Erst vor einem Jahr gefasst
Der berüchtigte Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzman ist zum zweiten Mal aus der Haft in Mexiko ausgebrochen. Der einstige Chef des Sinaloa-Kartells sei am Abend aus dem Hochsicherheitsgefängnis Altiplano im Zentrum Mexikos entkommen, teilte die Nationale Sicherheitskommission heute mit.
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Überwachungskameras zeichneten laut Angaben der Behörden zuletzt Bilder von Guzman im Duschbereich der Haftanstalt auf, der von den Insassen auch zum Waschen von Wäsche genutzt wird. Bei einer anschießenden Routinekontrolle am Samstagabend wurde Guzmans Abwesenheit bemerkt, er sei einfach „verschwunden“.
Die Flucht war offenbar sorgfältig geplant. Wie die Behörden nun bekanntgaben, nutzte Guzman einen Tunnel, der direkt in seine Zelle führte. Der Schacht soll insgesamt 1,5 Kilometer lang sein. Wohin er führt, ist bisher nicht bekannt.
„Der Kleine“ führt mächtiges Drogenkartell an
Guzman gilt als der Kopf eines der mächtigsten und gefährlichsten Drogenkartelle weltweit. Sein Spitzname bedeutet übersetzt „der Kleine“ und bezieht sich auf seine Körpergröße von 1,68 Meter. Die US-Behörden bezeichnen Guzman als den mächtigsten Drogenboss der Welt und als Herr über ein „kriminelles Imperium“.

APA/EPA/Mario Guzman
Guzman bei seiner Verhaftung 2014
Das Sinaloa-Kartell ist eines der größten Verbrechersyndikate Mexikos. Es ist nicht hierarchisch organisiert, sondern ein Zusammenschluss mehrerer mächtiger Drogenbosse. Mit dem Verkauf von Kokain, Heroin, Marihuana und Amphetaminen soll das Drogensyndikat zu einer Art internationalem Konzern des organisierten Verbrechens geworden sein.
Sinaloa soll laut einem Bericht der Zeitung „El Universal“ allein mit Drogenhandel jährlich rund drei Milliarden US-Dollar (2,7 Mrd. Euro) umsetzen. Außerdem ist es in Produktpiraterie, Menschenhandel und Schutzgelderpressung verwickelt.
Zuletzt Beschwerde über Haftbedingungen
Noch im Jänner hatten sich „El Chapo“ und weitere hochrangige inhaftierte Drogenhändler über schlechte Haftbedingungen im mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano beschwert. Die medizinische Versorgung sei unzureichend, es gebe verdorbenes Essen, die Zellen seien überfüllt, und den Gefangenen werde kaum Hofgang gewährt, zitierte das Onlineportal Nayarit en Linea aus dem elfseitigen Beschwerdebrief.
Nach dem spektakulären Ausbruch kündigte Staatschef Enrique Pena Nieto Konsequenzen an. Er habe tiefgehende Ermittlungen angeordnet, die die mögliche Verwicklung von Beamten bei der Aktion aufdecken sollen, sagte er während eines Staatsbesuchs in Paris. Die Flucht nannte er eine „Schande für den mexikanischen Staat“.
2001 in Wäschekorb versteckt entkommen
Guzman war 2001 bereits einmal aus dem gleichen Gefängnis ausgebrochen, in dem er seit 1993 saß. Damals versteckte er sich in einem Schmutzwäschekorb und gelangte unter einer Matratze in einem Lieferwagen in die Freiheit.
Die Flucht ließ er sich angeblich 2,5 Millionen Dollar kosten. Der Direktor und 33 Wächter des Gefängnisses wurden damals festgenommen. Seine Geschäfte hatte Guzman selbst in der Haft praktisch unbehelligt weiterführen können.

Reuters/Daniel Becerril
Guzmans Unterschlupfe vor seiner Verhaftung waren ebenfalls mit einem Tunnelsystem verbunden
Tunnelsysteme verbinden Unterschlupfe
Danach war er 13 Jahre lang auf der Flucht. Er wohnte in verschiedenen Unterschlupfen, meist harmlos aussehenden, aber mit Videoüberwachung und Stahltüren gut geschützten kleinen Wohnungen, die mittels ausgezeichnet ausgebauter Tunnel miteinander verbunden waren.
Der Zutritt zum Tunnelsystem, das oftmals über viele Kilometer weit führte, erfolgte dabei jeweils über die Badewannen, die als Ganzes aufgeklappt werden konnten, wie CNN in einem Video zeigte. So konnte Guzman im Falle eines Zugriffs durch die Polizei flüchten, bevor diese in die Wohnung dringen konnten.
Laut Eigenangaben „nur ein einfacher Bauer“
Ein abgehörtes Gespräch mit einem Satellitentelefon brachte die Ermittler schließlich auf die Spur von Guzman. Im Februar 2014 konnte er in einem Touristenhotel im Badeort Mazatlan im Nordwesten des Landes festgenommen werden.
Bei seiner Verhaftung gab Guzman an, er sei ein einfacher Bauer und baue Mais, Hirse und Öldisteln an, zitierte die Zeitung „Excelsior“ aus Guzmans Aufnahmepapieren im Gefängnis. Er gehöre keinem Drogenkartell an und habe monatlich nur 20.000 Pesos (rund 1.000 Euro) verdient. „Ich kenne niemanden aus dem organisierten Verbrechen“, so Guzman laut „Excelsior“.
Rückhalt in der Bevölkerung
Vor allem in seiner Heimatregion verfügt der legendäre Drogenboss über erheblichen Rückhalt in der Bevölkerung. Nach seiner Festnahme 2014 gingen dort Hunderte Menschen für ihn auf die Straße und forderten seine Freilassung. In den abgelegenen Gebieten von Sinaloa errichtete das Kartell parallelstaatliche Strukturen und sorgte für Sicherheit und Arbeitsplätze.
Auch Lieder wurden dem Drogenboss gewidmet. „Der Regierung ist ein dicker Fisch ins Netz gegangen, auf fünf Kontinenten war er der Übervater“, heißt es in dem Lied „La captura de El Chapo“ (Die Festnahme von „El Chapo“), das sogar auf CD erschien. Lieder zu Ehren von bekannten Drogenhändlern - sogenannte „Narcocorridos“ - sind in Mexiko äußerst populär.
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