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Innenministerium bestreitet Konfrontation

Mit Tränengas und Blendgranaten hat die mazedonische Polizei am Freitag versucht, Hunderte Flüchtlinge daran zu hindern, von Griechenland nach Mazedonien einzureisen. Die Migranten flüchteten in Panik aus dem Niemandsland zwischen den beiden Staaten, wie Bilder aus dem griechischen Fernsehen zeigten.

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Mindestens zehn Menschen sollen bei den Ausschreitungen verletzt worden sein. An der Grenze hatten sich laut Schätzungen der Behörden rund 2.000 Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika versammelt. Sie verbrachten die Nacht im Freien an der Grenze. Nur wenige schafften es in der Nacht, die Grenze nach Mazedonien zu passieren, viele wurden von der Polizei wieder zurückgebracht. Die Zahl der an der Grenze gestrandeten Flüchtlinge wird noch steigen, werden doch viele Syrer erwartet, die auf der Fähre von Kos nach Piräus gefahren sind.

Flüchtlinge und Polizei an der griechisch-mazedonischen Grenze

Reuters/Alexandros Avramidis

Polizei und Flüchtlinge werden durch einen Stacheldrahtzaun getrennt

Ein Team von Ärzte ohne Grenzen behandelte dort am Freitag zehn Flüchtlinge, die durch Blendgranaten verletzt worden seien. Schon nach der Abriegelung der Grenze am Vortag habe das Team mehr als 100 Flüchtlinge wegen Erkrankungen und Erschöpfung medizinisch versorgt, teilte die Gruppe mit, die auch Hilfsgüter an die Menschen verteilte. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisierte die Grenzschließung. „Diese Flüchtlinge sind auf der Suche nach Schutz und dürfen davon nicht abgehalten werden“, sagte Sprecherin Melissa Fleming. Europa müsse eine Lösung finden und dürfe die überlasteten Länder Mazedonien und Serbien nicht alleinlassen.

Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, rief die Regierung Mazedoniens auf, an der Grenze zu Griechenland für einen ordentlichen und sicheren Umgang mit Flüchtlingen zu sorgen. Die UNO sei bereit, bei der Schaffung ausreichender Kapazitäten zur Betreuung der aus Griechenland kommenden Flüchtlinge zu helfen. Guterres habe von Mazedonien „Zusicherungen erhalten, dass die Grenze künftig nicht geschlossen sein wird“, erklärte er nach einem Gespräch mit dem mazedonischen Außenminister, Nikola Poposki. Guterres appellierte an Griechenland, die Registrierung der Flüchtlinge zu beschleunigen und ihre Unterbringung zu verbessern.

Hunderte durften Grenze passieren

Kurz nach dem Polizeieinsatz erreichten Hunderte Menschen Mazedonien. „Die Polizei hat sich zurückgezogen, und wir sind reingekommen“, sagte ein Flüchtling. „Niemand hat uns aufgehalten.“ Die Konfrontation mit der Polizei war zuvor beruhigt worden, indem Frauen und Kinder nach vorne an den Zaun geschickt wurden. Ein Sprecher des mazedonischen Innenministeriums bestritt, dass es überhaupt zu dem Vorfall gekommen sei. Das Innenministerium teilte zudem mit, dass nur noch eine „begrenzte Zahl illegaler Einwanderer aus verletzlichen Kategorien“ ins Land gelassen werde. Um welche Kategorien es sich genau handelt, war zunächst unklar.

Ausnahmezustand in Grenzregionen

Die mazedonische Regierung hatte erst am Donnerstag an den Grenzen im Süden und Norden wegen der hohen Anzahl von Flüchtlingen den Ausnahmezustand ausgerufen und damit die Grenzen faktisch geschlossen. Medienberichten zufolge wurden durch diesen Schritt etwa 4.000 griechische Flüchtlinge auf der griechischen Seite festgesetzt. In den vergangenen Wochen kamen täglich 1.500 bis 2.000 neue Migranten in dem Balkanland an.

Um die Krise zu bewältigen, müsse die Grenzregion im Süden besser kontrolliert werden, unter anderem durch die Armee, argumentierte die Regierung den regionalen Ausnahmezustand in den Grenzregionen. In den vergangenen zwei Monaten wurden rund 41.000 Asylwerber in Mazedonien registriert - vor allem aus Griechenland. Mazedonien entwickelte sich dabei zu einem Transitland für Flüchtlinge.

72 Stunden freie Fahrt

Es fehle Mazedonien an Kapazitäten, so die Regierung. Nach Angaben der Polizei stiegen die Einsatzkosten an der mazedonisch-griechischen Grenze auf 800.000 Euro pro Monat. Der verhängte Ausnahmezustand führte nun zu einem größeren Militäreinsatz an der Grenze zu Griechenland und in der Gemeinde Kumanovo im Norden Mazedoniens.

Mazedonische Polizei und Flüchtlinge an der griechisch-mazedonische Grenze

Reuters/Ognen Teofilovski

Seit Donnerstag herrscht in den Grenzregionen der Ausnahmezustand

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) übten heftige Kritik am Ausnahmezustand. Dieser werde das Schlepperunwesen florieren lassen, warnte Mersiha Smailovic, eine Mitarbeiterin der NGO Legis. Die Schlepperkriminalität war seit Mitte Juni zurückgegangen, nachdem durch die Novelle des Flüchtlingsgesetzes den Migranten ermöglicht worden war, innerhalb von drei Tagen, 72 Stunden, einen Asylantrag zu stellen und dadurch auch das Recht auf die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu erhalten. Das wurde zur Weiterreise durch Mazedonien nach Serbien und in die EU genutzt.

Überfüllte Züge Richtung Serbien

Ein Ziel dieser Maßnahmen ist auch, den Ort Gevgelija an der griechischen Grenze zu entlasten. Von dort versuchen jeden Tag zahlreiche Flüchtlinge, einen der drei Züge in Richtung Serbien zu nehmen, von wo aus sie meist weiter in Richtung Norden in die EU reisen wollen. In den vergangenen Tagen spielten sich in Gevgelija dramatische Szenen ab. Hunderte Menschen versuchten sich in die wenigen überfüllten Züge zu drängen, um nach Serbien zu reisen. Kontrolliert wurde kaum noch.

Helfer in Mazedonien führen die Krisensituation an den Grenzen auf Pläne Ungarns zurück, seine EU-Außengrenze bis Ende August mit einem 175 Kilometer langen Stacheldraht abzuriegeln. Heftige Kritik an dem ungarischen 94-Millionen-Euro-Projekt kam aus Serbien. „Die EU hätte nicht die Augen verschließen dürfen bei Stacheldraht und Zäunen, aber sie hat absichtlich weggeschaut“, sagte der serbische Regierungschef, Aleksandar Vucic. Er kündigte an, Serbien werde in Belgrad ein neues „Aufnahmezentrum“ für Flüchtlinge errichten. Bisher campieren täglich schätzungsweise 700 Menschen in Parks der serbischen Hauptstadt unter freiem Himmel.

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