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London kündigt drastische Strafen an

In Ungarn steht ein mehrere Meter hoher Grenzzaun kurz vor der Fertigstellung, in Großbritannien ein zu Fuß durch den Eurotunnel nach London geflüchteter Sudanese seit Montag vor einem Gericht. Beide Länder zählen in der Flüchtlingsfrage zu Europas Hardlinern und beide wurden diesem Ruf am Dienstag erneut gerecht.

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In Ungarn stellte der Staatssekretär im Justizministerium, Robert Repassy, eine drastische Gesetzesverschärfung in den Raum. Noch in dieser Woche soll demnach ein Gesetzesentwurf veröffentlicht werden, der eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs hinsichtlich der Verfahren mit Schleppern, Flüchtlingen und bei illegalem Grenzübertritt beinhaltet. Ungarn benötige Repassy zufolge nicht nur eine „physische, sondern auch eine juristische Grenzsperre“.

Damit unterstützt Repassy Angaben des Stabschefs von Regierungschef Victor Orban, Janos Lazar. Dieser hatte bereits vergangene Woche das Parlament aufgefordert, illegale Grenzüberschreitung und Beschädigung des Grenzzauns künftig mit Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren Haft zu erhöhen. Bisher galt illegaler Grenzübertritt in Ungarn lediglich als Ordnungsvergehen.

Ungarn setzt auf „Abschreckung“

Die Änderungen im Gesetzbuch sollen der „Abschreckung“ dienen, sowohl für Schlepper als auch für Flüchtlinge, betonte Repassy. Der Staatssekretär kündigte zudem angesichts der hohen Anzahl der Asylanträge die Beschleunigung der Gerichtsverfahren an. Die Modifizierung des Strafgesetzbuchs steht am 4. September auf der Tagesordnung einer Sondersitzung des ungarischen Parlamentes.

Grenzzaun in Ungarn

Reuters/Laszlo Balogh

In weiten Teilen ist der ungarische Grenzzaun bereits fertiggestellt

Seitens der Regierung wurde im Rahmen der Flüchtlingsdiskussion die Dringlichkeit verschärfter gesetzlicher Regelungen immer wieder betont. Als abschreckende Maßnahme wird aber auch auf geschlossene Grenzen gesetzt: Ungarn baut derzeit einen 175 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Serbien. Die Stacheldrahtanlage soll bis Ende des Monats fertig sein. Bis Ende November soll diese schließlich durch einen 3,5 Meter hohen Maschendrahtzaun ergänzt werden. Zudem kündigte die Regierung an, Tausende zusätzliche Polizisten ins Grenzgebiet zu verlegen.

Mehr Gelder von EU gefordert

Während Menschenrechtsorganisationen und EU-Politiker das Vorgehen Ungarns gegen Migranten wiederholt scharf kritisieren, betrachtet sich Ungarn selbst von der EU offenbar benachteiligt. Lazar warf am Dienstag den „alten Mitgliedsstaaten“ jedenfalls vor, „das Geld von neuen Mitgliedern gestohlen“ zu haben. „Die EU verteilt Mittel für die Grenzsicherung auf beschämende Weise“, wie Orbans Stabschef in einem Interview mit der Tageszeitung „Magyar Hirlap“ weiter kritisierte.

Die EU-Kommission hat dem Land für dieses Jahr fast acht Millionen Euro an Hilfe zugesagt. Lazar kritisierte, dass das nicht ausreiche. Das zum Schengen-Raum der EU gehörende Ungarn sieht sich angesichts seiner Außengrenzen zu Serbien und der Ukraine mit einer deutlich gestiegenen Anzahl von Migranten in diesem Jahr konfrontiert.

Auch GB hält an hartem Kurs fest

Mit einer verstärkten Kooperation mit den französischen Behörden, samt der Lieferung von Zäunen, Überwachungsequipment und Spürhunden, sowie der Entsendung britischer Polizisten nach Calais setzte auch Großbritannien bereits restriktive Maßnahmen gegen die steigenden Flüchtlingszahlen. Dazu kommt eine bereits seit Wochen laufende Debatte über eine Verschärfung des Einwanderungsgesetzes. Nun wurde ein neuer Gesetzesentwurf für England und Wales präsentiert, der unter anderem Haftstrafen von bis zu sechs Monaten für illegal beschäftigte Flüchtlinge vorsieht.

Britische "Border Force" in Calais

APA/EPA/Ian Langsdon

GB verstärkte zuletzt die Kooperation mit Frankreich in Calais - unter anderem sind dort nun deutlich mehr britische Beamte im Einsatz

„Wenn Sie hier illegal sind, werden wir Maßnahmen ergreifen, um sie am Arbeiten, am Mieten einer Wohnung, Eröffnen eines Bankkontos oder Autofahren zu hindern“, wie der britische Einwanderungsminister James Brokenshire am Dienstag in London sagte. Den Gesetzesplänen zufolge sollen künftig auch die Löhne illegal beschäftigter Migranten beschlagnahmt werden können. Pubs, Lieferdiensten und Inhabern einer Lizenz für den Verkauf von Alkohol drohen dem Gesetzesentwurf zufolge Geldstrafen, der Entzug ihrer Lizenz oder die Schließung ihres Geschäfts, wenn sie Migranten illegal beschäftigen. Wenn sie weiterhin gegen die Vorgaben verstoßen, sollen sie auch strafrechtlich verfolgt werden. In diesen Fällen sollen Strafen von bis zu fünf Jahren Haft möglich sein.

Die konservative Regierung von Premierminister David Cameron bemüht sich angesichts des erhöhten Flüchtlingsandrangs in Europa, die Einwanderung zu beschränken. Sein Versprechen, in seiner ersten Amtszeit die Einwanderung zurückzufahren, hatte Cameron nicht eingehalten. Die neue Einwanderungsstatistik, die am Donnerstag veröffentlicht wird, dürfte ihn weiter unter Druck setzen.

UNO: Verfehlter Umgang mit Migration

Der UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten warf der Europäischen Union unterdessen eine verfehlte Flüchtlingspolitik vor. „Lasst uns doch nicht so tun, als ob das, was die EU und ihre Mitgliedsstaaten unternehmen, tatsächlich funktionieren würde“, erklärte Francois Crepeau am Dienstag in Genf.

„Zäune zu errichten, Tränengas einzusetzen und andere Formen der Gewalt gegen Migranten und Asylsuchende, Festnahmen und die Verweigerung des Zugangs zu Obdach, Nahrung oder Wasser sowie Drohungen und Hassreden werden Migranten nicht davon abhalten, nach Europa zu kommen oder das zu versuchen“, sagte der Experte laut einer Mitteilung des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte. Auch EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans sagte am Dienstag im ARD-„Mittagsmagazin“, Abschottung könne nicht die Lösung sein: „Einen Zaun zu errichten, das hilft auch nichts.“

Crepeau appellierte an die EU, sich auf eine umfassende gemeinsame Migrationspolitik zu verständigen, die auf dem Respekt für die Menschenrechte basiert. Nur so könne die EU den Menschenhandel mit Migranten effektiv bekämpfen. Die EU-Staaten müssten vielmehr ihre Arbeitsmärkte für Migranten öffnen. Zudem sollte die EU nach Ansicht des UNO-Berichterstatters für Flüchtlinge aus Krisenstaaten wie Syrien und Eritrea ein großes Umsiedlungsprogramm in Angriff nehmen, das in den nächsten fünf Jahren bis zu zwei Millionen Flüchtlingen Schutz bieten könnte.

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