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Über 150 Länder sind betroffen

Millionen Frauen, Männer und vor allem Kinder werden jährlich Opfer unterschiedlichster Formen der modernen Sklaverei: Sie werden als Arbeitskräfte verkauft, zwangsverheiratet, zur Prostitution gezwungen, im schlimmsten Fall werden ihnen Organe entnommen. Anlässlich des zweiten Welttages gegen den Menschenhandel Ende Juli rief die UNO zum Handeln auf.

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Trotz der Schlagzeilen, die das Thema immer wieder macht, fehle es an Initiativen. Es müsse mehr dafür getan werden, die organisierten Netzwerke, die hinter dem Verbrechen stehen, auszuschalten und gleichzeitig den Opfern zu helfen, hieß es in einer Presseaussendung des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).

Die Zahlen, die das UNO-Büro nannte und die bereits im letzten Jahresbericht 2014 veröffentlicht worden waren, sind alarmierend: „Zumindest“ 152 Staaten seien Ursprungsländer für Menschenhandel, 124 seien Zielländer. Zum Vergleich: Die UNO-Liste der Staaten weltweit umfasst 193, es gibt über 500 bekannte Routen, die Menschenhändler benutzen. Damit ist klar, dass moderne Sklaverei keineswegs nur ärmere Länder betrifft.

Hunderte Fälle in Deutschland und Österreich

Überhaupt sei „kein Land immun“, heißt es vom UNODC. Auch Österreich ist es nicht. Der Jahresbericht 2014 nennt allein für 2012 127 Fälle, über 200 Tatverdächtige und 20 Verurteilungen. In Deutschland waren es 776 Verdachtsfälle (2012) und 120 Verurteilungen (2011). Unter den gesamten Fällen von 2011 und 2012 fanden sich 1.257 von sexueller Ausbeutung und 46 von Zwangsarbeit.

Zumeist Kinder, am häufigsten Mädchen

Insgesamt sind laut der UNO-Organisation 33 Prozent der bekannten Opfer von Menschenhändlern Kinder, um fünf Prozent mehr als im Zeitraum 2007 bis 2010. Unter den Kindern sind es 75 Prozent Mädchen, 70 Prozent der Betroffenen insgesamt sind Frauen und Kinder.

Die Gesetzgebung in vielen Ländern sei durchlässig, heißt es vom UNODC, vielfach werde nur sehr lasch gegen Menschenhändler vorgegangen. Das mache Millionen Menschen „verletzbar“. In vielen Ländern gebe es kaum oder keine Verurteilungen. Straflosigkeit sei „unakzeptabel“, sie zeige, „dass Menschenhändler derzeit mit ihren Verbrechen davonkommen“.

Unsummen vor allem mit Prostitution umgesetzt

Auch die USA hatten erst vor Kurzem etwa Russland, Thailand und dem Iran vorgeworfen, zu wenig gegen „moderne Sklaverei“ zu tun. Auch Libyen, Syrien, Jemen, Nordkorea, Venezuela, der Südsudan und Simbabwe würden die internationalen Standards im Kampf gegen Menschenschmuggler nur ungenügend umsetzen, so das US-Außenministerium. Der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge verdienen Schmugglerbanden mit Zwangsarbeit und sexueller Ausbeutung jährlich 150 Mrd. Dollar (knapp 136 Mrd. Euro). Davon würden alleine 99 Mrd. Dollar auf Zwangsprostitution entfallen.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief anlässlich des Welttages der Menschenrechte zu mehr Unterstützung für die Opfer auf. Die Welt müsse „denen, die sie brauchen, sinnvolle Hilfe gewähren, dazu gehört Schutz und Zugang zu Rechtsmitteln und Rechtshilfe“.

Heute anders als vor zehn Jahren

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte anlässlich einer Konferenz Anfang Juli in Wien, moderne Sklaverei mache vor so gut wie keinem Land halt. „Menschenhandel kennt keine Grenzen, und eigentlich finden wir in jedem Land Fälle“, sagte Madina Jarbussynova, die Sonderbeauftragte der OSZE für den Kampf gegen Menschenhandel.

Manche Länder, die seit Jahren vor allem als Ursprungs- und Transitländer galten, sind heute auch zu Destinationsländern geworden. Es sind nicht mehr nur die „westlichen, wirtschaftlich gut entwickelten Länder, sondern alle Länder der OSZE“, so Jarbussynova. „Beinahe täglich hören wir von tragischen Fällen von Menschenhandel. Viele spielen sich entlang der Migrationsrouten ab.“ Nicht nur der Mittelmeerraum, auch andere Routen wie von Afghanistan aus oder seit etwa 1,5 Jahren die Ukraine seien betroffen.

Bis hin zu Organhandel

„Früher sprachen wir vor allem über den Menschenhandel zur sexuellen oder zur Arbeitsausbeutung. Unser Büro hat aber auch bereits Berichte über neue Formen wie zum Zweck des Organhandels oder alle Formen von Menschenhandel, der Kinder betrifft, veröffentlicht.“ Die Sonderbeauftragte erläuterte weiter, dass u. a. auch der Aspekt der Zwangsheirat vom Blickwinkel des Menschenhandels betrachtet werde. Zudem seien auch erste Fälle von ausländischen Kämpfern, die sich islamistischen Gruppen angeschlossen hätten, die Hinweise auf Menschenhandel bieten, aufgetreten. Also auch der Menschenhandel für Terroranschläge müsse recherchiert werden.

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