„Danke für die Öffnung des Landes“
Nach der in Wien erzielten Einigung im Atomstreit sind Dienstagnacht zahlreiche Iraner nach dem Iftar - dem Fastenbrechen - jubelnd auf die Straßen der Hauptstadt Teheran geströmt. Laut Augenzeugenberichten feierten alleine auf der Parkway-Autobahn Tausende hauptsächlich Jugendliche in ihren Autos mit iranischen Flaggen und lauter Popmusik. Noch voller war es in der Stadtmitte.
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Wegen der Feiern waren mehrere Straßen blockiert. Laut Augenzeugen waren die Hupkonzerte ohrenbetäubend. Auf Bannern und mit Parolen dankten die Demonstranten besonders Präsident Hassan Rouhani und Außenminister Mohammed Dschawad Sarif als den Initiatoren der Atomeinigung mit dem Westen. Einer der Slogans war „Rouhani, Sarif, danke für die Öffnung des Landes“. Erneut gab es auch viele „Obama, Obama“-Sprechchöre und die Forderung nach einer Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA.
In den Sozialen Netzwerken kursierten diverse Videos über die Feiern. In einem Video singen die Jugendlichen „Jare Dabestani Man“ des iranischen Chansonniers Ferejdun Forughi. Das Lied gilt seit Jahren als die Hymne der Reformanhänger des Landes und auch als symbolische Forderung der Freilassung politischer Gefangener.

APA/EPA/Abedin Taherkenareh
Jubelnde Menschen in Teheran
Chamenei begrüßt Einigung
Das geistliche Oberhaupt der Iraner, Ajatollah Ali Chamenei, begrüßte nach dem Iftar das Abkommen zur Beilegung des Atomstreits. Chamenei würdigte die „aufrichtige und schwierige“ Arbeit der iranischen Verhandlungsdelegation in Wien. Sarif habe „das Beste für die iranische Nation“ herausgeholt. Die Erklärung unter Chameneis offiziellem Account beim Kurzmitteilungsdienst Twitter unter #IranDeal war die erste offizielle Verlautbarung des geistlichen Führers seit der Bekanntgabe des Abkommens.
Dass der Deal Chameneis Segen hat, hatte sich bereits zuvor abgezeichnet, als bekanntwurde, dass Chamenei kurzfristig Präsident Hassan Rouhani zum Fastenbrechen eingeladen hatte. Laut iranischer Verfassung hat Chamenei das letzte Wort in allen strategischen Belangen, also auch in der Atompolitik.
„Großartige Neuigkeiten“
Einwohner der iranischen Hauptstadt äußerten die Hoffnung, dass die Aufhebung der schmerzhaften Finanz- und Handelssanktionen infolge des Abkommens zur Belebung der siechenden Wirtschaft führen werden. „Das sind großartige Neuigkeiten, weil die Wirtschaft boomen wird“, sagte Behnam Arian der Nachrichtenagentur AFP auf einem Platz im Zentrum der Hauptstadt.
„Wenn die Sanktionen aufgehoben werden, wird die Flugzeugflotte renoviert“, sagte der 36-jährige Buchhalter. Zudem werde die Einfuhr von Medikamenten erleichtert. Die Verhandlungen seien lang gewesen, doch würden sie nun zu engeren Beziehungen mit anderen Ländern führen. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif habe die Positionen des Landes bei den Gesprächen mit den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland besser vertreten als seine Vorgänger, sagte Arian.

APAEPA/Abedin Taherkenareh
Eine junge Iranerin dankt Sarif mit einem improvisierten Banner im nächtlichen Teheran
Rouhani: Alle gewinnen
Das Atomabkommen wird für den Iran nach Einschätzung seines Präsidenten Rouhani nach Jahren der Sanktionen eine neue Ära der Kooperation mit der Welt einläuten. Alle Seiten würden durch die Vereinbarung gewinnen, so dass nach und nach das gegenseitige Misstrauen abgebaut werde, sagte Rouhani am Dienstag in einer TV-Ansprache.
Der Iran werde seine Verpflichtungen einhalten, solange das auch die fünf UNO-Vetomächte und Deutschland täten. Die Nachbarstaaten forderte Rouhani auf, die Kritik Israels am Abkommen zu ignorieren. Auch der Iran habe ein Interesse an der Stabilität der Region, sagte er.

