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Schlüssel offiziell nicht bekannt

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlingen auf die 28 Staaten der Union. Zusätzlich zum bereits im Mai gemachten Vorschlag der verpflichtenden Aufteilung von 40.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien sollen nunmehr 120.000 weitere Personen aus diesen beiden Staaten sowie aus Ungarn auf die EU-Länder verteilt werden.

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Eine Sprecherin bestätigte am Freitag, dass Juncker das dem Kommissionskollegium vorgeschlagen habe. Juncker soll den Plan auch Mittwoch kommender Woche im Europaparlament bei seiner Rede zur Lage der Union konkret präsentieren. Ein Aufteilungsschlüssel zwischen den Staaten liege bisher nicht vor, hieß es am Freitag.

Vize: Auswirkungen müssen alle Staaten tragen

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hatte zuvor bei seinem Besuch auf der griechischen Insel Kos betont, dass die Flüchtlingskrise noch lange andauern werde. Es müssten der Grenzschutz, die Aufnahme der Flüchtlinge, die Asylverfahren und die Lastenverteilung verbessert werden. Dann wäre die Situation auch für Kos, wo zahlreiche Flüchtlinge, die zuvor in der Türkei waren, gelandet sind, eine leichtere. Jedenfalls zeige die Flüchtlingskrise, dass Europa für diese Menschen attraktiv sei. Darauf könne Europa auch stolz sein. Die negativen Auswirkungen dürften aber nicht nur von einigen Staaten getragen werden.

Timmermans bestätigte auch, ohne Zahlen zu nennen, dass Juncker angesichts der verschärften Lage einen stärkeren Vorschlag der Verteilung von Flüchtlingen kommenden Mittwoch vorlegen werde.

Asselborn: Quotenlösung bis Anfang Oktober

Die EU-Außenminister kamen am Freitag und Samstag in Luxemburg zusammen, um unter anderem die Flüchtlingskrise zu erörtern. Der luxemburgische Chefdiplomat Jean Asselborn zeigte sich dabei überzeugt, dass sich die EU-Innenminister bis Anfang Oktober auf eine europäische Verteilung von Asylbewerbern einigen werden. Aber mehrere Osteuropäer wollen keine Quote. Die EU könnte deswegen noch Anfang Oktober einen Sondergipfel einberufen.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) übte massive Kritik am langsamen Agieren der EU in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise. Angesprochen auf den kolportierten geplanten Vorschlag der EU-Kommission, zusätzlich zu den bereits vorgeschlagenen 40.000 weitere 120.000 Flüchtlinge in Europa zu verteilen, sagte Kurz, Österreich unterstütze „eine ordentliche Quotenregelung“. Entscheidend sei, dass sich die Quote nicht nur auf Transitländer fokussiere, sondern auf alle betroffenen Länder gleichermaßen. „Wir haben im Moment als Österreich so viele Flüchtlinge wie 18 andere EU-Staaten zusammen.“ Griechen und Italiener würden alles tun, „um Flüchtlinge weiterzuwinken nach Mitteleuropa“.

3.640 Flüchtlinge für Österreich?

Österreich soll laut nach dem jüngsten Verteilungsschlüssel der EU-Kommission zusätzlich 3.640 Flüchtlinge aufnehmen. Nach Informationen der APA sollen laut den Plänen 1.638 Flüchtlinge aus Ungarn, 1.529 aus Griechenland und 473 aus Italien kommen. Von den ingesamt 120.000 Flüchtlingen, die in der EU verteilt werden sollen, sollen 54.000 aus Ungarn, 50.400 aus Griechenland und 15.600 aus Italien kommen. Im Zuge der im Mai vorgeschlagenen EU-internen Verteilung von 40.000 Asylbewerbern sollte Österreich 1.657 aufnehmen, hat das aber so nicht akzeptiert, weil bereits 1.500 Syrer aufgenommen worden seien. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte dann angeboten, 400 weitere Personen aufzunehmen.

