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Und was wurde aus Kevin?

Jeder Epoche ihre Mode - und offenkundig auch jeder Zeit ihre Modenamen. Das trifft vor allem die Kleinsten der Gesellschaft, die von ihren Eltern nicht nur die Namen der Zeit, sondern auch persönliche Vorlieben umgehängt bekommen. Dass diese Vorlieben auf die Namen Ben, Tim, Luis und Finn hören, sich aber nicht mehr auf Franz, Josef und Wolfgang reimen, macht ein Blick auf 30 Jahre Namensgeschichte deutlich, die die Statistik Austria im Datenblattformat veröffentlicht.

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Von Interesse beim Blick in die Statistik ist nicht nur die Hitliste der beliebtesten Vornamen österreichischer Buben und Mädchen. Aufschlussreich ist, welche Namen bei beiden Geschlechtern im breiten Statistikkorpus auftauchen - also etwa in den Top 60 bei den Buben- und Mädchennamen.

Doris, Birgit und Monika waren Mitte der 1980er Jahre noch typische Vornamen für Mädchen, Franz, Josef und Wolfgang für Buben. All diese Namen haben mittlerweile eines gemeinsam: Sie sind aus der Top 60 der beliebtesten österreichischen Mädchen- und Bubenvornamen verschwunden.

Einsilbige Bubennamen, Blumiges bei Mädchen

Bubennamen, so macht es nun auch die aktualisierte Statistik mit der Hitliste des Jahres 2014 deutlich, werden einsilbig. Bei Mädchennamen tauchen dafür Vielsilber auf, die man zu Beginn der großen Statistik-Austria-Onlinelisten 1984 noch nicht kannte: Valentina, Emilia, Annika und Mia sind mittlerweile gängiger, als es Monika, Birgit und Doris je waren. Dafür war der Topname Anna bei Mädchen (erneut 2014 wie in den zwei Jahren davor) im Jahr 1984 gerade einmal auf Platz 37.

Grafik zu den häufigsten Vornamen 2014

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

Bei den Bubennamen konnten sich so etablierte Namen - im Zuschnitt: schon der Papa und der Opa hießen so - wie Josef und Franz mit den Plätzen 28 und 29 noch im guten Mittelfeld halten. In den Top 60 2014 sind Franz und Josef nun verschwunden. Dafür taucht seit zwei Jahren Finn auf. 2013 noch auf Platz 59, ist Finn mittlerweile auf 49 geklettert. Tendenz, ob des starken Luis- und Fabian-Überhangs: steigend.

Bei den Mädchen traten ab 2004 die Namen Emily und Valentina auf den Plan. 2003 noch in den Top 60 abwesend, glänzten beide mit einem unaufhaltsamen Aufstieg. 2004 stieg Emily mit Platz 51 in die Charts ein, Valentina gar mit Platz 37, Tendenz bei Letzterer über lange Zeit steigend.

Das Schicksal von Kevin und Jennifer?

Die Haltbarkeit bestimmter Trendnamen lässt sich vielleicht an den Schicksalen der Kevins, Jennifers und Michelles ablesen. Kevin betrat 1988 mit Platz 37 die Namenscharts, kletterte 1993 gar auf ein Hoch von Platz 19, das er eine Zeit lang behaupten konnte. 2009 lag Kevin auf Platz 51 und musste danach w. o. geben. Die Zeit von Ben, Tim, Yannick und Nicholas schien angebrochen.

Jennifer war dagegen frühreifer. Sie betrat 1986 die Charts (Platz 52) und überholte rasch Zungenbrecher-Exotinnen wie Jacqueline. In ihren besten Zeiten schaffte es Jennifer unter die Top 15 (1993: Platz 15) - und hatte dabei immer den Namen Jacqueline etwas weiter hinter sich im Schlepptau. 2002 und 2003 markierten dann die Jahre des radikalen Jennifer-Abstiegs, 2004 nochmals ein kurzes Aufbäumen, aber 2005 war Jennifer Geschichte. 2005 brachte dafür den Einstieg des Namens Celina (Platz 53). Im Mittelfeld hatten sich zu dieser Zeit Exotinnen im Zuschnitt einer Chiara etabliert (wie aus dem Nichts 2002 im Top-35-Segment).

Wohin geht der Trend?

Ein leichter Italianismus scheint ohnedies ein Zeichen der 2000er Jahre zu sein - ebenso wie die Wiederentdeckung ganz alter Heiligennamen. Franziska entwickelte sich bekanntlich zu einem wahren Modenamen. Selbst der fränkische Kilian schaffte es als alter Heiliger zwischenzeitlich in die heimischen Namenscharts.

„Auch wenn es für Ihre Ohren komisch klingen mag: Ernst, Otto, Elisabeth und Sieglinde werden nochmals eine Chance bekommen“, meinte der Soziologe Jürgen Gerhards. Das war freilich 2004, als sein Buch über das Verhältnis von Vornamen und Moderne erschien. Und noch gibt es weder in Deutschland noch Österreich eine erkennbare Otto-Konjunktur. Dennoch: Für den an Pierre Bourdieu geschulten Soziologen suchen Eltern gerade bei der Wahl des Kindernamens nicht selten auch den Distinktionsgewinn. Im Fall von Luis, Selina, Mona und Co. ist dieser für die Gegenwart relativ.

Gerald Heidegger, ORF.at

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