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Wem gehört die Bucht von Piran?

Über eine Million deutsche und österreichische Urlauber genießen auch in diesem Jahr wieder Strände, Küche und Landschaft auf der Halbinsel Istrien in der nördlichen Adria. Sie sehen kein Zeichen von dem erbitterten Streit, der dort seit 1991 zwischen den EU-Mitgliedern Kroatien und Slowenien tobt.

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Es geht um die Grenzziehung in der Bucht von Piran. Ein von der EU vermitteltes internationales Schiedsgericht sollte den Konflikt endgültig lösen. Mehr noch: Die Entscheidung sollte die Blaupause für die vielen anderen Grenzstreitigkeiten auf dem Balkan abgeben.

Slowenen fordern Zugang zum offenen Meer

Auf den ersten Blick mutet der Streit skurril an. Kroatien besitzt 1.777 Kilometer Festlandküste und noch mal fast 6.000 Kilometer auf seinen Inseln. Und doch streitet es um ein paar Kilometer auf dem Meer mit seinem kleinen Nachbarn, der noch nicht einmal auf 50 Kilometer Adria-Küste Hoheitsrechte besitzt.

Kroatien will die Grenze in der umstrittenen Bucht in der Mitte ziehen, direkt an italienische Hoheitsgewässer anstoßend. Damit wäre aber Slowenien der Zugang zum offenen Meer verwehrt, was nicht nur für den Nationalstolz Bedeutung hat, sondern auch vor allem für den Handel und das Militär.

Slowenien pocht auf die Geschichte: Die gesamte Bucht gehörte seit Jahrhunderten zum Staatsgebiet. Selbst zu Zeiten, in denen die beiden Nachbarn gemeinsam im einstigen Vielvölkerstaat Jugoslawien lebten, sei dieser Bereich slowenisch gewesen - und selbst das heute zu Kroatien gehörende, gegenüberliegende Ufer sei bis zum Zweiten Weltkrieg Piraner Gebiet gewesen, wie die vom slowenischen Außenministerium mit dem Fall Beauftragte Simona Drenik sagte.

Verweis auf internationales Recht

Auch dass alle Katasterbücher der Ufergrundstücke in Piran lagern, ficht Kroatien nicht an. Zagreb verweist darauf, dass seine Polizei schon zu jugoslawischen Zeiten Einsätze in der Bucht organisiert habe und die Grenzziehung in der Mitte der Bucht internationalem Recht folge. Im Jahr 2001 war schon einmal eine Lösung vereinbart worden. Doch das kroatische Parlament stellte sich quer. Vor knapp sechs Jahren setzte dann die EU ein internationales Schiedsverfahren durch.

Vor einem Jahr war vor dem Gericht in Den Haag die mündliche Anhörung, jetzt wurde an sich mit dem Schiedsspruch gerechnet. Die Außenminister beider Länder haben zuvor noch einmal betont, sie rechneten mit einem Sieg ihrer Positionen. Da die Schiedsrichter weltweit anerkannte Seerechtsexperten sind, könnte ihr Urteil von der unterlegenen Seite kaum angefochten werden - zumal die Parlamente beider Länder in einem Abkommen festhielten, dass der erwartete Schiedsspruch ohne Wenn und Aber akzeptiert werde.

Rechtsruck bei Parlamentswahl befürchtet

Motor des Grenzstreits sind die Kriege rund um die Unabhängigkeit beider Staaten Anfang der 90er Jahre. Damals wurden erbitterte Waffengänge um das heutige Staatsgebiet geführt. Die Frage ist daher politisch und emotional aufgeladen - keiner der Politiker kann es sich leisten, Ansprüche auf nationales Territorium leichtfertig an den Nachbarn abzutreten. Eine Niederlage könnte vor allem in Kroatien bei der bevorstehenden Parlamentswahl zu einem Rechtsruck führen. Schon jetzt macht die heutige Opposition, die nach dem bisherigen Stand mit dem Sieg rechnet, mit Parolen aus den 90er Jahren Stimmung.

Thomas Brey, dpa

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