Absperrungen überwunden
Hunderte Flüchtlinge haben am Samstag trotz der verschärften Sicherheitsvorkehrungen die Grenze zu Mazedonien überquert. Sie hätten von Griechenland kommend die mit Stacheldraht gesicherten Absperrungen der Polizei durchbrochen, wie ein AFP-Reporter aus Gevgelija berichtete.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete sogar von Tausenden, die in die frühere jugoslawische Teilrepublik eingedrungen seien. Ein Reuters-Reporter beobachtete, wie Migranten Polizeiabsperrungen überwanden und über Felder rannten. Die Beamten zündeten demnach zwei Blendgranaten und wurden dennoch überwältigt.

APA/EPA/Georgi Licovski
Die mazedonische Polizei versuchte die Flüchtlinge aufzuhalten
Tausende im Niemandsland
Nachdem Mazedonien den Ausnahmezustand ausgerufen und am Donnerstag seine Grenze weitgehend abgeriegelt hatte, harrten etwa 2.000 Flüchtlinge im Niemandsland zwischen dem griechischen Dorf Idomeni und der mazedonischen Stadt Gevgelija aus. Die meisten wollen nach Serbien und von dort über Ungarn in andere EU-Staaten.

APA/EPA/Georgi Licovski
Flüchtlinge auf mazedonischen Feldern nahe der Grenze zu Griechenland
Bereits am Freitag ging die mazedonische Polizei mit Tränengas und Blendgranaten gegen Flüchtlinge vor, um sie von der Einreise abzuhalten. Zur Verstärkung schickte die Regierung auch Soldaten. Später gelang es trotzdem Hunderten Flüchtlingen, die Grenze zu überqueren.
Lebensmittel aus Protest zurückgewiesen
Die Zahl der im Grenzgebiet festsitzenden Menschen war am Samstag zuvor erneut angestiegen. Samstagfrüh waren dort laut Medienberichten erneut mehrere Busse und ein Zug mit Flüchtlingen angekommen. Die Ankündigung der Behörden, nur noch eine begrenzte Zahl „verletzlicher“ Flüchtlinge ins Land zu lassen, hatte erneut für Proteste gesorgt. In den Morgenstunden hätten nur drei Personen die von Mazedonien weitgehend abgeriegelte Grenze passieren können, meldete der serbische Fernsehsender RTS. Ortsansässige Schlepper hätten ihre Tätigkeit zum illegalen Grenzübertritt intensiviert.
Aus Protest gegen die Entscheidung der mazedonischen Regierung, nur noch einer beschränkten Zahl von Flüchtlingen die Einreise zu gestatten, hätten Migranten in dem Niemandsland Samstagfrüh Wasser und Essen, das mazedonische Polizisten verteilten, zurückgewiesen. Verteilte Wasserflaschen seien gegen Polizisten geflogen, berichtete RTS.

Reuters/Yannis Behrakis
Am Samstag kamen erneut Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze an, wo bereits Tausende Menschen festsitzen
An der Eisenbahnstrecke Richtung Gevgelija wurde links und rechts eine etwa 300 Meter langer ein Stacheldraht errichtet, um Flüchtlinge abzuschirmen. Neben Polizisten waren am Samstag auch Angehörige der mazedonischen Streitkräfte an der Grenze tätig.
Mazedonien: Flüchtlinge stürmen Grenze
In Mazedonien ist es Hunderten Flüchtlingen trotz Stacheldrahtzaun und Militär gelungen, die Grenze zu überrennen.
Flüchtlinge verbrachten Nacht im Regen
Die Nachrichtenagentur AFP berichtete von 2.000 Menschen, die in der Nacht auf Samstag bei Regen im Grenzgebiet ausgeharrt hätten. Die meisten Migranten hätten eine schlaflose Nacht verbracht oder unter freiem Himmel geschlafen. Einige davon zogen sich in kleine Zelte in dem Niemandsland zwischen Idomeni und Gevgelija zurück. Am Samstag seien erschöpfte Flüchtlinge zu sehen gewesen, die zwischen Müllhaufen umherliefen und zur mazedonischen Grenze schauten.
In der Nacht verstärkte die Polizei den Stacheldraht an der Grenze. Flüchtlinge riefen „helft uns“ und Kinder weinten. Der 49-jährige Arzt Samer Moin aus Syrien berichtete, viele Flüchtlinge hätten sich in der Nacht nicht vor dem Regen schützen können. „Eine Mutter hat ihre Tochter verloren und die ganze Nacht geschrien“, berichtete der Syrer. „Ich bin seit Tagen hier, ich will nach Norwegen.“
In Gevgelija soll unterdessen der Schwarzmarkthandel blühen, wie das mazedonische Nachrichtenportal Plus Info berichtete. Waren würden zu völlig überteuerten Preisen angeboten. Für einen Sechserpack Wasser etwa müssten die Menschen bis zu zehn Euro bezahlen, weit mehr als üblicherweise. Ein Schokoriegel, der für gewöhnlich nicht mehr als einen Euro koste, werde für fünf Euro angeboten, hieß es weiter. Ein Kilo Bananen koste knapp neun Euro.
Polizei setzte Blendgranaten ein
Vor Ausrufung des Ausnahmezustands hatte die Regierung in Skopje täglich im Schnitt 1.300 Flüchtlinge ins Land gelassen und mit Papieren für die Zugfahrt nach Serbien ausgestattet, von wo es weiter in EU-Länder wie Deutschland und Schweden gehen sollte. Am Donnerstag hatte die Regierung dann den Ausnahmezustand verhängt und Bereitschaftspolizisten an die Südgrenze geschickt.

