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Wettrennen mit Toyota und GM

Von zehn in Deutschland neu zugelassenen Autos sind im ersten Halbjahr vier aus dem Volkswagen-Konzern gekommen. Doch mit Blick in die Ferne wird es ungemütlicher für die Wolfsburger: Ihr stärkstes Zugpferd China bereitet ihnen Sorgen. Die enorme Abhängigkeit von dem lange brummenden Riesenreich schob den VW-Konzern gen Weltspitze - und könnte nun den Endspurt bremsen.

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VW schwächelt im globalen Wettkampf umso mehr, je weiter es in die Ferne geht. Von China abgesehen hat Volkswagen in Übersee Defizite im Rennen mit den größten Autoherstellern General Motors (GM) aus den USA und dem Noch-Branchenprimus Toyota aus Japan. Lange überdeckte die VW-Stütze China dieses Ungleichgewicht in der Ferne. Doch auf dem weltgrößten Automarkt wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Die China-Verkäufe zum Halbjahr liegen bei Volkswagen vier Prozent im Minus. Dabei entfällt ein gutes Drittel des Konzernabsatzes auf China. Auch daher ist die weltweite VW-Auslieferungsbilanz zum Halbjahr negativ.

Volkswagen war in den ersten sechs Monaten gemessen an den Verkaufszahlen trotz der eigenen Absatzschwäche weltweit mit 5,04 Millionen Fahrzeugen (Rückgang um 0,5 Prozent) der größte Autohersteller. Europas Nummer eins überholte im ersten Halbjahr beim Absatz den japanischen Konkurrenten Toyota. Die Japaner verkauften bis Ende Juni 5,022 Millionen Fahrzeuge der Marken Toyota, Daihatsu und Hino, wie der Konzern am Dienstag in Tokio mitteilte. Das war ein Rückgang von 1,5 Prozent. Beim US-Konzern GM, der Nummer drei weltweit, stagnierte der Absatz bei 4,8 Millionen Autos.

Verkaufszahlen in China gehen zurück

Problematisch für VW: Der Gesamtmarkt China war im Juni erstmals seit Jahren im Minus. Für Branchenkenner wie Stefan Bratzel war das absehbar: „Die Frage ist, ob die Verkaufsrückgänge nur eine vorübergehende Delle sind oder ob sich das länger zieht“, so Bratzel gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

China befinde sich im Übergang von einem boomenden zu einem zunehmend moderat wachsenden Markt. Auch Experte Peter Fuß, Partner beim Beratungsriesen Ernst & Young (EY), sagt: „Ich sehe in China keine Zäsur.“ Auf einem hohen Niveau fielen die zweistelligen Wachstumsraten nun zwar auf einstellige Werte. „Das war aber auch zu erwarten, da dieses Land exorbitant schnell wächst. Und jetzt ist Innehalten geboten, damit dieser Markt nicht anfängt zu überhitzen.“

Fuß, der seit vielen Jahren die Autohersteller in Strategiefragen berät, gibt zu bedenken, dass in China zuletzt auf 1.000 Einwohner erst rund 60 Autos kamen, in westlichen Industriestaaten dagegen schon locker mehr als 500. „Das zeigt das immense Potenzial und stimmt positiv.“

VW will weitere Fabriken in China bauen

VW-China-Vorstand Jochem Heizmann sprach von „neuer Normalität“. Sie ändere nichts am Kurs der Wolfsburger, die in China schon heute rund 20 Fabriken haben und noch mehr planen. „Wir könnten mehr verkaufen, wenn wir mehr Kapazitäten hätten“, sagte Heizmann diesen Frühling.

Dennoch zeigt jede China-Delle, wie verwundbar der Konzern dort wegen seiner schieren Größe ist. Und es offenbart offene Flanken anderswo. Nach China sind die USA, Europa und Japan die weltgrößten Automärkte - also vor allem die Heimatgefilde von GM und Toyota. Eine Auswertung von EY zeigt zudem: Die ärgsten VW-Konkurrenten punkten öfter im fremden Revier gegen die dortigen Platzhirsche als die Wolfsburger.

USA als schwieriger Markt

So hatte GM 2014 daheim in den USA 30 Prozent vom Markt, Toyota daheim in Japan 23 Prozent und Volkswagen in Westeuropa 30 Prozent - im Groben also annähernd ähnlich hohe Werte. Doch im Territorium der jeweils anderen wendet sich das Blatt: Volkswagen hat in den USA nur sechs Prozent Marktanteil, in Japan gar nur ein Prozent. Besonders VW-Pkw tut sich schwer in den Staaten. „In den letzten zehn Jahren sind die Ergebnisse der Pkw-Kernmarke in den USA in der großen Mehrheit in den roten Zahlen gewesen“, so NordLB-Analyst Frank Schwope.

Weltmarktführer Toyota hält dagegen auf dem weltweit zweitgrößten Markt USA satte 23 Prozent und in Westeuropa immerhin fünf Prozent. Dort kommt GM auf neun Prozent, ist dafür aber in Japan fast unsichtbar. Toyota liegt in den USA sogar hinter Ford auf Platz drei. Damit halten die Japaner einen Top-Drei-Platz im Revier eines der Rivalen - das schafft sonst keiner in dem Trio. In Japan folgen Asiaten (Honda, Suzuki), in Europa Franzosen (PSA, Renault).

Toyotas China-Schwäche könnte sich rächen

Im Rennen um die Autoherstellerkrone, die Volkswagen bis 2018 anpeilt, trifft also in der Tendenz eine China-Schwäche vor allem VW und GM - die US-Amerikaner machen ein Drittel ihrer Verkäufe in China. Weltmarktführer Toyota dagegen spielt der US-Boom in die Karten.

Dennoch könnte der bisherige Rückstand in China sich schließlich für Toyota rächen. Das politische Verhältnis zwischen Japan und China ist belastet, was das Verkaufen erschwert. Hingegen könnte VW langfristig seinen Vorsprung im bevölkerungsreichsten Land der Erde auskosten - wenn es weiter rund läuft.

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