„Ich bin noch nie gescheitert“
Frank Stronach möchte auch nach dem Wechsel von vier seiner Abgeordneten zur ÖVP weitermachen. „Ich bin noch nie gescheitert“, sagte er vor mehr als einer Woche beim ORF-„Sommergespräch“ mit Hans Bürger - noch vor dem Austritt der Abgeordneten Jessi Lintl. Die Abgänge, insbesondere den seiner bisherigen Vertrauten Kathrin Nachbaur, kommentierte Stronach nur widerwillig.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die vier hätten einen Ehrenkodex unterschrieben, den sie nun gebrochen hätten, so der Austrokanadier. Nun würden sie zu einer Partei „ohne Werte wechseln“. Auf die Frage von Hans Bürger, ob er menschlich enttäuscht sei, sagte Stronach: „Natürlich, wenn man mit jemandem so lange zusammenarbeitet.“
„Das ist die Zukunft“
Stronach sprach wörtlich von einem „Säuberungsprozess“, man könne nicht auf Leute bauen, „die den Charakter nicht haben“. Versprechen müsse man halten, sonst ruiniere man seinen Ruf - das bleibe immer an einem „picken“. Nachbaur sei jedenfalls „Vergangenheit“, er spreche nicht über solche Sachen: „Das Leben kommt so, wie es kommt. Fertig, abgehakt, jetzt sprechen wir über die Wirtschaft.“

ORF/Milenko Badzic
Statt der angekündigten großen Neuigkeiten brachte Stronach ein Taferl mit
Die im Vorfeld von ihm selbst angekündigte Überraschung blieb aus. Aufgeben will Stronach jedenfalls nicht: „Wenn es jetzt nicht geht, dann in zehn oder 20 Jahren“, meinte er angesprochen auf seine alte Ankündigung, er werde einmal den Bundeskanzler stellen. Auch Abraham Lincoln sei „drei- oder viermal“ gescheitert. Man solle nicht gleich aufgeben, und sogar den direkten Appell „Seid beim Team Stronach dabei, das ist die Zukunft“ brachte der Milliardär unter.
Personalentscheidung am Dienstag
Wie genau die Zukunft aussehen soll, verriet Stronach erst am Dienstag. Am Vormittag wurde in einer Klubsitzung der neue Klubobmann gewählt: Schon Tage davor hatte es geheißen, Robert Lugar werde Waltraud Dietrich in dieser Position ablösen. Lugar, schon einmal Klubobmann des Teams Stronach, diente bereits als stellvertretender Parteichef und wurde zwischendurch fast, aber dann doch wieder nicht Generalsekretär. Lugar ist allerdings mit dem Hypo-Untersuchungsausschuss ordentlich eingespannt. Nach der Sitzung war eine Pressekonferenz zur „Präsentation der Zukunftspläne des Team Stronach“ angesetzt.
Bekannte Positionen
Inhaltlich war von Stronach bereits Bekanntes zu hören. Es sei „Feuer am Dach“, die „Wirtschaft“ funktioniere nicht: „Wenn man so weitermacht, fahren wir gegen die Wand.“ Mit einer Gesetzeslesung versuchte er, auf überbordende Bürokratie in Österreich aufmerksam zu machen. Er plädierte erneut für eine Reduktion der Verwaltungsausgaben, wolle aber nicht „mit der Motorsäge“ vorgehen.
Die tägliche Neuverschuldung betrage 36 Millionen Euro, das entspreche 120 Häusern, versuchte er per Taferl mitzuteilen. Gegen die Pflichtmitgliedschaft der Kammern plädierte Stronach einmal mehr - genauso wie für ein Limit von zwei Legislaturperioden von Politikern, die nur darauf schauen würden, wiedergewählt zu werden. Ein Drittel der Abgeordneten sollte zudem direkt gewählt werden.
Für „ökonomische Demokratien“
Auch sein demokratiepolitisches Credo präsentierte Stronach: Eine „faire Wirtschaft“ sei die Basis. Er sprach von einer „ökonomischen Rechtsverfassung“, ökonomische Demokratien seien die Basis für politische Demokratien. Und Arbeiter hätten ein moralisches Recht auf einen Teil des Profits von Unternehmen.

