Strömungen untermauern Theorie
Ein angeschwemmtes Wrackteil auf einer Insel im westlichen Indischen Ozean könnte die erste heiße Spur zum verschollenen Malaysia-Airlines-Flug MH370 sein. Australiens Vizepremierminister Warren Truss hält es für eine „realistische Möglichkeit“, dass das etwa zwei Meter lange, mit Muscheln besetzte Stück von dem mit insgesamt 239 Menschen verschwundenen Flugzeug stammt.
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Australien koordiniert die Suche nach Flug MH370 im südlichen Indischen Ozean. Dort, etwa 4.000 Kilometer von der Fundstelle entfernt, soll die Boeing 777 der Theorie zufolge vor 16 Monaten abgestürzt sein. Winde und Strömungen könnten schwimmende Teile so weit bringen, sagen Meeresforscher.
Nummer identifiziert
Der Fund auf der französischen Insel La Reunion, Hunderte Kilometer vor der Ostküste Afrikas, sei eine bedeutende Spur, sagte Truss am Donnerstag weiter. An dem Wrackteil, das eine Flügelklappe zu sein scheine, sei die aufgedruckte Nummer BB670 gefunden worden. Das sei keine Serien- oder Registrierungsnummer, aber vielleicht eine Wartungsnummer. Auch diese könne helfen, die Herkunft des Flugzeugteils zu bestimmen. Das Fundstück soll zur Untersuchung nach Frankreich gebracht werden.

Grafik: Map Resources/APA/ORF.at; Quelle: APA
Teil eines Koffers gefunden
Der malaysische Ministerpräsidenten Najib Razak hält es für „sehr wahrscheinlich“, dass das Wrackteil von einer Boeing 777 stammt. Erste Informationen deuteten darauf hin, schrieb Razak auf seiner Facebook-Seite, ohne Details zu nennen. Gleichzeitig warnte er vor vorschnellen Schlüssen: Ob das Stück tatsächlich von dem seit 16 Monaten vermissten Flug MH370 stammt, müsse noch geprüft werden, erklärte er. Es habe schon zu häufig „falschen Alarm“ gegeben.
Am Donnerstag wurde auch ein Teil eines Koffers entdeckt. Es sei an der gleichen Stelle aufgetaucht, an der das Wrackteil angeschwemmt wurde, berichtete die Regionalzeitung „Le Journal de l’Ile de la Reunion“ (Onlineausgabe). Ein Journalist der Zeitung veröffentlichte ein Foto auf Twitter, das die zerrissenen Überreste des Koffers zeigen soll.
Absturz bis heute rätselhaft
Das Flugzeug war am 8. März 2014 auf dem Weg von Kuala Lumpur in Malaysia nach Peking vom Radar verschwunden. Der Jet flog nach den Ermittlungen noch sieben Stunden nach dem letzten Radarkontakt Richtung Süden, wie automatische Satellitensignale nahelegten. Ermittler gehen bisher davon aus, dass die Maschine abstürzte, als der Treibstoff ausging. Niemand weiß, was an Bord passiert ist. Die Piloten hatten nie Probleme gemeldet oder Alarm geschlagen.
Behörden zurückhaltend
Experten untersuchen das Wrackteil derzeit, um herauszubekommen, von welchem Flugzeugtyp es stammt. MH370 war eine Boeing 777 - die einzige Maschine dieser Art, die derzeit vermisst wird. Die französische Flugunfall-Untersuchungsbehörde BEA hat Experten nach La Reunion geschickt, um die Ermittlungen zu koordinieren.
„Wir haben bisher keine eindeutige Verbindung nachgewiesen zu Flug MH370“, sagte ein Sprecher der Gendarmerie. Auch die Präfektur der Insel erklärte, das Fundstück sei noch nicht identifiziert. „Keine Hypothese kann ausgeschlossen werden einschließlich der Herkunft von einer Boeing 777.“
Nach Angaben des US-Luftfahrtexperten Greg Feith, der früher für die US-Luftfahrtaufsicht Abstürze untersuchte, gibt es in diesem Bauteil viele Hohlräume, in denen Luft eingeschlossen ist. Das erklärt, warum das Wrackteil auf der Oberfläche des Meeres trieb, während der Großteil des Flugzeugs aller Wahrscheinlichkeit nach die auf den Meeresgrund gesunken ist.
