Tauchen im „Big Data“-Pool
Wer wissen möchte, wofür sich Österreich wann interessiert, dem bietet „Google Trends“ ein Werkzeug zur Neugierbefriedigung. Seit Juni kann man mit diesem Analysetool auch die Karriere von Suchbegriffen bis auf die Minute genau verfolgen. Damit lässt sich auch herausfinden, zu welchen Tages- und Nachtzeiten sich Österreichs Google-User etwa in der vergangenen Woche über bestimmte Dinge schlaugemacht haben, wie hier an einigen Beispielen veranschaulicht wird.
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Es scheint so, als ob Google-Sucher Frühaufsteher wären. Nach „Nachrichten“ wird durchschnittlich bereits um 5.32 Uhr gesucht, für das „Wetter“ zeigen User um 6.24 Uhr großes Interesse. Bevor der Blick aber überhaupt auf die Welt fällt, geht es um den nahen Freundeskreis: Bereits um 5.16 Uhr erreichen Google-Suchen nach Facebook ihr Tageshoch und sinken dann kontinuierlich bis zum Feierabend wieder.
Schulzeit als „Onlinekiller“
Ganz im Gegensatz dazu andere Soziale Netzwerke: Die Suche etwa nach der Fotosharingplattform Instagram feiert laut „Google Trends“ spätnachts Hochkonjunktur. Die Spitzenzeiten liegen dabei zwischen 23.30 Uhr und 1.30 Uhr. Ein Tief erreicht das Soziale Netzwerk, sobald an den Wochentagen die Schulglocken läuten: Zwischen 7.30 Uhr und 12.00 Uhr herrscht da absolute Flaute - ein Phänomen, das sich in ähnlichem Ausmaß übrigens auch bei den Suchbegriffen „Selfie“, „Minions“, „One Direction“ und „Minecraft“ zeigt.

Grafik: ORF.at; Quelle: Google
Google Trends erlaubt Auswertungen in verschiedenen Maßstäben
Während sich die Jugend der Bildung widmet, wird andernorts gearbeitet. Dabei halten die User allerdings auch gelegentlich Ausschau nach Zerstreuung: Die Suche nach „gratis Spielen“ etwa hat untertags sowohl um durchschnittlich 9.24 Uhr als auch um 12.54 Uhr kleine Hochs. Fast den ganzen Tag über von Interesse sind die Berichte über die Themen der letzten Woche: „Asyl“ und „Griechenland“. Die Suche nach Neuigkeiten aus dem Krisenland erreicht ihren absoluten Höhepunkt natürlich am Sonntag um 20.20 Uhr, als das Land nach dem Ergebnis des Sparpaketreferendums googelt.

Grafik: ORF.at; Quelle: Google
Unterschiede gibt es auch zwischen Wochentagen und -enden
Im Dunkeln ist gut munkeln
Zwischen 22.30 und 5.30 Uhr werden Österreichs Suchanfragen dann sowohl philosophisch als auch zwielichtig. Von „Drogentest“ über „Game of Thrones Season 5 Stream“ bis hin zur Suche nach einem „Ghostwriter“: An Aktivitäten illegaler oder semilegaler Natur haben die Nutzer vor allem im Dunkel der Nacht Interesse.
Zur späten Stunde begibt sich das Land zudem auf die Suche nach dem „Sinn des Lebens“, hinterfragt die Existenz von „Außerirdischen“ und informiert sich über ein potenzielles „Jenseits“. Eine gänzlich diesseitige Nachtaktivität wiederum ist das Googeln nach „Syndromen“, „Panik“ und „Schmerzen“ sowie gefährlichen Krankheiten. Ein Arzt wird dann am folgenden Morgen gegen 7.30 Uhr gesucht.
Ein Beispiel mit Vorbehalt
Die hier dargestellte „Analyse“, die nach dem Vorbild der „New York Times“ („NYT“) erfolgte, ist natürlich mehr ein launiger Einblick als eine Sammlung harter Fakten. Bedacht werden müssen zahlreiche Vorbehalte. Zuallererst zeigt „Google Trends“ nicht in absoluten Zahlen an, wie oft tatsächlich nach einem Begriff gesucht wurde. „Trends“-Daten sind relative Werte, das heißt in der Praxis: Erreichen beispielsweise um 3.00 Uhr Suchanfragen nach Pizza ihren Höhepunkt, enthält von allen zu diesem Zeitpunkt getätigten Eingaben eine besonders hohe Anzahl das Wort Pizza.
Sieht man das Onlineverhalten als Gradmesser für eine generelle Verhaltenstendenz, wäre es zudem verkürzt, nur Google-Suchanfragen zu berücksichtigen. Zugriffe über die Adressleiste, Apps und Bookmarks werden in diesem konkreten Beispiel ebenso ignoriert wie alternative Suchmaschinen. Ganz ausgeklammert wird auch, wie digitale Welt und reales Leben miteinander intervenieren.
Außerdem sind die sieben Tage, trotz der prägnanten Muster, die sich ergeben haben, keineswegs ein repräsentatives Sample. Für dieses konkrete Beispiel im Besonderen und „Big Data“ im Allgemeinen sind auch das Gesamtergebnis verfälschende Löcher im Datenteppich besonders problematisch.
Potenzial und Gefahr für Forschung
Deswegen können Betrachtungen wie diese eine Tendenz in Sachen Tages- und Internetnutzungsgewohnheiten der Menschen bieten, aber keine zementierten Resultate liefern. Der Umgang mit „Big Data“ ist prinzipiell nicht unumstritten - Kritiker sehen die Gefahr, dass in der Beschäftigung mit der riesigen Menge an Daten mit Willkür am Ziel vorbeigefischt wird.
Allen Fehlerstellen zum Trotz kann eine Analyse der Suchbegriffe nach Tageszeit einen interessanten Blickwinkel auf unsere Gewohnheiten, Zeit- und Verhaltensmuster, Motivationen, Aufgaben und Bedürfnisse bieten. Für Wissenschaftler beispielsweise tut sich ein reichhaltiges Repertoire an Datenmaterial auf, das bei sorgfältigem Umgang sowohl als sprudelnde Quelle als auch als potentes Analysetool dienen kann.
Saskia Etschmaier, ORF.at
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