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Quartiere für 35.000 Personen gesucht

Wegen der anhaltenden Probleme im Asyl-Bereich und des Streits mit Bundesländern und Gemeinden über die Unterbringung von Flüchtlingen will die Bundesregierung ab nächsten Dienstag eine „Taskforce“ bilden. Das kündigte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ (Donnerstag-Ausgabe) an.

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Die Gruppe - der neben Mitterlehner auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) sowie Verteidigungsminister Gerald Klug und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (beide SPÖ) angehören - werde „einmal wöchentlich nach jedem Ministerrat das Thema Asyl sozusagen auf ‚Chefebene‘“ betreuen, so der Vizekanzler.

Im Fokus steht eine Lösung für das überbelegte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen: „Ich bin guten Mutes, dass wir in zwei bis drei Monaten die dringendsten Quartierfragen gelöst haben - wir brauchen heuer letztendlich noch Quartiere für 35.000 Flüchtlinge“, sagte Mitterlehner.

Regierungsspitze in Traiskirchen

Um sich „persönlich ein Bild zu verschaffen“, haben Faymann, Mitterlehner, Mikl-Leitner und Bundespräsident Fischer am Mittwoch das überfüllte Asylerstaufnahmezentrum Traiskirchen besucht. Die Situation sei in letzter Zeit immer schwieriger geworden, weshalb er die Innenministerin ersucht habe, das Lager wieder einmal besuchen zu können, um einen persönlichen Eindruck zu erhalten, erklärte Fischer gegenüber der ZIB. Er habe auch vorgeschlagen, dass Kanzler und Vizekanzler mitkommen.

Außerdem habe er das Bedürfnis gehabt, sich zu bedanken, nämlich bei „jenen vielen Menschen, die in Österreich jetzt mithelfen und das Problem von der richtigen Seite sehen“, als „Problem der Menschenwürde“, meinte Fischer. Man werde sich in den nächsten Wochen und Monaten sehr anstrengen müssen. Das geplante Durchgriffsrecht des Bundes findet der Bundespräsident vernünftig. Es sei „höchste Zeit“, wenn es am 1. Oktober in Kraft trete, ihm wäre ein früherer Zeitpunkt noch lieber gewesen.

Zustände für Faymann „humanitär nicht tragbar“

Faymann bezeichnete nach dem halbstündigen Lokalaugenschein die Zustände als „humanitär nicht tragbar“. In einer Aussendung nahm er die Länder in die Pflicht: „Jedes Bundesland, das seine Quote nicht erfüllt, trägt Mitverantwortung, dass Menschen auf der Straße, in Zelten oder Bussen leben müssen.“ Um eine Entspannung in Traiskirchen zu erreichen, gebe es kurzfristig nur die Möglichkeit, österreichweit ausreichend Plätze zu schaffen, meinte Faymann. Die Bundesländer müssten eng mit dem Bund zusammenarbeiten, „die Länder haben eine solidarische Verpflichtung, es geht nur miteinander“. Es sei ihm wichtig gewesen, sich „selbst ein Bild der Lage zu machen“, sagte der Kanzler.

Bundespräsident Heinz Fischer und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner

APA/Herbert Neubauer

Seit Wochen steht das Lager im Zentrum innenpolitischer Debatten - Zeit für einen Lokalaugenschein, fand Fischer

Ähnlich Mitterlehner: Er halte es für besonders wichtig, „dass alle Beteiligten zusammenhalten und nicht gegeneinander arbeiten“, hieß es von dem ÖVP-Politiker in einer schriftlichen Stellungnahme. „Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen werden wir nichts erreichen.“ Es sei für Österreich eine große Herausforderung, seinen Teil dieses europaweiten Problems zu lösen. Dazu bedürfe es mehrerer unterschiedlicher Maßnahmen. Neben dem Durchgriffsrecht sei das etwa, die Gemeinden in Zukunft stärker einzubinden und mehr Kleinquartiere einzubeziehen.

Babler fordert Stufenplan

Nach dem Lokalaugenschein trafen sich die Bundespolitiker auch mit dem Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler (SPÖ). Er habe in dem Arbeitsgespräch den schnellstmöglichen Abbau der fast siebenfachen Überbelegung mit einem konkreten und verbindlichen Stufenplan gefordert, so Babler anschließend in einer Aussendung. Dieser solle zwischen dem Bundeskanzler, der Innenministerin und der Stadt Traiskirchen geschlossen werden.

Besuch der Regierung in Traiskirchen

ORF

Begleitet wurde die Gruppe von Polizeibeamten

NEOS kritisiert „Inszenierung“

Kritik an der Visite der Bundespolitik kam umgehend von NEOS. „Nach Wochen auf Tauchstation ist Bundeskanzler Faymann also wieder einmal gesichtet worden - mehr als heiße Luft und salbungsvolle Worte waren von ihm aber einmal mehr nicht zu hören“, ärgerte sich Beate Meinl-Reisinger, stellvertretende Klubobfrau der Partei. Anstatt für ein Ende der Obdachlosigkeit der Flüchtlinge zu sorgen, übe man sich in „medienwirksamer Inszenierung in Traiskirchen samt schönen Worten“.

TV-Hinweis

Das Team von „Am Schauplatz“ hat zwei Monate lang in Traiskirchen recherchiert. Die Langzeitbeobachtung ist am Donnerstag um 21.05 Uhr auf ORF2 zu sehen - mehr dazu in tv.ORF.at.

Spöttisch wurde der Besuch auch vom Team Stronach (TS) kommentiert. „Von Besichtigungen und vom Die-Hände-über-dem-Kopf-Zusammenschlagen sind noch nie Probleme gelöst worden. Die Empörungsbekundungen so mancher Regierungspolitiker nach ihrer öffentlichkeitswirksamen Pilgerfahrt nach Traiskirchen sind unangebracht, umso mehr, als es genau diese Personen in der Hand gehabt hätten, eine solche Zuspitzung der Situation zu verhindern“, so Klubchef Robert Lugar.

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