Meeresforscher erwarteten Fund
Australische Meeresforscher stützten die MH370-Theorie. „Wir hatten erwartet, dass zwölf bis 18 Monate nach dem Absturz Teile in Madagaskar oder Umgebung auftauchen“, sagte Küstenozeanograf Charitha Pattiaratchi von der Universität Westaustraliens. Er hoffe, dass noch weitere Wrackteile gefunden werden. Der Rumpf des Flugzeugs liege aber wohl auf dem Meeresgrund. Auch Jochen Kämpf von der Flinders-Universität in Adelaide meinte, schwimmende Teile könnten den Indischen Ozean durchqueren.
Die Oberflächenströmung bewegt das Meer zwischen Australien und Afrika in einer riesigen Kreisbewegung. Der nördliche Bogen fließt von Ost nach West. Die Strömung kann mehr als drei Kilometer in der Stunde betragen, mehr als 70 Kilometer am Tag. Das Flugzeug ist seit mehr als 500 Tagen verschwunden - 4.000 Kilometer wären kein Problem.
Kein Rückschluss auf Fundstelle?
Die Forscher dämpfen aber Erwartungen, vom Fundort eines Treibgutstücks Rückschlüsse auf die Absturzstelle ziehen zu können. „Wir wüssten höchstens: Sie ist im östlichen Teil des Ozeans, südlich des Äquators und nicht zu nah an der australischen Küste“, sagte Kämpf. Das sei ungenauer als das 120.000 Quadratkilometer große Gebiet, das mit Hilfe von Satellitensignalen ermittelt wurde. Dort suchen derzeit Schiffe mit Unterwasser- und Sonargeräten. Es ist eine der abgelegensten Meeresregionen der Welt. Das Wasser ist dort teils 6.000 Meter tief.
Erste Spekulationen
Der Luftfahrtforscher Peter Marosszeky von der Universität von New South Wales sagte dem australischen Rundfunksender ABC, die Bestimmung des Wrackteils müsste eigentlich schnell gehen. Jedes Teil trage normalerweise eine sicher befestigte Edelstahlplatte mit Nummern. Das gefundene Tragflügelstück sehe nicht so aus, als sei es durch eine Explosion vom Rumpf getrennt worden, sagte John Cox, Chef der Luftfahrt-Consultingfirma Safety Operating Systems, dem US-Sender NBC. Sollte das Teil zu der vermissten Boeing gehören, deute das auf eine „sanfte Landung“ hin, wahrscheinlich auf dem Wasser.
Malaysia Airlines wollte sich an Spekulationen über den Fund zunächst nicht beteiligen. „Im Moment wäre es für die Airline zu früh, über die Herkunft des Objekts zu spekulieren“, teilte Malaysia Airlines in Kuala Lumpur mit. Auch die malaysische Regierung warnte davor, voreilige Schlüsse zu ziehen, ehe es nicht eindeutige Beweise gebe.
Angehörige skeptisch
Die Mehrheit der Passagiere von MH370 stammte aus China. Angehörige äußerten sich skeptisch über den Fund. Viele fürchten, es handle sich nur um ein Gerücht - sie warten auf eine offizielle Bestätigung. „Es ist so weit weg, wo sie das Teil gefunden haben“, wunderte sich Liu Dongliang, dessen Bruder an Bord der Maschine war. „Die Nachricht kommt nicht von einer offiziellen Quelle, deswegen bezweifle ich, dass es wahr ist.“
Auch Chen Pu, dessen Frau in dem Flugzeug war, sagte: „Es ist wieder ein Gerücht wie so viele Gerüchte davor. Ich glaube es nicht und würde empfehlen, keine Gerüchte zu verbreiten.“ Die Angehörige Mei Ling sagte: „Ich habe das Verbindungsbüro angerufen. Es ist nicht bestätigt, dass es ein Wrackteil von MH370 ist.“ Es würde ihr auch nicht reichen. Sie wolle wissen, wo die Menschen aus dem Flugzeug seien - „nicht nur irgendwelche Teile eines Flugzeugs“, sagte sie.
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