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Krafttraining unter freiem Himmel

Laufen, Radfahren, Skaten, die typischen Sommersportarten, bekommen in diesem Jahr verstärkt Konkurrenz. Kraftsport erfreut sich auch im öffentlichen Raum steigender Beliebtheit. Trainingsgerät der Wahl ist oftmals der eigene Körper - und das Smartphone darf beim intensiven Work-out im Park nicht fehlen.

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Keine Halle, keine Geräte - und keine Ausreden: Sportbekleidung, eine Matte, ein Smartphone und eine Extraportion Motivation sind alles, was die Anhänger der „Freeletics“-Bewegung brauchen. Die „Free Athletes“ trainieren ausschließlich mit dem eigenen Körpergewicht. „Ohne Schmerzen kein Gewinn“, lautet ein Mantra der Bewegung, geübt wird - unabhängig von der Jahreszeit und vom Wetter - mehrmals pro Woche im Freien.

Menschen bei Fitnessübungen im Park

ORF.at/Carl-Philip Pfleger

Trainieren, bis nichts mehr geht: „Freeletics“-Anhänger am Wiener Donaukanal

Statt Hantelschwüngen und Bankdrücken stehen Liegestütze, Froschsprünge und Kniebeugen auf dem Programm. Eine kostenpflichtige App gibt die Übungsfolgen vor, die nach griechischen Gottheiten benannt sind. „Freeletics“ zeigt exemplarisch, wohin diesen Sommer die Reise in Sachen Fitness geht. Einfache Übungen werden zu individuellen Work-outs kombiniert. Kurze, intensive Einheiten versprechen maximale Trainingseffizienz bei minimalem Zeitaufwand. Vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen ist jeder willkommen. Die Community-Mitglieder spornen einander zu Höchstleistungen an und helfen Neueinsteigern bei der korrekten Ausführung der Bewegungsabfolgen.

Erfolg durch Facebook & Co.

Erfunden wurde die Sportart im Jahr 2012 von den Münchner Studenten Joshua Cornelius, Mehmet Yilmaz und Andrej Matijczak. Die gleichnamige Mobile- und Web-App liegt in fünf Sprachen vor und wird nach Angaben ihrer Entwickler weltweit bereits von vier Millionen Menschen verwendet.

Auch in Wien scheint der Zulauf beachtlich. „Anfangs waren wir fünf bis zehn Personen. Mittlerweile zählt die Community in Wien mehr als 5.000 Mitglieder“, so Markus Gottwald gegenüber ORF.at. Der IT-Techniker gründete vor zwei Jahren die erste „Freeletics“-Gruppe in der Bundeshauptstadt und ist offizieller „Community Ambassador“ von „Freeletics“. Eine weitere größere Gruppe existiert in Graz, in zahlreichen anderen Orten haben sich kleinere Communitys etabliert.

Den raschen Erfolg verdankt „Freeletics“ aber wohl den Sozialen Netzwerken. Die einzelnen Trainingsgruppen organisieren sich über Facebook. Auf Instagram werden Vorher-nachher-Bilder herumgereicht, die das Schmelzen der Fettpölsterchen in der Bauchgegend dokumentieren. Gemeinsam mit Motivationsvideos auf YouTube bilden sie den Kitt, der die Community zusammenhält.

Göttliche Qualen

Eine beliebte Übungsfolge der „freien Athleten“ heißt „Aphrodite“. Sie umfasst je 150 Kniebeugen, Sit-ups und Liegestützsprünge (so genannte „Burpees“), die auf fünf Runden verteilt und ohne Pause absolviert werden. Von den etwa 25 Sportlerinnen und Sportlern, die sich bei einem Lokalaugenschein an einem späten Nachmittag im Käfig am Wiener Donaukanal auf ihren Isomatten abmühen, wird die Schaumgeborene freilich weniger mit zarten Frühlingsgefühlen als mit schmerzenden Gliedmaßen assoziiert. Die meisten Teilnehmer sind zwischen 25 und 35 Jahre alt und nutzen den Abend, um sich nach einem langen Tag im Büro oder an der Universität noch einmal richtig auszupowern.

Neben der Liebesgöttin bringen unter anderem auch Hades, der Hüter des Totenreichs, und Götterpatriarch Zeus die Sportbegeisterten ins Schwitzen. Die Dauer der Einheiten ist unterschiedlich - je nachdem, wie viele Übungen das Work-out beinhaltet und wie viel Kraft die Trainierenden noch aufbringen.

Spielplatz für Muskelmänner

Die Freizeitanlage nahe der U-Bahn-Station Roßauer Lände ist nicht nur einer der Wiener „Freeletics“-Hotspots. Wenige Meter entfernt von den „Free Athletes“ an der Donaulände haben die Muskelmänner der österreichischen „International Street Workout“-Gemeinschaft ihr Quartier. Das Gelände erinnert an einen Spielplatz, aus dem mit Rindenmulch bedeckten Boden ragen mehrere Reckstangen. Männer mit nackten Oberkörpern ziehen sich hier zum Klimmzug hoch – teilweise an nur einem Arm. Andere hängen wie wehende Flaggen an einem Klettergerüst.

Menschen bei Fitnessübungen im Park

ORF.at/Carl-Philip Pfleger

Beim „International Street Workout“ geht es akrobatisch zu

Das Fitnessprogramm für die Straße hat sich vor zehn Jahren in der US-Metropole New York entwickelt. Ebenfalls bekannt ist das „Street Workout“ unter dem Namen „Calisthenics“. Es vereint Basisübungen wie Liegestütze und Klimmzüge mit Elementen aus dem Geräteturnen.

Die Community in Österreich wächst, größere Gruppen gibt es in Wien und Graz. Wie bei den „Freeletics“-Kollegen werden die Sozialen Netzwerke genutzt, um die Community zu organisieren und den eigenen Trainingserfolg mit der Welt zu teilen.

Fitnessstudio im Grünen

Die „Calisthenics“-Fans greifen nicht zuletzt auf eine stetig verbesserte Infrastruktur im urbanen Raum zurück. In immer mehr Parks entstehen eigene Fitnessbereiche. Neben Klettergerüsten, Reck und Barren finden sich zusehends auch Trainingsgeräte im öffentlichen Raum. In Wien wurden in den vergangenen Jahren elf Grünflächen im gesamten Stadtgebiet zu „Aktiv-Parks“ erweitert – und somit gewissermaßen zu kostenlosen Fitnessstudios unter freiem Himmel.

Im steirischen Weiz wurde ebenfalls ein 200 Quadratmeter großer „Workout-Park“ eröffnet. Das Angebot soll Menschen aller Altersklassen einen Anreiz bieten, sich im Freien sportlich zu betätigen. Pläne für einen „Urban Fitness“-Park am Donauufer werden zudem in Linz diskutiert.

Renaissance des Trimmpfades

In städtischen Naherholungsgebieten und einigen ländlichen Regionen hat der Fitnessboom eine in Vergessenheit geratene Institution wiederbelebt: den Trimmpfad. Diese Fitnessparcours entstanden in den 70er Jahren entlang vieler Lauf- und Wanderrouten. Viele der Wege wurden in den vergangenen Jahren restauriert, neue kamen dazu. An kleinen Holzpyramiden, Baumstümpfen, Gerüsten, Eisenstangen und Seilen konnten Jogger und Ausflügler nebenbei Kraft und Beweglichkeit steigern.

Philip Pfleger, ORF.at

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