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Jake Gyllenhaals Transformation

Für das Boxerdrama „Southpaw“ nimmt Jake Gyllenhaal nicht nur die Fäuste hoch, sondern auch gewaltig an Muskelmasse zu. Unter der Regie von Antoine Fuqua kämpft der Schauspieler als Billy „The Great“ Hope an mehreren Fronten. Während er im Ring nahezu unbesiegbar ist, verpasst ihm das Schicksal ein Knock-out, das ihn um Ruhm, Haus und Familie bringt.

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Mehr als fünf Monate verbrachte Gyllenhaal, der sich zuvor für den Film „Nightcrawler“ (2014) knappe zehn Kilogramm runtergehungert hatte, für die Rolle des Boxers mit hartem Training. Der US-amerikanische Schauspieler, der schon im zarten Alter von elf Jahren vor der Kamera stand, erkämpft sich mit seiner intensiven Performance als Boxweltmeister im Halbschwergewicht gute Chancen auf seinen ersten Oscar.

Tägliches Profiboxer-Work-out

Um die Figur des Billy Hope glaubhaft darstellen zu können, verlangte Regisseur Fuqua vollen Körpereinsatz. Gyllenhaals tägliches Work-out beinhaltete einen 13-Kilometer-Lauf, Seilspringen, Arbeit am Punchingball, Technik und Beinarbeit sowie Konditionstraining mit Klimmzügen und unzähligen Sit-ups.

Erneut musste der nunmehr wieder normalgewichtige Schauspieler abspecken. Denn als Halbschwergewicht-Boxer brachte er anfangs rund sieben Kilogramm zu viel auf die Waage. Dass der Schauspieler sich noch 2014 als ausgezehrter Reporter die Nächte um die Ohren schlug, sieht man der muskulösen Kampfmaschine ein Jahr danach nicht mehr an. Einen Vergleich mit Robert De Niro in „Wie ein wilder Stier“ (1980), für den De Niro als Jake LaMotta einen Oscar in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ einheimsen konnte, braucht Gyllenhaal nicht zu scheuen.

Jake Gyllenhaal und Rachel Adams in "Southpaw"

TOBIS Film

Jake Gyllenhaal und Rachel McAdams

Ups und Downs der Körperwaage

Neben der vergoldeten Statuette wurde De Niro noch mit einem Eintrag ins „Guinness Buch der Rekorde“ für die größte Gewichtszunahme eines Schauspielers für eine Rolle gewürdigt. De Niro trainierte sich damals unter den Fittichen des echten LaMotta für die erste Hälfte des Films zum Mittelgewicht und legte für die zweite Hälfte noch kräftig an Körperumfang zu, um den alten und dicken Boxer glaubhaft darstellen zu können. Stolze 27 Kilogramm mehr brachte er dafür auf die Waage.

Das Auf und Ab der Körperwaage kennen auch andere leidensfähige Darsteller. So bewies zum Beispiel Model und Schauspielerin Charlize Theron Mut zur Hässlichkeit in der Rolle einer Serienmörderin im Drama „Monster“. Sie futterte sich mit Doughnuts, Chips und Co. 14 Kilogramm mehr auf die Rippen. Richtig ungesund war wohl auch das Programm von Kollege Christian Bale, der sich für „Der Maschinist“ 30 Kilogramm runterhungerte.

Regisseur Antoine Fuqua

TOBIS Film

Regisseur Antoine Fuqua im Ring

Boxen wie Muhammad Ali

Als Trainer der Darsteller in Fuquas Film fungierte der legendäre Boxcoach und Kampfchoreograf Terry Claybon. Dieser hatte nicht nur mit Denzel Washington in Fuquas Film „Training Day“ gearbeitet, sondern auch mit Muhammad Ali. Claybon attestiert dem Regisseur „ein gutes Auge fürs Boxen“, denn dieser hat nicht nur Sparringkämpfe absolviert, sondern auch Ringerfahrung. Fuqua war auch beim täglichen Work-out seines Hauptdarstellers anwesend, heißt es. „Es war erstaunlich, jeden Tag deinen Regisseur dabei zu haben, der dich anfeuert. Und ich glaube, dass diese Energie im Film zu spüren ist“, sagte Gyllenhaal.

„Es wird alles mitgedreht ...“

Fuqua wollte einen realistischen Film drehen, bei dem die Box-szenen so echt wie möglich aussehen sollten. Der Regisseur dazu: „Ich sagte Jake, dass wir alles mitnehmen. Wenn du also müde wirst oder in Ohnmacht fällst oder kotzen musst, wird das alles mitgedreht.“ Authentisch geht es auch gleich in der ersten Szene los, wenn das Bandagieren der Hände durch die Blicke der von der Kommission abgestellten Herren gezeigt wird, die Billys Fäuste wie den Heiligen Gral überwachen.

