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Polizei konnte Lenker identifizieren

Die Polizei hat am Freitag neue Details zum Tod von 71 Flüchtlingen in einem Lkw auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf (Burgenland) bekanntgegeben. Die Menschen sind demnach bereits kurz nach der Abfahrt in Südungarn erstickt. Unter den Toten befinden sich nach dem derzeitigen Ermittlungsstand Syrer, Iraker und Afghanen. Bei den Toten seien insgesamt 17 Reisedokumente gefunden worden, die Aufschluss über die Nationalität der Opfer geben.

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Die endgültige Identifizierung der Toten sei noch nicht abgeschlossen, sagte der burgenländische Landespolizeikommandant Hans Peter Doskozil zu Mittag bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt. In fünf bis sechs Wochen wird das Obduktionsergebnis vorliegen.

Fahrzeug war luftdicht

Laut dem Polizeichef kann man die Todesursache noch nicht zu 100 Prozent sagen, aber aufgrund der Anzahl der Personen und des Volumens des Lkw „gehen wir davon aus, dass innerhalb kürzester Zeit der Erstickungstod noch in Ungarn eingetreten ist“, so Doskozil. Das Fahrzeug war laut technischer Untersuchung luftdicht. Außerdem war das Kühlaggregat nicht angeschlossen. Dieses hätte allerdings auch keine Frischluftzufuhr ermöglicht, erläuterte der Polizeichef.

Der burgenländische Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil und der Leiter der Staatsanwaltschaft Eisenstadt, Johann Fuchs

APA/Robert Jäger

Burgenlands Landespolizeikommandant Doskozil und Johann Fuchs, Leiter der Staatsanwaltschaft Eisenstadt

Der Lenker des Fahrzeugs sei identifiziert worden, sagte Doskozil. Ein Handflächenabdruck auf dem Fahrzeug habe dem Mann zugeordnet werden können, im Inneren des Fahrzeugs seien DNA-Spuren entdeckt worden. Bei den sechs festgenommenen Personen handle es sich höchstwahrscheinlich um die „Tätergruppe“, so der Polizeikommandant.

Route rekonstruiert

Zwei österreichische Ermittler mit Sprachkenntnissen befänden sich derzeit in Ungarn, wo sie an den Ermittlungen und Vernehmungen teilnehmen, sagte Doskozil. Die Ermittlungen seien noch nicht gänzlich abgeschlossen.

Die PK in Eisenstadt

Das Landespolizeikommando Burgenland und die Staatsanwaltschaft Eisenstadt gaben am Freitag Auskunft über den Stand der Ermittlungen.

Was bereits ermittelt werden konnte, ist die Route des Lastwagens. Laut Doskozil bestiegen die Flüchtlinge am 26. August gegen 5.00 Uhr den Lkw an der ungarisch-serbischen Grenze. Das Fahrzeug fuhr auf die Autobahn M5 auf und setzte seine Fahrt auf der M1 Richtung Österreich fort. Gegen 10.00 Uhr passierte der Lkw bei Nickelsdorf die Grenze. Das Fahrzeug wurde schließlich in einer Pannenbucht auf der Ostautobahn bei Parndorf abgestellt, wo es am nächsten Tag von Mitarbeitern der Autobahnbetreibergesellschaft ASFINAG entdeckt wurde.

Ähnlicher Schlepperfall aufgedeckt

Im Zuge der Ermittlungen konnte die Polizei einen ähnlichen Schlepperfall aufdecken. 81 Personen seien am 27. August in einem fast bauartgleichen Fahrzeug wie der Kühllastwagen auf der A4 nach Österreich geschleppt worden, sagte Doskozil. Den Flüchtlingen im zweiten Lkw sei es gelungen, „mit einem Brecheisen die Seitentür des Fahrzeugs während laufender Fahrt zweimal zu öffnen“, sagte Doskozil. In Gols im Bezirk Neusiedl am See setzte sie der Schlepper schließlich aus. Diese Fahrt sei eindeutig einem in Ungarn Inhaftierten zuzuordnen, sagte Doskozil.

Mitarbeiter der Spurensicherung neben dem abgestellten Lkw, in dem die Flüchtlinge gefunden wurden

APA/AP/Ronald Zak (Montage)

Ermittler an der Fundstelle des Lkw: Die Schlepper sollen weitere Fahrzeuge ähnlicher Bauart angekauft haben, berichtete der „Spiegel“

Nachdem man die Menschen aufgegriffen habe, seien sie nach Vordernberg (Steiermark) zur asylrechtlichen Behandlung gekommen, sagte der Polizeichef. Danach wurden sie teilweise in Traiskirchen, teilweise in Verteilerzentren gebracht. Sechs Einvernahmen seien bereits durchgeführt worden. Hinweise zu dem Fall erhielt die Polizei, nachdem Medien Fotos veröffentlicht hatten. Laut Doskozil wurden die beiden Schlepperfahrzeuge unmittelbar vor den Fahrten nach Österreich gekauft und zugelassen. „Es kann durchaus sein, dass die 71 Personen die erste Schlepperfahrt gewesen ist“, sagte der Polizeichef.

„Spiegel“: Schlepper kauften weitere Fahrzeuge

Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichte indes Details über zwei der Verdächtigen. Der Halter des Lastwagens, ein 50 Jahre alter Bulgare, habe einen „Gewerbehof“ nahe Linz betrieben und sei jahrelang im Autohandel tätig gewesen. Sein Name und seine Daten sollen auch in mehreren Verfahren gegen Schlepper in Deutschland auftauchen.

Die Ermittler nehmen laut dem Magazin an, dass er zur mittleren Führungsebene gehörte und mit der Organisation der Fluchtautos betraut war. Neben dem auf der A4 abgestellten Lkw hätten die Schlepper auch acht weitere Fahrzeuge gleicher Bauart angekauft, schrieb das Magazin unter Berufung auf Ermittler.

Verdächtiger Lenker könnte ausgeliefert werden

Bei der von Doskozil beschriebenen „Tätergruppe“ handelt es sich um fünf Bulgaren und einen Afghanen. Sie befinden sich in Haft. Einer der Bulgaren wurde in seiner Heimat geschnappt, die anderen Männer wurden in Ungarn festgenommen. Am Donnerstag hatte einer der mutmaßlichen Lenker vor einem bulgarischen Gericht ausgesagt, nichts von Menschen an Bord seines Lasters gewusst zu haben. Der Bulgare, der in Hand- und Fußfesseln zu der Anhörung in der Stadt Montana gebracht wurde, blieb auf Anordnung des Gerichts in Untersuchungshaft.

Die bulgarische Justiz wirft dem Mann vor, den Lkw, in dem die Flüchtlinge erstickten, zumindest auf einem Teil der Strecke zwischen Ungarn und Österreich gesteuert zu haben. Am Montag will sich das Gericht mit einer Auslieferung des 32-Jährigen nach Österreich befassen. In Ungarn war unterdessen in Zusammenhang mit dem Flüchtlingsdrama über einen 24 Jahre alten Bulgaren die U-Haft verhängt worden. Im Fall einer Verurteilung drohen dem Mann bis zu 16 Jahre Haft.

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