ORF/Milenko Badzic
Nachbaur gehört für Stronach längst zur Vergangenheit
Stronach zeigte auch seine ökologische Seite: Öl werde es beim derzeitigen Verbrauch bald nicht mehr geben, man müsse Windräder und Solarenergie fördern. Er selbst sieht sich offenbar als Elektroautopionier: Er habe das erste Elektroauto gebaut. Den Ford Escort, das für Stronach „meistverkaufte Auto der Welt“, habe er elektrifiziert. Wirtschaft und Umwelt müsse man ausbalancieren. Mit den Grünen könne er aber nicht, die hätten dem Rettungsschirm ESM zugestimmt.
Emotional bei Griechenland und Flüchtlingen
Deutliche Worte fand der Parteigründer zur Griechenland-Krise: Was passiert ist, sei ein Verbrechen gegen die Griechen. Man habe nur die Banken gerettet, die Griechen selbst würden fast nichts bekommen. Stronach sieht aber bereits einen Geburtsfehler beim Euro, die Unterschiede zwischen nördlichen und südlichen Ländern seien von Anfang an zu groß gewesen. Und er forderte einmal mehr, jedes Land solle seinen eigenen Euro haben, blieb aber eine Erklärung, wie das konkret funktionieren soll, wieder schuldig.
Emotional wurde Stronach in der Flüchtlingsfrage: „Was haben wir für eine Gesellschaft hier, wir schauen zu, wie Tausende Frauen und Kinder abgemetzelt werden.“ Er meinte, man müsse UNO-Spezialtruppen mobilisieren und Schutzzonen errichten. Er blieb aber schuldig zu sagen, wo genau: in den Ländern, „wo diese Probleme sind“. Die Flüchtlingspolitik in Österreich selbst sei schlecht geplant, auch hier wollte er aber keine Details nennen. Einerseits sagte er, Österreich sei ein kleines Land und könne nicht alle aufnehmen, andererseits forderte er, dass das Land offen bleiben müsse. Auch bei Ausführungen über die Mafia in Italien und Kolumbien blieb die intendierte Aussage recht unklar.
Stronach und die Frauen
Gleich mehrmals betonte Stronach, das Leben sei gut zu ihm gewesen. Auch seinen Aufstieg, seine Erfahrungen in Unternehmen und Aufsichtsräten und sein soziales Engagement brachte er in bekannter Weise ins Spiel. Er sei gegen Ungerechtigkeiten und er fühle sich privilegiert, das machen zu können, was er mache.
Ein Lapsus passierte Stronach beim abschließenden Word-Rap, den er eigentlich gar nicht mitmachen wollte („Schicken’S mir das zu, ich beantworte das schriftlich“): Auf die Fragen, was Frauen für ihn bedeuten, meinte er: „Frauen sind Menschen wie wir.“ Immerhin hatte er davor schon die erste Frau genannt, die ihm Befehle geben dürfe: seine Enkeltochter.
Quotenrekord für Stronach
Das „Sommergespräch“ mit Stronach hatte laut ORF-Aussendung 822.000 Zuschauer - und geht damit als die meistgesehene Sendung seit Bestehen der Interviewreihe in die Annalen ein.
„Keine sprachlichen Selbstmordkommandos“
Politologe Peter Filzmaier attestierte Stronach in der ZIB2 jedenfalls, „keine extremen sprachlichen Selbstmordkommandos“ begangen zu haben. Stronach habe aber viel Altbekanntes von sich gegeben - Stehsätze und Hinweise darauf, dass die Fragen überschätzt seien. Zur Zukunft der Partei nach den Überläufen meinte Filzmaier, dass auch der Untergang des BZÖ mehrere Jahre gedauert habe - das Team Stronach sitze immerhin in drei Landtagen. Aber dem Wähleraufruf des Austrokanadiers im „Sommergespräch“ würden wohl nicht „Hunderttausende“ folgen.
Link: