Merkel unter Beschuss aus Bayern
In Deutschland ist für das Wochenende mit insgesamt 17.000 Flüchtlingen gerechnet worden, die aus Ungarn über Österreich in die Bundesrepublik kommen. Das teilte die deutsche Polizei in Potsdam am Sonntag mit. Demnach kamen rund 7.000 Menschen am Samstag und 6.000 am Sonntag; 4.000 weitere würden im Laufe des Tages noch erwartet. Die Lage entwickle sich „sehr dynamisch“.
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Die Zahlen bezeichnete die deutsche Polizei dabei als „relativ valide“. Österreich hatte zur gleichen Zeit von etwa 12.000 Flüchtlingen gesprochen, die während des Wochenendes von Ungarn über Wien nach Deutschland gereist waren. Ungarn hatte am Freitagabend entschieden, seit Tagen festsitzende Flüchtlinge mit Bussen an die österreichische Grenze zu bringen. Österreich und Deutschland erklärten sich daraufhin bereit, die Flüchtlinge ein- beziehungsweise durchreisen zu lassen.
Verteilung auf Bundesländer nach fixem Schlüssel
Die Flüchtlinge wurden in München mit Applaus, Lebensmitteln und kleinen Geschenken begrüßt. In Saalfeld in Thüringen kam Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) selbst zum Bahnhof, um die ankommenden Flüchtlinge willkommen zu heißen. In Dortmund demonstrierten in der Nacht laut der Polizei hingegen rund 30 Rechtsextreme am Bahnhof. Bei Auseinandersetzungen mit Hunderten Gegendemonstranten, die gegen den Aufmarsch der Rechten protestierten, wurden fünf Menschen verletzt.

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Freundlicher Empfang auf dem Müncher Hauptbahnhof
Die Flüchtlinge aus Ungarn werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Der Schlüssel berücksichtigt Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg müssen demnach die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Die Entscheidung zur Aufnahme der Flüchtlinge sei wegen der „aktuellen Notlage an der ungarischen Grenze“ und in Abstimmung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen worden, hatte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der Nacht auf Samstag erklärt.
Scharfe Attacken von CSU
Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier betonte in der ARD: „Wir müssen dazu kommen, dass die ganz normalen europäischen Regeln eingehalten werden, und das heißt, alle müssen sich beteiligen.“ Die bayrische Schwesterpartei von Merkels CDU, die CSU, kritisierte die Einreiseerlaubnis. Es sei „ein starkes Stück“, dass die Länder nicht vor der Entscheidung informiert worden seien, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gegenüber der „Bild“-Zeitung (Montag-Ausgabe).

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Auch in Frankfurt hießen Helfer die Flüchtlingen willkommen
Die CSU hatte schon während des ganzen Wochenendes scharf gegen Merkels Entscheidung protestiert. Generaksekretär Andreas Scheuer sprach von einer „falschen Entscheidung“ Merkels. Der „massenhafte Zustrom“ von Flüchtlingen müsse begrenzt werden. „So kann es nicht weitergehen.“ Bayerns Ministerpräsident und CSU-Parteichef Horst Seehofer warnte vor „einer demokratisch legitimierten Rechten“. Diese könne man nur verhindern, „wenn Sie die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung aufnehmen“.
Rückhalt für Merkel in der SPD
Von der SPD bekam Merkel dagegen koalitionäre Unterstützung. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte der „Bild am Sonntag“, die Entscheidung der Bundesregierung sei in „dieser humanitären Ausnahmesituation“ die „einzig richtige“ gewesen. „Wir mussten ein starkes Signal der Menschlichkeit setzen, um zu zeigen, dass Europas Werte auch in schwierigen Zeiten gelten“, sagte Fahimi. Das Verhalten Ungarns sei unerträglich.

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Für manchen Flüchtling wurde Merkel zur Heldin
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, appellierte unterdessen an die Bürger, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. „Wenn Menschen, die aus Syrien kommen, in Privathäusern aufgenommen werden, ist das Gold wert für die Integration“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag-Ausgaben). Damit argumentierte sie fast wortgleich wie Papst Franziskus, der am Sonntag jede katholische Gemeinde Europas zur Aufnahme zumindest einer Flüchtlingsfamilie aufrief.
Bayern verteilt Flüchtlinge „mit Hochdruck“
Vorläufiger Zielort war am Wochenende für die meisten Flüchtlinge der Münchner Hauptbahnhof. Derzeit werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, die Flüchtlinge von dort aus zu verteilen, sagte am Sonntag eine Sprecherin der oberbayerischen Regierung. Innerhalb Bayerns seien 13 Busse unterwegs, um die Menschen in verschiedene Erstaufnahmeeinrichtungen zu bringen. Die Sprecherin lobte die „großartige Zusammenarbeit“ bei der Aufnahme der Flüchtlinge in München. Auch das ehrenamtliche Engagement sei „ungebrochen und beeindruckend“.
Zugleich laufe die Weiterverteilung auf die Bundesländer, so die Sprecherin. Neu ankommende Flüchtlinge sollen ihren Angaben zufolge möglichst ohne die Zwischenstation München in die verschiedenen Bundesländer gebracht werden - die Deutsche Bahn soll daher München umfahren oder dort Züge bereitstellen, die die Flüchtlinge gleich an die Zielorte bringen. Bereits am Samstag brachte die Deutsche Bahn Flüchtlinge zu anderen Bahnhöfen wie Frankfurt am Main und Saalfeld. Rund 2.500 Flüchtlinge wurden so bereits am Samstag in andere deutsche Bundesländer weitergeleitet.
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