AP/Ebrahim Noroozi
Rouhani erklärt in einer TV-Ansprache den Iranern die Einigung
„Zu Iran-Phobie hochgespielt“
„Diese Verhandlungen konnten nie mit einer Sieger-Verlierer-Lösung enden. Wir wollten, dass alle Seiten als Sieger dastehen“, so Rouhani. Der Atomstreit sei zu einer Iran-Phobie hochgespielt worden. „Uns wurde unterstellt, dass wir Massenvernichtungswaffen herstellen. Wir haben beides durch Verhandlungen widerlegt.“ Er warb auch im eigenen Land für den Kompromiss: „Wir haben es geschafft, unsere nationalen Interessen zu wahren und einen Wendepunkt zu erzielen.“
Der iranische Präsident sprach auch Israels jahrelange Warnungen vor einer drohenden atomaren Bewaffnung des Iran an. „Alle Anstrengungen des zionistischen Regimes (Israel) während der vergangenen Jahre sind heute gescheitert“, sagte er. Das gelte vor allem für die Unterstellung, sein Land wolle Atombomben bauen. Nun seien aber alle Verdächtigungen dieser Art vom Tisch. „Darüber freuen sich auch alle (arabischen) Länder der Region“, sagte Rouhani.

AP/Carlos Barria
Gruppenfoto der erfolgreichen Chefverhandler in Wien
Teheran zeigt Obama-Erklärung live
Aus Anlass des historischen Abkommens über das Teheraner Atomprogramm machte das iranische Staatsfernsehen einen äußerst seltenen Schritt: Es übertrug die Erklärung von US-Präsident Barack Obama zu der Einigung live. Es war erst das zweite Mal seit der Islamischen Revolution von 1979, dass die Rede eines US-Präsidenten direkt übertragen wurde.
Dabei kam diese Ehre erneut Obama zuteil: Nach dem am 2. April geschlossenen Rahmenabkommen zum iranischen Atomabkommen hatte das Staatsfernsehen ebenfalls seine Äußerungen hierzu live ausgestrahlt.
Das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran ist seit Jahrzehnten gespannt. 1980 wurden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Allerdings verbesserte sich das Verhältnis mit dem Amtsantritt des gemäßigten Präsidenten Hassan Rohani 2013.
Iran: Anerkennung auch von Konservativen
Anerkennung gab es auch von konservativen Reformgegnern in Teheran. „Das Atomteam hat in einer einzigartigen Art und Weise und mit viel diplomatischem Geschick die Interessen des Landes erfolgreich verteidigt“, so die konservative Partei Isargaran (Selbstlose) am Dienstag in einer Mitteilung. Noch vor wenigen Wochen hatten Isargaran-Mitglieder Sarif im Parlament als „Verräter“ beschimpft, weil er gegenüber „den Feinden des Landes“ zu kompromissbereit sei.
Die Oppositionsgruppe Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) kritisierte das Abkommen hingegen scharf. Teherans Verhandlungspartner hätten versäumt, dem iranischen Streben nach Atomwaffen endgültig Einhalt zu gebieten. Zudem sei der Kompromiss nicht völkerrechtlich bindend und lasse zu viele Schlupflöcher offen.
Eingefrorene Gelder werden freigegeben
Die Einigung in Wien ist ein wichtiger Erfolg für Rouhani, er steht nun aber auch vor neuen Herausforderungen. Er muss die Sanktionserleichterungen in Wirtschaftswachstum umsetzen. Mit dem Abkommen erwartet die Bevölkerung des Landes konkrete Ergebnisse. Im kommenden Februar wird im Iran das Parlament neu gewählt. Allerdings dürfte es einige Zeit dauern, bis eine Aufhebung der Sanktionen auch Wirkung zeigt.
US-Regierungskreisen zufolge kann der Iran bei einer Umsetzung des Atomabkommens auf die Freigabe von eingefrorenen Geldern in Milliardenhöhe hoffen. Die Summe belaufe sich auf mehr als 100 Milliarden Dollar, sagten US-Regierungsvertreter am Dienstag in Wien. Im Zuge der Sanktionen gegen den Iran wurde dem Land auch der Zugang zu Finanzmitteln auf internationalen Konten verwehrt.
Nachbarn begrüßen Deal
Die iranischen Nachbarstaaten Türkei, Pakistan und Afghanistan begrüßten die Einigung. Syriens Machthaber Baschar al-Assad bezeichnete das Abkommen als „großen Sieg“ für Teheran. Der Iran ist im syrischen Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des Regimes. Nach Einschätzung von Beobachtern kann das Regime in Damaskus nur noch dank der Hilfe aus Teheran überleben.
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