Mehr Abweichler in Union als erwartet
Der deutsche Bundestag hat sich mit großer Mehrheit hinter weitere Milliardenkredite für Griechenland gestellt. 453 von 585 Abgeordneten stimmten am Mittwoch in einer Sondersitzung für das dritte Hilfsprogramm, das bis Ende 2018 Darlehen des Euro-Rettungsfonds ESM von bis zu 86 Milliarden Euro vorsieht.
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Mit Nein votierten 113 Abgeordnete, 18 enthielten sich, wie Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) mitteilte. 63 Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion stimmten gegen den Regierungskurs, drei enthielten sich. Das sind mehr Neinstimmen als beim Votum über das Verhandlungsmandat im Juli. Damals stimmten 60 Union-Abgeordnete gegen den Kurs von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel - mehr als erwartet, nachdem bei einer Probeabstimmung am Vorabend nur 56 Abgeordnete die Hilfskredite abgelehnt hatten.
Schäuble sieht Wandel in Athen
„Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der in den Verhandlungen eine zeitweise Auszeit der Griechen aus dem Euro ins Gespräch gebracht hatte. Die im Jänner ins Amt gekommene Links-Regierung von Alexis Tsipras habe den Griechen das unhaltbare Versprechen gemacht, ohne Reformen im Euro zu bleiben.
Abstimmung über Griechenland-Hilfe
Das neue Hilfspaket für Griechenland hat die letzte europäische Hürde genommen. Der deutsche Bundestag hat die neue Finanzspritze für Athen abgesegnet.
„Jetzt muss er das Gegenteil von dem machen, was er versprochen hat“, sagte Schäuble. Zu den vereinbarten Reformen gehören der Aufbau einer modernen Verwaltung, der Abbau von Steuervergünstigungen, die Liberalisierung von Arbeits- und Produktmärkten und die Einrichtung eines Privatisierungsfonds. Der Wandel in Athen sei offensichtlich und mit Händen zu greifen, sagte Schäuble.

Reuters/Axel Schmidt
Kanzlerin Angela Merkel mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (l.) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
„Angesichts der Tatsache, dass das griechische Parlament einen Großteil der Maßnahmen bereits beschlossen hat, wäre es unverantwortlich, die Chance für einen neuen Anfang in Griechenland jetzt nicht zu nutzen.“ Eine Garantie gebe es aber nicht: „Die Chance ist gegeben, ob sie genutzt wird, entscheiden allein die Griechen.“ Die erste Überprüfung der Programmumsetzung ist bereits für Oktober vorgesehen. In zwei Rettungspaketen hat die Euro-Zone dem pleitebedrohten Land bereits über 200 Milliarden Euro geliehen.
Linke fordert Ehrlichkeit
Aus Sicht der Linksfraktion schreibt das Programm nur die verfehlte Sparpolitik fort. Von den 86 Milliarden Euro seien allein 54 für die Umschuldung von Altkrediten und Zinsen vorgesehen und 25 zur Stützung von Banken, aber nicht ein Euro für Investitionen. Die Reformen schwächten das Land, was widersinnig sei, weil dadurch auch die Rückzahlung der Kredite an Deutschland gefährdet werde, sagte Fraktionschef Gregor Gysi.
„Alle wissen, Griechenland wird nicht in der Lage sein, die hohe Schuldenlast zurückzuzahlen“, sagte auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: „Sie sind zu feige, diese Wahrheit gegenüber der deutschen Bevölkerung zu äußern.“ Zudem kritisierte er die Verhandlungstaktik der Bundesregierung.
Union-Fraktionschef Volker Kauder hielt dagegen, ohne den Druck aus Berlin wäre das vorliegende Paket nicht zustande gekommen. Sein SPD-Kollege Thomas Oppermann sagte, erstmals seit Tsipras’ Antritt habe man den Eindruck, dass in Athen der Wille bestehe, die Reformen auch umzusetzen: „Die griechische Regierung, auch wenn sie uns nicht gefällt, muss jetzt Erfolg haben.“
Grünes Licht aus Österreich
Als letzte Volksvertretung eines Euro-Landes hat das niederländische Parlament am Mittwoch den Weg für das neue Griechenland-Hilfspaket frei gemacht. Die Koalition von Ministerpräsident Mark Rutte aus Liberalen und Sozialdemokraten lehnte mit 81 zu 52 Stimmen einen Antrag ab, das dritte Programm nicht zu unterstützen. Zugleich wehrten die Koalitionsfraktionen einen Misstrauensantrag gegen Rutte ab, den der Rechtspopulist Geert Wilders eingebracht hatte.
Bereits am Dienstag waren in anderen europäischen Ländern Debatten und Abstimmungen über das Hilfspaket für Athen auf dem Programm gestanden, so in Estland, Spanien und auch Österreich, wo im zuständigen ESM-Unterausschuss grünes Licht gegeben wurde. Mit großer Mehrheit wurde das Griechenland-Paket auch im spanischen Parlament abgesegnet. Grünes Licht gab es auch von den Regierungen in Estland, Lettland und Litauen. In Finnland hatte schon in der vergangenen Woche der zuständige Parlamentsausschuss zugestimmt.
Noch keine Entscheidung über Neuwahl in Athen
Die Euro-Finanzminister wollen nun die erste Tranche des neuen Hilfspakets freigeben. Geht alles nach Plan, kann Athen schließlich eine bis Donnerstag fällige Rate von 3,4 Milliarden Euro bereits dank den neuen Hilfsgeldern noch pünktlich an die Europäische Zentralbank (EZB) überweisen. Damit ist die Gefahr eine Staatspleite in Athen zunächst gebannt. Allerdings steht das Land vor neuen Turbulenzen: Weil Tsipras seine Fraktion bei den Reformen nicht geschlossen hinter sich hat, steht eine baldige Neuwahl im Raum.
Der stellvertretende Kulturminister Nikos Xydakis brachte am Mittwoch nun die für Oktober geplante erste Überprüfung des Reformprogramms durch die Kreditgeber als einen Termin für eine Entscheidung über eine Wahl ins Spiel. Es gebe zwei Betrachtungen, wie man zu einer gestärkten Regierung kommen könne: Eine Neuwahl vor oder nach der ersten Überprüfung des Hilfsprogramms. „Diese Entscheidung wird der Ministerpräsident treffen“, sagte Xydakis dem Fernsehsender ERT.
Entscheidung des IWF erst im Herbst
Weil der Internationale Währungsfonds (IWF) schwerwiegende Zweifel hat, ob Griechenland die Darlehen zurückzahlen kann, lässt er seine finanzielle Beteiligung bis Oktober offen. Schäuble zeigte sich überzeugt, dass der IWF dann aber doch noch an Bord kommt. Einen Schuldenerlass lehnte Schäuble allerdings erneut ab, es gebe aber begrenzte Spielräume etwa bei den Kreditlaufzeiten.
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