Reuters/Yannis Behrakis
Verzweifeltes Warten: Am Freitag hinderte die Polizei die Flüchtlinge mit Gewalt am Übertritt der Grenze. Mehrere Menschen wurden verletzt.
Am Freitag war die Lage eskaliert: Als Hunderte Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder, über die nur mit Stacheldraht befestigte Grenze klettern wollten, feuerten Bereitschaftspolizisten Blend- und Tränengasgranaten auf sie ab und setzten Schlagstöcke ein. Mindestens acht Menschen seien dabei verletzt worden, wie Hilfsorganisationen und Reporter berichteten. Das Innenministerium wies diese Angaben zurück.
Kurz nach der Erklärung des mazedonischen Innenministeriums durften etwa 500 Menschen, meist Familien und Schwangere, die Grenze passieren. In den vergangenen 24 Stunden seien 181 Einwanderern „aus verletzlichen Kategorien“ Reisepapiere ausgehändigt worden, teilte das Ministerium mit. Die meisten von ihnen kamen aus Syrien. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zeigte sich besorgt über das Vorgehen der mazedonischen Sicherheitskräfte. Kritik kam auch von Amnesty International (AI) und der Organisation Ärzte ohne Grenzen.
Belgrad errichtet weitere Unterkünfte
Eine größere Gruppe von Flüchtlingen ist einem Medienbericht zufolge nach der Reise durch Mazedonien in Serbien angekommen. Die Gruppe habe Presevo erreicht und sei dort in einem neuen Flüchtlingslager untergebracht worden, berichtete der Belgrader Sender B92 am Samstag. In der serbischen Hauptstadt Belgrad soll unterdessen schnell eine Unterkunft für bis zu 3.000 Flüchtlinge geschaffen werden. Serbien sei bereit, sich an internationalen Bemühungen zur Problemlösung zu beteiligen, erklärte Ministerpräsident Aleksandar Vucic.
Laut der Tageszeitung „Vecernje novosti“ (Samstag-Ausgabe) soll die Notunterkunft unweit des Belgrader Flughafens im Stadtviertel Neu-Belgrad errichtet werden. Die Bauarbeiten dürften laut anderen Medienberichten aus EU-Fonds mit rund 1,5 Millionen Euro finanziert werden, weitere 400.000 Euro soll die EU dem serbischen Roten Kreuz für Medikamente und Nahrung zur Versorgung von Flüchtlingen bereitstellen.
Bulgarien verschärft Bewachung
Angesichts der unzähligen Flüchtlinge, die nach Mazedonien kommen, verstärkte das benachbarte EU-Land Bulgarien die Bewachung seiner Grenzen verschärft. Es seien zusätzliche Helikopter und Grenzpolizisten im Einsatz, sagte Regierungschef Boiko Borissow am Samstag im südbulgarischen Smoljan. Sofia möchte verhindern, dass nun Flüchtlinge aus Krisengebieten auch über Mazedonien und Griechenland nach Bulgarien gelangen. „Diese Menschen sollten in ihren Staaten bleiben“, so Borissow nach einem Bericht des staatlichen Radios.
Immigranten aus Krisengebieten gelangen seit Jahren über die Türkei nach Bulgarien. In den ersten sieben Monaten 2015 reichten nach amtlichen Angaben mehr als 9.200 Menschen Asylanträge in Bulgarien ein. Um die illegale Einreise von Flüchtlingen über die türkische Grenze zu stoppen, baut Bulgarien einen bereits existierenden, etwa 30 Kilometer langen Grenzzaun zur Türkei weiter aus.
Links: