakterien, die aus Hühner-, Schweine- und Kuhställen stammen, so Whitlock im Interview mit dem US-Sender CBS.
Evolutionsvorteil durch Wälzen im Dreck?
„Niemand hat klinische Tests bei Menschen durchgeführt, die sich jeden Tag duschen. Auf welcher Basis sollte man also annehmen, dass das eine gesunde Praxis ist“, so Whitlock weiter. Auf die Idee sei er bei einer Verabredung gekommen, als ihn eine Frau gefragt habe, ob er ihr erklären könne, warum sich ihr Pferd im Sommer gerne im Schmutz wälze. „Die einzige Erklärung dafür, dass Pferde ein solches Verhalten entwickelt haben, ist, dass sie einen wesentlichen Evolutionsvorteil davon haben“, ist sich Whitlock sicher.

AOBiome
Der ungeduschte Chemiker
Der Chemiker ist Mitbegründer des Unternehmens AOBiome, das seit diesem Sommer in den USA Bakterienspray und andere Produkte vertreibt. „Moderne Überhygiene hat die natürliche Balance der Hautflora gestört“, heißt es auf der Firmenhomepage. Der gezielte Einsatz von ammoniakoxidierenden Bakterien (AOB) könne hingegen wesentliche positive Effekte haben. Dass übertriebene Hygiene der Gesundheit schaden kann, ist nicht neu, ein normales Maß an Reinigung gilt jedoch gemeinhin als positiv und ist einem gesunden Sozialleben definitiv förderlich.
Kosmetikbranche forscht mit Bakterien
Probiotika (Produkte mit lebenden Organismen) werden mittlerweile nicht nur im Zuge von Nahrungsergänzungsmitteln, sondern auch in der Entwicklung von Pflegeprodukten vermehrt thematisiert. Wie Audrey Gueniche, Projektleiterin der L’Oreal-Entwicklungsabteilung, gegenbüber der „New York Times“ sagte, habe dieser Trend schon jetzt die Hautforschung im Kosmetikbereich revolutioniert. L’Oreal hat bereits mehrere Bakterienprodukte für trockene und sensible Haut patentiert. Auch Estee Lauder ist diesbezüglich stark in der Forschung aktiv und hat bereits mehrere Produkte mit Milchsäurebakterien entwickelt.
Langzeitstudien über die Effekte gibt es bisher nicht. Obwohl mehrere Studien belegen würden, dass Milchsäurebakterien etwa Exzemsymptome lindern können, sofern sie oral eingenommen werden, ist unklar, ob eine äußerliche Anwendung ähnliche Ergebnisse erzielen kann.
Die „fettige Phase“ aussitzen
Das Unternehmen AOBiome erklärt auf der FAQ-Seite des Produkts Mother Dirt jedenfalls, dass der Bakterienspray zwar das Duschen ersetzen könne, grundsätzlich aber als Ergänzung zum normalen Hygieneprogramm gedacht sei. Als recht vielseitig angepriesen, könne der Spray aber nicht nur Deo, Duschgel und Bodylotion ersetzen, sogar das Haarshampoo. Vorausgesetzt, man ist gewillt, sich einer gewissen Eingewöhnungszeit auszusetzen: „Sie könnten eine fettige Phase durchmachen, bevor eine Verbesserung eintritt“, ist auf der Website zu lesen.
Ähnliches gilt für das komplette Absetzen von Deodorants zugunsten des Bakteriensprays: „Wenn Sie den kalten Deoentzug versuchen wollen, denken Sie daran - es könnte einige Zeit dauern, bis Sie die positiven Ergebnisse riechen können.“
Eine Reporterin der „New York Times“ hat den Selbstversuch gewagt und Duschgel sowie Shampoo durch das Bakterienprodukt ersetzt. Ihr Fazit: Mit Durchhaltevermögen (verbunden mit sozialem Rückzug wegen Körpergeruchs und fettiger Haare) seien Verbesserungen des Hautbilds deutlich sichtbar. Den Umstieg auf Bakterienhygiene wolle sie dennoch nicht vollziehen, stattdessen würde sie nun weniger und einfachere Produkte verwenden als zuvor.
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