Haie in seichten Gewässern
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden, 76-fach höher ist als die Gefahr eines tödlicher Haiangriffs: Immer wieder geschehen Unglücksfälle, wenn die „Meeresräuber“ ihren Weg in seichte Gewässer finden. Schon länger vermutet man, dass Angler, Trophäenjäger und Wissenschaftler mit zu effektiven Lockmethoden und einer gefährlichen Gewöhnung an den Menschen als Futterquelle den Attacken Vorschub leisten könnten.
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Erst Anfang Juli verletzte ein etwa zwei Meter langer Hai einen 68-jährigen Mann vor der Küste des US-Staats North Carolina schwer. Wie die Behörden von Hyde County mitteilten, konnte der Mann trotz Bisswunden an Brustkorb, Hüfte, Unterschenkel und Händen an den Strand schwimmen. Auch in Australien wurde erst vor wenigen Wochen ein 32-Jähriger bei einer Haiattacke schwer verletzt. Nach Angaben der Polizei erlitt der Mann bei dem Angriff vor dem Touristenort Ballina südlich von Brisbane schwere Verletzungen an den Unterschenkeln. Im selben Gebiet hatte ein Hai im Februar einen japanischen Surfer getötet.
Mitte Juni verloren zwei Jugendliche zudem bei einem Haiangriff auf einem Strand in North Carolina jeweils einen Arm. Beide befanden sich im seichten Wasser und in der Nähe des Piers. Angesichts der sich zuletzt gehäuften Haiattacken vermuten Experten nicht nur einen Zusammenhang mit dem immer beliebteren Wassersport - zumindest in North Carolina nehmen Kritiker auch zunehmend die Fischerei in der Nähe von Badestränden argwöhnisch ins Visier.
Köder und Netze
Das besonders beim Haifang praktizierte Chumming könnte nämlich dafür verantwortlich sein, dass sich Haie zu weit dem Land annähern. Beim Chumming wird eine Mischung aus Blut, Fischresten und Fischöl in ein Wäschenetz oder Ähnliches gefüllt, das dann an ein Boot oder den Pier gebunden wird. Der Geruch wandert kilometerweit und lockt die Meeresräuber an. Besonders in der Nähe von dicht besuchten Stränden wird diese Technik kritisch beäugt.
Auch wenn Angler gar nicht aktiv versuchen, Haie zu ködern, könnten Piers in der Nähe von Badestränden ein Magnet für Haie sein. Denn die von den Pierfischern im Wasser verankerten Netze bieten viel Platz für kleinere Beutefische und sind deswegen ein reizvolles Jagdziel für Haie. Außerdem landen auch Überreste und Blut von gereinigtem Fischfang immer wieder im Meer, auch das zieht die Tiere an.
Haifang schon teilweise verboten
„Wenn Fische angelockt werden, werden sicher auch Haie angelockt“, so Louis Daniel von der North Carolina Division of Marine Fisheries zur „Star Tribune“. „Sollten die Haie in die Surf-Zone kommen, wo das Wasser ein wenig schlammig und trüb ist und wo tote Fische und ihre Teile herumschwimmen, kann das die Haie verwirren, und sie beißen Menschen.“ Den beliebten Haifischfang selbst haben viele Städte an der US-Ostküste bereits verboten, an spezielle Plätze verbannt oder nur in der Nacht erlaubt.
Erschwernisse für Bootstouren
Auch Massachusetts geht indessen daran, dem Geschäft mit dem Hai Beschränkungen aufzuerlegen. Der Ostküstenstaat darf sich dank wachsenden Populationen im Atlantik alljährlich über regelmäßige Sichtungen Weißer Haie freuen, was zur Basis einer florierenden Ausflugsindustrie geworden ist. Bei den Charterboot-Ausflügen werden Haie großteils mit Chumming und Fischteilen angelockt, die Touristen ins Meer werfen.
Aus Angst, die Haie könnten Menschen langfristig mit Futter assoziieren, dürfen jetzt nur noch Personen mit spezieller Genehmigung Weiße Haie fangen oder anlocken. Zuwiderhandlung wird allerdings nur mit einer Strafe von 100 Dollar bestraft.
Gewöhnung als Streitfrage
In die gleiche Kerbe schlägt Kritik an Forschern, die mittels Futtergaben direkten Kontakt zu Haien herstellen, damit sie beispielsweise Ortungssensoren an ihnen anbringen können.
Dabei bedienen auch sie sich der umstrittenen Chumming-Ködertechnik. Sie locken die Tiere damit zum Forschungsboot, wo sie Futterfische über der Meeresoberfläche baumeln lassen. Schnappt der Hai zu, gibt das den Forschern die kurze Chance, einen Sensor anzubringen. Ähnlich wie bei den Touristenbooten entbrannte auch hier breite Kritik, dass Haie durch die regelmäßige Fütterung beginnen könnten, Menschen langfristig mit Futterquellen zu assoziieren.
Bei der Frage, ob direkte Futtergaben das Beuteverhalten von Haien tatsächlich nachhaltig beeinflussen, scheiden sich allerdings die Geister. Besonders wenn kein direkter menschlicher Kontakt besteht und für das Tier lediglich ein Boot präsent ist, können sich Kritiker der Theorie weder vorstellen, dass Haie Futtergaben mit Menschen assoziieren noch dass eine konditionierende Wirkung besteht.
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