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Hijra - zwischen Mann und Frau

In österreichischen Dokumenten gibt es bei der Frage nach dem Geschlecht zwei Auswahlmöglichkeiten - „weiblich“ oder „männlich“. In Bangladesch ist das anders. Hier kann auch die Kategorie „others“ angekreuzt werden. Denn seit 2013 wird das „dritte Geschlecht“ - die sogenannten Hijras - rechtsstaatlich anerkannt. Die Regierung versucht sie nun als Verkehrspolizisten zu rekrutieren.

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Die Maßnahme soll die Hijras gesellschaftlich stärken und ihnen neue Möglichkeiten der Beschäftigung bieten, wie es vonseiten der Regierung heißt. Ab 2016 werden sie verstärkt als Verkehrspolizisten eingesetzt. Auch das Bildungsniveau der Hijras will die Regierung heben. Details zur Umsetzung der Maßnahmen sollen nach umfassenden Gesellschaftsanalysen bekanntgegeben werden.

Eindrücke vom Hijra Festival 2014 in Dhaka, Bangladesch

picturedesk.com/Action Press/Shariful Islam

Hijras fallen durch bunte Kleidung und aufwendig geschminkte Gesichter auf

„Weibliche Seele, männlicher Leib“

Hijra werden in Südasiens die Mitglieder des „dritten Geschlechts“ genannt. Sie sind weder Mann noch Frau, sondern definieren ihre eigene Geschlechtsidentität. Sie sehen sich als „weibliche Seele in einem männlichen Leib“, wie die Münchner Indologin Renate Syed in ihrem Aufsatz „Nicht Mann, nicht Frau“ schreibt. Die Hijras sind keine „Transgender“, da sie zu nichts anderem werden, das Geschlecht nicht ändern. Sie sind keine Männer, die eine Frau sein wollen, sondern möchten als eigenes Geschlecht wahrgenommen werden. Fast alle Hijras haben einen biologisch männlichen Körper, da es für Mädchen in Südasien wesentlich schwieriger ist, aus der klassischen Frauenrolle auszubrechen und von der Gesellschaft als Hijras akzeptiert zu werden.

Obwohl sie seit 2009 in Indien, seit 2011 in Pakistan und seit 2013 in Bangladesch offiziell als „drittes Geschlecht“ anerkannt sind, werden die Hijras marginalisiert. Ihre Familien und die Gesellschaft schließen sie aus. In Indien, wo die meisten Hijras leben, erklärte das höchste Gericht 2014, die Hijra-Gemeinschaften seien sozial und ökonomisch so rückständig, dass sie besonders geschützt und gefördert werden müssten. „Sie werden überall diskriminiert, etwa bei der Suche nach Toiletten, in Bussen und Bahn oder an Trinkwasserstellen. Sie werden auch in Krankenhäusern zurückgewiesen, nicht behandelt, oft geneckt und verlacht“, so die Aktivistin Laxmi Narayan Tripathi.

Eindrücke vom Hijra Festival 2014 in Dhaka, Bangladesch

picturedesk.com/Action Press/Shariful Islam

Seit 2013 wird das „dritte Geschlecht“ in Bangladesch juristisch anerkannt

Wie eine traditionelle Großfamilie

Hijras finden schwer Arbeit und müssen sich oft als Prostituierte durchschlagen. Traditionell verdienen sie ihren Lebensunterhalt aber durch Tanzen und Segnungen auf Hochzeiten, bei Hauseinweihungen und nach der Geburt von Söhnen. Hijras fallen im Straßenbild durch bunte Kleider und aufwendig geschminkte Gesichter auf. Von der Familie verstoßen leben sie meist mit anderen Hijras gemeinsam unter einem Dach. Die „guru“, Meisterin, steht der Gemeinschaft vor. Wie in traditionellen Großfamilien ernähren und erziehen die alten die jungen Mitglieder der Gemeinschaft, während die Jungen die Alten bis zum Tode pflegen.

Laut Schätzungen des Sozialamtes leben derzeit 10.000 Hijras im Bangladesch. Die Regierung hat in den Jahren 2012 und 2013 ungefähr 1,15 Millionen US-Dollar für Förderprogramme für Hijras ausgegeben. Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesch, ist, laut Economist Intelligence Unit, eine der lebensunwertesten Städte der Welt - nicht zuletzt aufgrund der vielen Verkehrsstaus. Das immer weiter wachsende Verkehrsaufkommen ist kaum mehr zu bewältigen. Die Hijras sollen genau hier Abhilfe schaffen. Es besteht die Hoffnung, dass sie zu Verkehrsberuhigung beitragen und dadurch auf höhere gesellschaftliche Akzeptanz stoßen.

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