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Reaktion auf „Pirangate“

Kroatien steigt aus dem Schiedsverfahren zur Lösung des jahrzehntelangen Grenzstreits mit Slowenien an der nördlichen Adria aus. Der kroatische Premier Zoran Milanovic verkündete am Montag, dass sein Land das Schiedsabkommen mit Slowenien auflösen werde.

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„Das Verfahren ist vergiftet worden, wir müssen da heraus“, sagte der Premier nach einem Treffen mit den Parteichefs des Landes. Die Entscheidung sei von den Parlamentsparteien einstimmig getroffen worden. Damit reagiert Kroatien auf den Skandal um die Indiskretionen des slowenischen Schiedsrichters, der geheime Informationen aus dem internationalen Schiedsverfahren gegenüber der slowenischen Seite ausgeplaudert hatte.

Die Affäre ist vergangene Woche ausgebrochen, nachdem kroatische Medien die abgehörten Telefongespräche zwischen dem Schiedsrichter und einer hohen Beamtin des slowenischen Außenministeriums veröffentlicht hatten.

Karte der Bucht von Piran mit Streitpunkten

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Ausstieg laut Slowenien nicht möglich

Aus slowenischer Sicht ist ein Ausstieg aus dem 2009 von Brüssel vermittelten Schiedsverfahren gar nicht möglich. Unter Berücksichtigung von völkerrechtlichen Regeln und jenen des Schiedsabkommens könne Kroatien aus dem Schiedsverfahren nicht aussteigen, sagte der slowenische Premier Miro Cerar laut Medienberichten. Schließlich habe das auch das Schiedsgericht in Den Haag festgestellt, als es mitteilte, dass das Verfahren fortgesetzt werde, so Cerar unmittelbar nach Bekanntwerden der kroatischen Entscheidung.

„Man könne und man werde (aussteigen, Anm.)“, lautete wiederum die Antwort seines kroatischen Amtskollegen, der noch während seiner Pressekonferenz über Cerars Reaktion informiert wurde. „Die Tatsache ist, dass das Verfahren vergiftet wurde und Kroatien in einem solchen Schiedsverfahren nicht bleiben kann“, sagte Milanovic. Trotzdem rechnet der kroatische Premier mit keinen negativen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern.

„Ernsthafter Zwischenfall“

Die Situation sei nach dem „ernsthaften Zwischenfall“ unerträglich, so Milanovic weiter. „Das Schiedsabkommen wurde grob verletzt, wir können nicht anders“, sagte er in Bezug auf die gegen Slowenien erhobenen und von kroatischen Medien als „Pirangate“ bezeichneten Vorwürfe, dass man das Schiedsgericht zu beeinflussen versucht habe.

Die kroatische Regierung will nun das Parlament um Unterstützung für die geplante Auflösung des Schiedsabkommens ersuchen. Zagreb plant, das laufende Schiedsverfahren umgehend zu suspendieren und den von der kroatischen Seite bestellten nationalen Schiedsrichter abzuziehen. Das Parlament kommt bereits am Mittwoch bei einer außerordentlichen Sitzung zu diesem Thema zusammen.

Slowenen suchen neuen Schiedsrichter

Der slowenische Jurist Jerenej Sekolec, einer von fünf Richtern im Schiedsverfahren, und die in der Causa zuständige Expertin des slowenischen Außenministeriums, Simona Drenik, traten unterdessen bereits vergangene Woche zurück. Bereits angelaufen ist in Slowenien zudem das Verfahren zur Bestellung eines neuen Schiedsrichters. Die Regierung wolle noch diese Woche einen Ersatzrichter ernennen.

Als Hintergrund des Abhörskandals wittert man in Slowenien unterdessen die Absicht Kroatiens, sich aus einer ungünstigen Situation zu retten - angeblich soll sich in dem Verfahren ein für Slowenien günstiger Ausgang abgezeichnet haben. Unbestätigten Medienberichten zufolge sollte Kroatien seinem Nachbarland bis zu zwei Drittel der Bucht von Piran überlassen. Der Großteil der umstrittenen Adria-Bucht würde somit Slowenien zufallen. Ein Rückzug wäre umso verständlicher, weil die für Dezember geplante Verkündung des Schiedsspruchs mit dem Wahlkampf vor der kroatischen Parlamentswahl zusammenfallen würde.

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