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Kammer stellt „Preisverfall“ in Abrede

Ab Donnerstag dürfen Österreichs Apotheker rezeptfreie Medikamente über das Internet verkaufen. Die Nachfrage ist geringer als erwartet, nur sechs Apotheker haben bisher bei der zuständigen Stelle um eine Lizenz für den Arzneimittelversand angesucht.

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Apotheken, die von der Möglichkeit des Onlineversands Gebrauch machen wollen, müssen strenge Auflagen erfüllen und sich beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) registrieren lassen. „Wir gehen davon aus, dass es mehr werden“, sagte BASG-Chefin Christa Wirthumer-Hoche am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Sie rechnete mit rund 50 Apotheken, die rezeptfreie Medikamente über ihre Website verkaufen werden.

Bei der Apothekerkammer erwartete man indes, „dass sich in den nächsten Monaten von den 1.350 Apotheken rund 30 Apotheken um die Registrierung und Erlaubnis bemühen werden. Wie viele dann tatsächlich den Versand anbieten, ist noch nicht absehbar“, so Kammer-Präsident Max Wellan gegenüber ORF.at. Der Andrang blieb hinter den Erwartungen zurück. Noch im Vorjahr gingen Branchenbeobachter davon aus, dass 65 bis 100 österreichische Apotheker den Sprung ins Versandgeschäft wagen würden.

Keine Mindestbestellmengen

Geregelt ist der Versand von Arzneimitteln in der Fernabsatz-Verordnung. Gemäß dieser Verordnung dürfen Apotheken rezeptfreie Medikamente jeweils nur in einer „dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge“ versenden. Mindestbestellmengen sind untersagt. Der Kunde muss sich vor der ersten Bestellung mit persönlichen Daten wie dem Geburtsdatum und der Telefonnummer bei der Apotheke registrieren.

Der Versand muss in gewöhnlichen Paketen, welche den Inhalt nicht erkenntlich machen, mit arrivierten Logistikunternehmen an die direkt vom Besteller angeführte Person erfolgen und vom angetroffenen Empfänger gegengezeichnet werden. Intensiv ist auch die Verpflichtung zur Beratung. Kommt dem abwickelnden Apotheker etwas seltsam vor, muss er vor dem Versand eines Arzneimittels den potenziellen Kunden kontaktieren. Entsprechende Informationen über alle angebotenen Produkte müssen auf der Homepage vorhanden sein. Sämtliche Abläufe sind von der Apotheke zu dokumentieren, ebenso der Status der Lieferung.

Ein EU-weit einheitliches Logo für Versandapotheken soll dem Kunden die Sicherheit geben, dass es sich bei der gewählten Adresse um einen legalen Anbieter handelt und nicht um eine dubiose Quelle, die womöglich gefälschte Medikamente verscherbelt. Auf der BASG-Homepage ist ein Gegencheck möglich - dort können sich Konsumenten einen Überblick über registrierte Versandapotheken verschaffen.

Preisniveau „bleibt niedrig“

Ob der Fall des Versandverbots Auswirkungen auf die Medikamentenpreise haben wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Knapp die Hälfte aller Apotheker in Österreich erwartet in den nächsten ein bis zwei Jahren einen Preisverfall bei Arzneimitteln, hatte im Vorjahr eine Umfrage des Beratungsunternehmens Sempora ergeben. Nur ein Fünftel der damals befragten Pharmazeuten nahm die Marktöffnung als Chance wahr.

Laut einer 2014 durchgeführten Erhebung des Pharmadienstleisters IMS Health sind manche Präparate im Onlineverkauf um bis zu 40 Prozent billiger als in den stationären Apotheken. Letztere würden den Preiskampf vor allem bei Erkältungs- beziehungsweise Schmerz- und Rheumamitteln spüren, sagte Erika Sander von IMS Health gegenüber der Tageszeitung „Kurier“.

Die Apothekerkammer wiederum erwartet keinen Preiskampf: „Die Arzneimittelpreise liegen in Österreich schon jetzt unter dem europäischen Durchschnitt, wenn man den gesamten Arzneimittelwarenkorb betrachtet“, so Kammer-Präsident Wellan. Es liege in der Methode von Onlineapotheken, „mit einzelnen Angeboten zu werben. Aber im Grunde wird das ohnedies schon niedrige Arzneimittelpreisniveau niedrig bleiben“.

Bisher Erlaubnis nur für ausländische Apotheken

Das Inkrafttreten der Fernabsatz-Verordnung am Donnerstag beendet einen paradoxen Zustand. Der Versand von rezeptfreien Arzneimitteln war zwar schon bisher in Österreich zugelassen - allerdings nur für Anbieter aus dem EU-Ausland. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte 2012 festgestellt, dass das in Österreich geltende Versandverbot von Arzneimitteln gegen das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union verstößt.

Innerhalb der Pharmabranche gilt der OTC-Bereich - gemeint sind Medikamente, die „over the counter“, also "über die Geschäftstheke gehandelt werden können - als Wachstumsbereich. Laut dem Branchenverband IGEPHA verzeichnete der gesamte OTC-Markt in Österreich im Jahr 2012 einen Umsatz von 637,2 Millionen Euro. Die heimischen Apotheken machen rund 70 Prozent ihres Umsatzes mit rezeptpflichtigen Medikamenten, 30 Prozent kommen aus dem OTC-Segment. Über das Verhältnis bei den Gewinnen gibt es keine stichhaltigen Angaben.

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