Hahn: Erheblicher Umdenkprozess

Asselborn begrüßte die Ankündigung Großbritanniens, mehrere tausend aus Syrien geflohene Menschen aufzunehmen. Eine Verteilung von Flüchtlingen per Quote in Europa sei „machbar“. „Wir sind jetzt in einer anderen Stimmung“, so der luxemburgische Außenminister. Die EU müsse sich auf Griechenland konzentrieren. Athen brauche europäische Hilfe, damit Flüchtlinge registriert und versorgt werden und nicht weiter nach Norden ziehen, sagte Asselborn. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte die EU-Staaten in der Flüchtlingskrise zu einem Ende von Schuldzuweisungen auf.

Auch der österreichische EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn (ÖVP) sieht aufgrund der allgemeinen Entwicklung und der Flüchtlingsbilder einen „erheblichen Umdenkprozess“ in der europäischen Bevölkerung. „Daher hoffe ich sehr, dass es nicht nur eine Solidarität zwischen den Mitgliedsländern gibt, sondern auch Verständnis, dass man diese Menschen aufnehmen soll“, sagte er. Hahn kündigte „ambitionierte Vorschläge“ der EU-Kommission zur Verteilung von Flüchtlingen an. „Das europäische Projekt funktioniert nur, wenn alle begreifen, dass man etwas beizutragen hat.“

Visegrad-Staaten lehnen Quoten strikt ab

Am Freitagnachmittag kamen die Regierungschefs der Visegrad-Gruppe - neben der Slowakei auch Ungarn, Tschechien und Polen - in Prag zusammen, um über eine gemeinsame Linie zur Flüchtlingsfrage zu beraten. Die Staaten lehnten verpflichtende Flüchtlingsquoten strikt ab. Das sei unannehmbar, man wolle sich an der europäischen Solidarität mit den Flüchtlingen nur auf freiwilliger Basis beteiligen, erklärten die Regierungschefs Bohuslav Sobotka (Tschechien), Robert Fico (Slowakei), Ewa Kopacz (Polen) und Viktor Orban (Ungarn) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach ihrem Treffen am Freitag in Prag.

UNO: EU soll 200.000 Flüchtlinge aufnehmen

Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, appellierte am Freitag an die EU, sich auf die Verteilung von bis zu 200.000 Flüchtlingen auf die Mitgliedsstaaten nach verbindlichen Quoten zu einigen. Zugleich müssten ausreichende Erstaufnahmezentren geschaffen werden, forderte Guterres in einer am Freitag in Genf veröffentlichten Erklärung. „Solidarität kann nicht allein in der Verantwortung einiger weniger EU-Staaten liegen“, sagte der UNO-Hochkommissar. Insbesondere Griechenland, wo der größte Teil der Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, dem Irak und Afghanistan ankomme, brauche Hilfe.

Die EU müsse „dringende und mutige Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu stabilisieren“, so der UNO-Hochkommissar weiter. Danach komme es darauf an, Wege zu finden, um mittelfristig die Zuständigkeiten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise fair zu teilen. „Die EU muss bereit sein, mit der Zustimmung und Unterstützung der direkt betroffenen Regierungen - vor allem jener von Griechenland, Ungarn und Italien - adäquate Kapazitäten für die Erstaufnahme, Unterstützung und Registrierung zu schaffen.“ Von einer fehlenden gemeinsamen Reaktion Europas würden einzig und allein Schlepper und Menschenschmuggler profitieren.

„Selbstlose Großherzigkeit“ gelobt

Zugleich müssten all jene Migranten, die nicht auf internationalen Schutz angewiesen sind und keine Aussicht auf legale Einwanderung haben, Unterstützung für eine rasche Rückkehr erhalten, so Guterres. Das müsse unter voller Respektierung ihrer Menschenrechte erfolgen.

Insgesamt hätten in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Menschen bei gefährlichen Bootsfahrten über das Mittelmeer ihr Leben riskiert, mehr als 2.600 seien dabei umgekommen. „Nachdem sie Europas Küsten oder Landgrenzen erreicht haben, erleben die Menschen auf ihrer weiteren Reise chaotische Zustände, erdulden Erniedrigungen, Ausbeutung und Gefahren“, kritisierte der UNO-Hochkommissar. Zugleich lobte er „die selbstlose Großherzigkeit vieler Bürger und Hilfsorganisationen“.

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