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„Breites Bündnis schmieden“

Der Iran ist neben Saudi-Arabien die wichtigste Regionalmacht am Golf. Das Atomabkommen dürfte deswegen auch massive Auswirkungen auf die arabische Welt haben. In naher Zukunft könnte der neue Geist der Kooperation vor allem im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zum Tragen kommen.

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Der russische Außenminister Sergej Lawrow, einer der Chefverhandler, die am Dienstag in Wien den Deal präsentierten, sagte es noch am Tag der Einigung ganz offen. Er bezeichnete die Einigung im Atomstreit mit dem Iran als gute Ausgangsbasis für eine schlagkräftigere Koalition gegen den IS. „Der Kompromiss beseitigt die größtenteils künstlichen Hindernisse, um ein breites Bündnis gegen den Islamischen Staat und andere Terrorgruppen zu schmieden“, so Lawrow.

„Sieg der Diplomatie“

Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erhofft sich vom Atomabkommen mit dem Iran positive Effekte auch im Bürgerkriegsland Syrien. Die Vereinbarung mit Teheran nach mehr als zwölf Jahren sei ein „Sieg der Diplomatie über Krisen, Konflikte und Gewalt“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in den ARD-„Tagesthemen“. Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) meinte in der ZIB2, dass eine der Konsequenzen des Atomdeals sein könnte, dass es im Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Kooperation zwischen dem Iran und dem Westen kommen könnte: „Der Iran kann ein guter Verbündeter gegen den IS-Terrorismus sein.“

Außenminister Kurz in ZIB2

ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz sprach in der ZIB2 über den Atomdeal. Er erhofft sich davon positive Auswirkungen für die gesamte Region.

Wichtigster Alliierter Assads

Von iranischer Seite - Teheran ist der wichtigste Alliierte des syrischen Machthabers Baschar al-Assad - gab es bisher keine direkten Aussagen in diese Richtung. Ohne iranische Unterstützung, sowohl finanziell als auch logistisch und militärisch, könnte sich Assad nach Einschätzung westlicher Beobachter nicht mehr an der Macht halten.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani sprach am Dienstag allerdings vom Beginn einer neuen Ära der Kooperation nach den Jahren der Sanktionen. Künftig könne man sich auf die Lösung gemeinsamer Probleme konzentrieren. Ähnlich äußerte sich US-Präsident Barack Obama: „Dieses Abkommen gibt uns die Chance, eine neue Richtung einzuschlagen.“

Machtgefüge wird verschoben

Im Nahen Osten dürfte die Atomeinigung das geopolitische Machtgefüge verschieben, da sie den Iran als den traditionellen Gegenspieler des US-Verbündeten und mächtigen Ölexporteurs Saudi-Arabien stärkt. Diese Aufwertung könnte Konsequenzen für zahlreiche Konflikte haben: Der Iran ist neben den Bürgerkriegen in Syrien und dem Irak auch in die internen Machtkämpfe im Jemen verstrickt. Er gilt als Hauptunterstützer der Israel-Gegner Hamas und Hisbollah im Gazastreifen und im Libanon und hat dem jüdischen Staat wiederholt mit Vernichtung gedroht.

Irakische Kämpfer gehen gegen den IS vor

AP

Nicht nur in Syrien, auch im Irak kämpfen die dortigen Regierungstruppen mit begrenztem Erfolg gegen den IS

Kritiker warnen

Kritiker des Abkommens befürchten dagegen, dass der Iran mit dem Abkommen dauerhaft zur Schwellenmacht wird und jederzeit Atomwaffen entwickeln könne. Die geplante Aufhebung der Sanktionen gegen den einst fünftgrößten Ölproduzenten wird im Iran nach Einschätzung von Experten einen Wirtschaftsboom auslösen. Auch die Wirtschaft - im Westen wie in Russland - macht sich Hoffnung auf Milliardengeschäfte. Der Ölpreis sackte bereits unmittelbar nach der Einigung um mehr als einen Dollar ab.

Zugang zu eingefrorenen Milliarden

Nach der Einigung kann der Iran nach Angaben aus US-Regierungskreisen nun auf die Freigabe von eingefrorenen Geldern in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar hoffen. Das Land muss sich allerdings noch etwas gedulden, ehe es in den Genuss der Erleichterungen durch die Aufhebung der Sanktionen kommt: Weil das Abkommen erst noch ratifiziert und seine Umsetzung überprüft werden muss, dürfte der Iran erst nächstes Jahr wirklich davon profitieren. Wegen der Strafmaßnahmen war die iranische Wirtschaftsleistung nach US-Schätzungen um etwa 20 Prozent geschrumpft.

Iraner leiden stark unter Sanktionen

Die Einigung ist ein Erfolg sowohl für US-Präsident Barack Obama, der bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2008 dem Erzfeind Iran einen Neuanfang anbot, als auch für den iranischen Präsidenten Hassan Rouhani: Dieser wurde vor zwei Jahren vor allem wegen des Versprechens gewählt, die wirtschaftliche Isolation seines Landes zu beenden. Viele der 77 Millionen Iraner leiden massiv unter den Sanktionen.

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