Tusk hat „gutes Gefühl“
Der seit Wochenbeginn laufende Verhandlungsmarathon in der Griechenland-Krise ist in der heißen Phase. Der griechische Premier Alexis Tsipras setzte bereits Donnerstagvormittag seine Gespräche mit den Chefs der Gläubigerinstitutionen EU, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) fort. Auch die Euro-Finanzminister trafen sich erneut - ein Durchbruch lässt dennoch auf sich warten.
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Die laufende Griechenland-Krise wird Donnerstagabend schließlich wohl auch eines der zentralen Themen beim Brüsseler EU-Gipfel sein. Laut Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sind die laufenden Verhandlungen der Euro-Gruppe mit Griechenland nicht Angelegenheit der EU-Staats- und -Regierungschefs. „Der EU-Gipfel wird sich nicht in die Verhandlungen einmischen. Das ist Sache der Finanzminister und vor allem der drei Institutionen, Vorschläge zu machen“, sagte Merkel bei ihrer Ankunft in Brüssel.
„Eine Einigung ist möglich“
Merkel äußerte sich dennoch zum Verhandlungsstand und zeigte sich von diesem wenig begeistert: „Nach dem, was ich heute von der Sitzung der Finanzminister gehört habe, haben wir noch nicht den notwendigen Fortschritt gemacht. Und an manchen Stellen gibt es den Eindruck, dass wir sogar ein bisschen zurückfallen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Griechen weiter mit den drei Institutionen arbeiten und die Finanzminister dann entscheiden.“
Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande drängte die Unterhändler, endlich einen Abschluss zu erreichen. „Eine Einigung ist möglich, eine Einigung ist nötig“, sagte Hollande unmittelbar vor Gipfelbeginn und forderte gleichzeitig vor allem die griechische Regierung auf, sich nicht mehr viel Zeit zu lassen, um eine Einigung zu erreichen. Im Ziel sei man sich Hollande zufolge bereits einig - offen seien allerdings noch „technische Punkte“ und damit, mit welchen Reformmaßnahmen man das Ziel erreichen wolle.
EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich dennoch zuversichtlich. Er habe ein gutes Gefühl, dass die Griechenland-Geschichte ein glückliches Ende finden werde. Die vergangenen Stunden seien sehr entscheidend gewesen. Auch laut Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem liegt bisher keine Einigung mit Griechenland vor. Spanies Premier Mariano Rajoy zeigte sich unterdessen kompromissbereit. Er sei zu Flexibilität bereit, aber Griechenland müsse zu seinen Zusagen stehen.
Finanzminister beenden Treffen ohne Ergebnis
Die Sitzung der Euro-Finanzminister wurde unterdessen erneut ohne Einigung beendet. Dijsselbloem zufolge werde der EU-Gipfel nun über den Stand der Verhandlungen unterrichtet. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb teilte per Twitter mit: „Das ist es für heute. Institutionen und Griechenland setzen Arbeit fort. Euro-Gruppe kommt später zurück, aber nicht heute.“ Wie Reuters mit Verweis auf einen weiteren EU-Vertreter berichtete, sei für Samstagvormittag bereits das nächste Treffen der Euro-Gruppe anberaumt.
Schäuble „nicht sehr zuversichtlich“
Eine Verlängerung zeichnete sich bereits vor Beginn des Treffens am Donnerstag ab. Deutschlands Finanzminister Wolfang Schäuble sagte vor der Sitzung etwa, er sei „nicht sehr zuversichtlich“. Wie Merkel vermisste auch Schäuble entscheidende Fortschritte. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sprach dennoch von einem entscheidenden Treffen. Laut Dijsselbloem ging es vor allem darum, dass sich die Euro-Gruppe „die griechische Seite anhört“. Die Griechen müssten demnach auch sagen, was sie akzeptieren könnten.
„Ja, es gibt eine Basis“
Tsipras äußerte sich weiter optimistisch. „Nach den umfassenden griechischen Vorschlägen bin ich zuversichtlich, dass wir einen Kompromiss erreichen, der der Euro-Zone und Griechenland hilft, die Krise zu überwinden", sagte er in Brüssel. Auf die Frage, ob es eine Verhandlungsbasis gebe, sagte Tsipras: "Ja, es gibt eine Basis, eine gute Basis.“
Laut Schelling traf am Donnerstagvormittag ein neues Reformpapier ein. „Wir werden sehen, ob jetzt das Papier“ akzeptabel sei. Die neuen Reformvorschläge für die Euro-Finanzminister stammen nach Angaben von Vertretern der Euro-Zone von den Institutionen der Geldgeber und der EU-Kommission. Ein Vertreter sagte, die Vorschläge seien nötig, weil es bisher keine Einigung mit der griechischen Regierung gebe. Nach Angaben eines zweiten Vertreters war zunächst unklar, inwiefern die griechische Seite an den neuen Vorschlägen mitgearbeitet habe.
