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20.000 allein am Wochenende eingereist

Angesichts der Flüchtlingskrise stellt die deutsche Regierung mehr Geld zur Verfügung - die Regeln für Asylbewerber werden teilweise deutlich verschärft. Die Koalitionsparteien aus Union (CDU/CSU) und SPD verständigten sich in der Nacht auf Montag darauf, die Hilfe auf insgesamt sechs Mrd. Euro zu erhöhen. Der Kreis der „sicheren Herkunftsstaaten“ wird aber um Kosovo, Albanien und Montenegro erweitert.

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Das geht aus einem Maßnahmenpaket hervor, das nach mehrstündigen Beratungen der deutschen Koalitionsspitzen veröffentlicht wurde. Gefordert werden darin auch mehr europäische Solidarität und die stärkere Bekämpfung von Fluchtursachen. 2015 stellte der Bund eine Milliarde Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung.

Sachleistungen statt Geldzahlungen

Für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen wollen Union und SPD demnach im Haushalt 2016 zusätzlich drei Mrd. Euro einplanen. Genau diese Summe soll Ländern und Kommunen zur Verfügung zukommen. Über die Details der Verwendung wollen sich Bund und Länder bei einem Spitzentreffen am 24. September einigen. An dem Treffen im Kanzleramt unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD sowie mehrere Fachminister teil.

Unterbringung für Flüchtlinge in Hermsdorf, Deutschland

APA/EPA/dpa/Sebastian Kahnert

Provisorisches Flüchtlingslager in Hermsdorf (Thüringen)

Die Unterstützung für Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen wollen die Koalitionspartner von Geldzahlungen auf Sachleistungen umstellen. Damit will die Koalition „Fehlanreize beseitigen“. Die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer soll um die Balkan-Staaten Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert werden, wobei eine gemeinsame Liste auf EU-Ebene angestrebt wird.

Wenn jemand im Zuge der neuen EU-Quotenregelung in ein anderes Land gekommen sei, dann aber nach Deutschland wolle, werde er in Deutschland keine Asylbewerberleistungen erhalten, so Deutschlands Innenminister, Thomas de Maiziere, am Montag. Er müsse sich dann an das Land wenden, in das er verteilt worden sei.

150.000 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen

Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollen in Deutschland grundsätzlich in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssen, wo mit Unterstützung des Bundes 150.000 Plätze eingerichtet werden sollen. Die Höchstverweildauer für Flüchtlinge dort soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Solange soll auch wieder eine Residenzpflicht gelten. Umgekehrt soll die Integration von Flüchtlingen, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt wird, verbessert werden. Auch soll es legale Einwanderungsmöglichkeiten für Menschen aus dem westlichen Balkan geben.

Bei der Bundespolizei wollen Union und SPD zusätzlich 3.000 Stellen schaffen. Ein Beschleunigungsgesetz soll etwa den Bau von Flüchtlingsunterkünften vorantreiben, auch unter Verzicht auf bisher geltende Standards. Wegen des steigenden Bedarfs an Wohnraum will die Koalition zudem sozialen Wohnungsbau verstärkt fördern. Die Neuregelungen für Flüchtlinge sollen noch im Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

Tausende neue Flüchtlinge erwartet

Die Flüchtlingskrise hat sich zuletzt durch die hohe Zahl von Flüchtlingen, die aus Ungarn über Österreich nach Deutschland gekommen waren, zugespitzt. Allein am Wochenende kamen binnen 48 Stunden mehr als 20.000 Menschen auf diesem Weg in die Bundesrepublik. Nur eine vergleichsweise äußerst geringe Anzahl von Flüchtlingen stellte in Österreich einen Antrag auf Asyl.

Die deutsche Regierung ließ indes offen, wie lange die Ausnahmen für in Ungarn gestrandete Flüchtlinge zur Einreise nach Deutschland noch gelten sollen. Bei der Entscheidung Deutschlands und Österreichs am Wochenende sei es um eine „humanitäre Notsituation“ gegangen, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Situation für Tausende Flüchtlinge in Ungarn habe ein unerträgliches Ausmaß angenommen gehabt.

Das ändere aber nichts daran, dass sich jeder EU-Staat - so auch Ungarn - an die gemeinsamen Verpflichtungen halten müsse, sagte Seibert. Hierzu gehört in erster Linie das Dublin-Abkommen, wonach Flüchtlinge in dem Land ein Asylverfahren durchlaufen müssen, wo sie erstmals in die EU gelangt sind. Der Sprecher des deutschen Innenministeriums, Harald Neymanns, sagte, dass die deutsche Regierung den Zustand nicht dauerhaft hinnehmen will: „Sollte sich an den grundsätzlichen Zahlen, die derzeit nach Deutschland kommen, nichts ändern, wird man noch mal intensive Gespräche suchen müssen.“

Verletzte nach Brand in Asylwerberheim

Bei einem Brand in einer Unterkunft für Asylbewerber in Rottenburg (Baden-Württemberg) sind in der Nacht auf Montag fünf Bewohner verletzt worden. Vier von ihnen seien ins Krankenhaus gekommen, wie eine Polizeisprecherin sagte. Zwei Menschen hätten Rauchgas eingeatmet. Drei Bewohner hätten sich verletzt, als sie aus dem Fenster sprangen oder kletterten. In der Unterkunft sind derzeit 84 Menschen gemeldet.

Gelöschter Brand in einer Unterkunft für Asylbewerber in Rottenburg, Deutschland

APA/EPA/dpa/Marijan Murat

Einige Container brannten in Rottenburg völlig aus

Der Brand war gegen 2.00 Uhr gemeldet worden. Wie es zu dem Feuer kommen konnte, war zunächst noch völlig unklar. Das müssten die weiteren Ermittlungen zeigen, sagte die Sprecherin. In den vergangenen Monaten hatte es im Südwesten, aber auch in anderen Teilen der Bundesrepublik, mehrere Brandstiftungen in geplanten Flüchtlingsunterkünften gegeben, die vermutlich einen fremdenfeindlichen Hintergrund hatten.

Brandanschlag in Thüringen

Ebenfalls in der Nacht auf Montag ist ein Brandanschlag auf eine mögliche Asylbewerberunterkunft in Ebeleben (Thüringen) verübt worden. Ein technischer Defekt könne ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin. In der Früh waren gegen 3.30 Uhr die Dachstühle dreier Wohnblöcke in Flammen aufgegangen. Die Ermittler gehen von einem politisch motivierten Brandanschlag aus. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand.

Entgegen ersten Angaben der Polizei wurde noch nicht endgültig entschieden, ob die Wohnblöcke als Domizil für Flüchtlinge genutzt werden. Zunächst hatte es geheißen, die Häuser würden derzeit saniert, um dort Asylsuchende unterzubringen. Das stimme nicht, sagte ein Polizeisprecher wenig später. Mehrere Ortsfeuerwehren waren im Einsatz, um die Flammen unter Kontrolle zu bringen.

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