Wirklichkeitsgetreu bleibt es auch hinsichtlich der Kameraführung bei den Boxszenen und der Kommentatoren. Fuqua konnte nicht nur das langjährige Kamerateam von HBO-Boxing gewinnen, sondern auch den legendären Ringrichter Tony Weeks und die Sprecher Jim Lampley und Roy Jones jr. Als einer der Kommentatoren zu Beginn des Film sagt, „Für Billy Hope gibt es immer eine Chance!“, läutet das die erste Handlungsrunde ein.

Das Glück ist ein Vogerl

Noch vor dem ersten Gong zeigt Fuqua das Familienidyll der Hopes. Ein bisschen zu dick aufgetragen vielleicht und einmal zu oft wird das allgegenwärtige „I love you“ aufgesagt. Billy als liebender Familienvater kommt etwas dümmlich, wenngleich sympathisch rüber. Dass so manches Klischee breitgetreten wird, nimmt man dem Film dennoch nicht allzu übel. Denn Gyllenhaals Performance entschädigt dafür ebenso gekonnt wie der konsequent verfolgte Realismus im gezeigten Boxzirkus.

Und auch die restliche Schauspielerriege kann sich sehen lassen. So überzeugt Rachel McAdams als toughe Ehefrau und Mutter Maureen. Als „Boxer-First-Lady“ zieht sie im Hintergrund die Fäden. Töchterchen Leila, deren Klugheit noch durch eine Intellektuellenbrille hervorgehoben wird, komplettiert das Idyll. Doch das Glück ist ein Vogerl und im Falle von Maureen und Billy eine tätowierte Schwalbe am Hals. Kurzum: Es dräut Unheil.

Durch Billys unkontrollierte Wut kommt es zur Katastrophe. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und bringt die Zuseher allzu früh um McAdams, von der man gern mehr gesehen hätte. Als Ersatz und Sympathieträger tritt nun Forest Whitaker als Trainer Titus „Tick“ Wills auf den Plan. Tick philosophiert in bester „Ghost Dog“-Manier und bekommt von Kameramann Robby Müller eine an Jim Jarmuschs Kultfilm angelehnte Kampfszene auf den Leib geschneidert.

Jake Gyllenhaal in "Southpaw"

TOBIS Film

Gyllenhaal in Aktion

Musikalische Größen en gros

Wer Maureen auf dem Gewissen hat, bleibt vage und ungewiss. Billy vermeint, als Schuldigen den Boxer und Provokateur Miguel Escobar, alias Miguel Gomez, zu erkennen, und sucht diesen zu Hause auf. An der Tür erscheint jedoch nur dessen Ehefrau Maria, als kaputte Fixerin von der Sängerin Rita Ora dargestellt. Wieso der in edlem Zwirn gewandete Nachwuchsboxer Escobar ausgerechnet mit ihr zusammen sein sollte, ist eine weitere ungeklärte Frage.

Musikalisch aufgeladen ist nicht nur der Cast mit Ora und Curtis „50 Cent“ Jackson als Billys geldgierigem Manager, sondern auch der ursprünglich geplante Hauptdarsteller. Kein Geringerer als Rapmusiker Marshall Mathers, aka Eminem, war die erste Wahl und auch der Initiator des Films. Der Musiker sagte die Rolle kurzfristig ab, steuerte aber einige Songs bei, unter anderem „Phenomenal“, den ersten Song des offiziellen Soundtracks.

Alles futsch

Wie eingangs vom Kommentator vage angedeutet, kämpft sich nun „The Great“ von ganz unten zurück nach oben. Der Weg dahin ist steinig, aber der im Waisenhaus aufgewachsene Billy versteht sich aufs Durchhalten und Einstecken. Der eigentliche Kampf findet jedoch außerhalb des Rings statt. Billy ringt mit dem Leben und um seine Tochter, die nach seinen Drogen- und Alkoholproblemen in staatliche Obhut genommen wird.

Körperlicher und geistiger Wandel

Der Film lebt großteils von seinem Hauptdarsteller, der nicht nur vor Drehbeginn eine körperliche Wandlung durchmachte, sondern auch während der filmischen Arbeiten die Transformation seiner Figur glaubhaft darstellt. Billy, eine anfangs wütende und drauflosprügelnde Kampfmaschine, lernt, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. So wird unter den Fittichen des Lebens und guter Anleitung von Trainer Tick aus dem zu Beginn etwas tumben, doch gutherzigen Mann ein Vorzeigevater-Modell.

Was nun genau „Southpaw“ eigentlich bedeutet, lässt sich nachlesen. Kenner sowie „Rocky“-Fans wissen es ohnehin. Das realistisch gestaltete Boxerdrama punktet mit gutem Cast und ist aufgrund des außergewöhnlichen Engagements des Hauptdarstellers absolut sehenswert. Wenn man vom leichten Klischeeüberhang absieht und sich voll und ganz auf Gyllenhaals Performance konzentriert, ist man auf der sicheren Ringseite und hält locker bis zur zwölften Runde durch.

Carola Leitner, ORF.at

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