Privilegien für Inseln für SYRIZA-Partner wichtig
Die griechische Regierung hat laut eigenen Angaben ihre Vorschläge konkretisiert. Diese würden den Gläubigerinstitutionen übermittelt, sagte ein Regierungsvertreter. Die Vorschläge seien realistisch und zeigten den Willen der griechischen Regierung, eine Lösung zu erzielen. In den Vorschlägen der Regierung gebe es nur kleine Differenzen zu den Vorstellungen der Gläubiger, sagte ein Regierungsvertreter.
Griechenland will allerdings nun doch an den Steuerprivilegien für Inseln festhalten. Das sähen die von der Regierung überarbeiteten Vorschläge vor, sagte ein Regierungsvertreter. Am Montag hatte Athen den Gläubigern EU, EZB und IWF noch angeboten, die Privilegien zu streichen. Sie sind ein heikler Punkt in der Regierungskoalition: Der kleinere Koalitionspartner der linken SYRIZA von Premier Tsipras, die Unabhängigen Griechen, hat mit dem Koalitionsbruch gedroht, sollten sie gestrichen werden. Tsipras ist im Parlament auf eine Mehrheit angewiesen, die jede Einigung im Schuldenstreit billigen müsste.
Bisher haben die Griechen laut Schelling „jede Art von Kompromiss abgelehnt“ und seien „ständig mit neuen Wünschen gekommen.“ Schelling sieht in Sonntag den „letzten Zeitpunkt“ für eine Einigung mit den Griechen. „Sonst geht es sich mit den Parlamenten nicht aus. Aber wir können nicht täglich zusammenkommen.“ Die Euro-Gruppe könne sich nicht unter Druck setzen lassen. „Die Teilnehmer des EU-Gipfels erwarten sich eine Empfehlung. Das werden wir auf jeden Fall tun.“
Zeit wird knapp
Am Dienstag (30. Juni) läuft das bereits zweimal verlängerte Hilfsprogramm für Athen aus. Einer Einigung müssten auch das Parlament in Athen sowie die Parlamente einiger Euro-Länder zustimmen. Erst bei Zustimmung können die blockierten Hilfen von 7,2 Milliarden Euro freigegeben werden. Deshalb herrscht enormer Zeitdruck.
SYRIZA sprach von Erpressung
Aus der SYRIZA von Tsipras kam im festgefahrenen Schuldenstreit heftige Kritik an den Gläubigern. „Die Forderung der Geldgeber, vernichtende Maßnahmen wieder auf den Tisch zu legen, belegt, dass die Erpressung Griechenlands einen neuen Höhepunkt erreicht“, sagte der Sprecher der SYRIZA-Parlamentsfraktion, Nikos Filis, am Donnerstag dem TV-Sender Mega. Seine Partei beharre darauf, dass eine Einigung eine Schuldenerleichterung beinhalten müsse. Das sage Arbeitsminister Panos Skourletis genauso, so Filis. Eine Einigung ohne Maßnahmen bei den Schulden könne es nicht geben, sagte Filis dem öffentlich-rechtlichen Sender ERT.
Ultimatum an Tsipras
Wie am Vormittag bekanntwurde, hatte die griechische Regierung bis 11.00 Uhr Zeit, in Brüssel neue Vorschläge zu unterbreiten. Andernfalls würden die Gläubigerinstitutionen den Finanzministern der Euro-Zone zu deren Sitzung eigene Vorschläge präsentieren, sagte ein Vertreter der Euro-Zone.
Tsipras hatte am Vormittag erneut mit den Spitzenvertretern der Geldgeber über sein Reform- und Sparpaket zu beraten begonnen, wie aus EU-Kreisen verlautete. Der Linkspolitiker Tsipras hatte bereits in der Nacht in der Spitzenrunde beraten. Beteiligt waren dem Vernehmen nach EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Chef Mario Draghi, Dijsselbloem und der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling.
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